Tangerine Dream

Musikpionier Edgar Froese ist tot

Der Gründer der 1967 in Berlin gegründeten Electronic-Band "Tangerine Dream", Edgar Froese, aufgenommen am 07.07.2006 in Berlin. Die Gruppe hat in den nahezu 40 Jahren ihres Bestehens weltweit rund 130 Platten veröffentlicht. Mit etlichen, wie der Debüt-LP "Electronic Meditation" (1970) und "Force Mayeur" (1979), schrieb sie Musikgeschichte.
Edgar Froese, Gründer von Tangerine Dream - Archivbild von 2006 © dpa / Tim Brakemeier
Von Laf Überland |
Er war einer der Pioniere der deutschen elektronischen Musik - jetzt ist Edgar Froese im Alter von 70 Jahren gestorben. 1967 hatte er Tangerine Dream gegründet und mit der Band immer wieder wichtige Impulse für verschiedene Musikgenres gegeben.
Mit dem Jugendprotest der späten 60er entstand in Westdeutschland und Westberlin eine neue Underground-Musik, die eine magische Wirkung auf die aufgeschlossenen jungen Stadtmenschen hatte - und, etwas verzögert, dann auch auf die Jugend vom Lande. Politisch war in der Bundesrepublik damals alles, das sich dem mühsam aus dem Niedergang der Nazis zusammengeschusterten Gemeinsinn widersetzte - und sei es auch nur in der Ästhetik.
Und der Klang der Revolte war nicht ein Klang - es waren die unterschiedlichsten Sounds. Von Splitterklängen bis zu lieblichen Klangbädern war alles möglich, wichtig war nur: Es war neu. Es war anders. Und es war selbstbestimmt. Viele Bands in Berlin spielten damals seltsame Musik, probierten was Neues. Das hieß dann Free Jazz oder Avantgarde oder Underground. Und es entstand die Berliner Elektronikschule (tatsächlich in einem Lern-Studio), und in deren Zentrum experimentierte der 1944 in Tilsit geborene Edgar Froese mit seiner Band Tangerine Dream.
In London war das Rockbusiness härter - und professioneller
Für die Musik der Berliner Elektronikschule galt eine Zeit lang der Marketingbegriff "Kosmische Musik", was gern als "komische Musik" verballhornt wurde. Aber der nüchterne und karrierebewusste Froese verließ sowieso den wüsten Aufbruchs-Sandkasten und ging mit seiner Band nach London: Da war das Rockbusiness zwar härter, aber auch professioneller. Und dort wurde Tangerine Dream aus Berlin dann weltberühmt – in Japan, in Amerika, in England sowieso, während hierzulande nach wie vor nur die Kiffer diese Wabermusik schätzten - bis endlich, 1982, der Schimanski-Tatort "Das Mädchen auf der Treppe" ein umarrangiertes Tangerine-Dream-Stück einsetzte und sich für Froese auch das Tor zum Mainstream-Publikum öffnete.
Aber in den frühen 70ern ging das erstmal los, dass ständig neue elektronische Tasteninstrumente auf den Markt kamen – und Geräte wie der Sequenzer, in den man pulsierende Tonfolgen einspeichert und der die pausenlos wiedergibt. Edgar Froese probierte jedes neue Gerät aus, und so wurden Tangerine Dream Weltmeister darin, vor sich hin pluckernde Teppiche zu konstruieren, auf denen sie hemmungslos kitschige, aber meist wirkungsvoll wogende Soundteppiche ausbreiten konnten: Das kam gut an bei Hörern, die sich der Überwältigung durch Sound hingeben wollten. Und auch die Tangerine-Dream-Konzerte waren ja zunehmend aufwendige Inszenierungen aus Ton, Licht, Lasershow und Videoprojektion.
Musik wie glitschender Schlamm auf dem Grund des Ozeans
"Diese Band hört sich an wie glitschender Schlamm auf dem Grund des Ozeans, und doch ist der Laden gerammelt voll", wunderte sich 1973 der amerikanische Rockkritik-Star Lester Bangs – und entdeckte als Erklärung: "Alle sind vollgeknallt." Sein Artikel trug den Titel: "Ich sah Gott und/oder Tangerine Dream".
Nun war Edgar Froese allerdings auch wirklich ein ziemlicher Egomane. Und das machte es für ihn etwas schwierig, mit anderen Musikern zu arbeiten: Über drei Dutzend Besetzungen hat Froese in den viereinhalb Jahrzehnten um sich herum geschart, von den meisten hat er sich im Krach getrennt, und sogar mit seinem Sohn hat er mal wegen musikalischer Rechteangelegenheiten prozessiert. Aber vielleicht macht derlei Konzentration auf sich selbst ja die Kreativität aus, die Edgar Froese zweifellos in sich beherbergte: Zumindest nahm er (mit oder ohne Tangerine Dream) weit über 100 Alben auf, darunter allein 41 Livemitschnitte, zahlreiche Soundtracks, eine amerikanische Märchen-CD über "Rumpelstilzchen", und er schrieb auch mehrere Opern aus den einzelnen Teilen von Dantes "Göttlicher Komödie", die dann jeweils im Brandenburgischen uraufgeführt wurden.
Und die Musik ging immer leichter ins Ohr: am Ende so leicht, dass Tangerine Dream seit den 90ern für die Ohren der alten Fans nur noch belangloses Elektro-Gedudel absonderten – während sie in Amerika gleich fünf mal für einen Grammy in der Sparte New Age nominiert wurden. Mastermind Edgar Froese fand das gar nicht lustig. Er sah sich als ernsthaften Komponisten:
"Meine Musik ist wie Homöopathie", erläuterte er mal. "Der Klang ist mein Botenstoff. Er will nur anstoßen, um dann in völliger Freiheit das auszulösen, was das Individuum an Möglichkeiten besitzt."
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