Tangoband Uusikuu

"Eine Sprache, die die finnischen Herzen sprechen"

Tangofestival in Seinajöki - Paare tanzen vor einer Bühne auf einer gesperrten Straße, Personen; 2004, Finnland,
Finnen lieben den Tango - wie hier beim Festival in Seinajöki. © imago/mm images/Kappest
Von Kerstin Poppendieck |
Neben Argentinien und Uruguay gehört Finnland zu den wichtigsten Tango-Nationen. Eine außergewöhnliche Vertreterin dieser Musikrichtung ist die Band Uusikuu, die sich vor zehn Jahren gegründet hat. Gerade ist ein neues Album erschienen. Ein Porträt der Band um Sängerin Laura Ryhänen.
Egal, wohin man auch geht, die Heimat bleibt immer im Herzen. Und irgendwann holt diese Heimat jeden zurück. So singt Laura Ryhänen im ersten Stück des Albums. Obwohl sie seit über 20 Jahren nicht mehr in Finnland lebt, trägt auch sie die Heimat im Herzen. Und den finnischen Tango.
"Ich glaube, die Tangos kann man erst singen, wenn man einige Situationen mit Herzschmerz und Enttäuschung und verlorener Liebe und traurigen Ereignissen erlebt hat. Wie man sagt: der Tango ist einfach die Sprache, die die finnischen Herzen sprechen, weil wir sind ja nicht so gesprächig alle. Und ich glaube, wir brauchen einfach die Musik, viele, viele schwierige Gefühle uns zu eröffnen und zu erklären, wie es uns innen drin geht."

Tango ist ein Männer-Ding

"Kotiseutuni – Meine Heimat" ist ein beliebtes Lied in Finnland. Erstmals aufgenommen 1952 und seitdem unzählige Male neu eingesungen. Meist von Männern. Laura ist erst die zweite Frau, die dieses Lied aufgenommen hat. Der Tango ist in Finnland fest in Männerhand, erzählt Mikko Kuisma, der bei Uusikuu singt und Geige spielt.
"Finnischen Frauen fällt es leichter, über Gefühle zu reden. Deshalb ist es interessant, dass es fast ausschließlich Männer sind, die Tango Lieder schreiben. Diese wirklich romantischen Lieder über die tiefsten Gefühle. In ihrem reellen Leben würden diese Männer so etwas niemals sagen. Die Musik ist also ein preiswerter Psychologe für sie. Und wahrscheinlich ein sympathischerer dazu."
Uusikuu wollen mit ihrem neuen Album die Frauen in Finnland und vor allem im finnischen Tango feiern und würdigen. Es soll kein Emanzipations-Album sein, sondern sie wollen die weibliche Perspektive in die Männerdomäne Tango in Finnland bringen. Das beginnt bereits beim dem Album-Cover, auf dem ausschließlich Fotos von Frauen und Mädchen zu sehen sind. Neben Bildern der Sängerin Laura Ryhänen auch welche von Müttern und Großmüttern der Bandmitglieder.
Mikko Kuisma:
"In vielen der Lieder geht es entweder um Frauen oder die Lieder wurden von Frauen geschrieben. Teilweise ist es auch so, dass die Frauen, die wir in diesem Album würdigen, noch aus einer Generation stammen, in der es für sie nicht möglich war, Musik zu studieren oder in einer Band zu spielen. Deshalb haben wir auch ein bisschen das Gefühl, dass wir die Träume unserer Großmütter leben. Wir machen die Dinge, die sie vielleicht machen wollten aber nicht konnten."

Zurück zu den Wurzeln

Zurück zu den Wurzeln des finnischen Tangos wollen Uusikuu mit diesem Album. Im Unterschied zu ihren vorherigen Alben gibt es diesmal auch Einflüsse aus dem Jazz und der Folkmusik zu hören. Lieder voller Traurigkeit, wie ja typisch sind für den finnischen Tango, aber auch positive, beschwingte Lieder, gesungen vor allem von Laura Ryhänen und Mikko Kuisma. Spannender Finn-Tango zwischen Melancholie und Leichtigkeit mit Geschichten von Heimatlosigkeit und musikalischer Gleichberechtigung.
Mikko Kuisma:
"Neu daran ist, dass es eigentlich sehr alt ist. Dieses Album ist auch unsere Reise zu den Anfängen des finnischen Tangos. Viele der Originalfassungen der Songs unseres Albums sind aus den 1930er Jahren. Damals trafen viele verschiedene Musikstile aufeinander. Da gab es den Latein-amerikanischen Tango, den klassischen Argentinischen Tango, Jazz, verschiedene Arten klassischer Musik, sogar Blues und russische Romantik. Und all diese Stile wurden damals gemixt. Es gab keine Grenzen. Und das machen wir jetzt auch. Was wir dem Publikum vermitteln wollen, ist eine Art Grammophon-Gefühl aus längt vergangener Zeit versetzt mit modernem Sound."
Eine Reise in die Vergangenheit, um die Musik der 1930 Jahre für das 21. Jahrhundert wiederzubeleben und entsprechend musikalisch an die heutige Zeit anzupassen – das war der Plan der Band. Das Lied "Tuulia" ist eine von drei Eigenkompositionen der Band, der Rest sind Neuinterpretationen alter finnischer Lieder.

Finnisch-deutsche Zusammenarbeit

Es ist der Band wichtig, ihre eigenen Ideen und neue Arrangements einzubringen, auch wenn man die Originalstücke kaum wiedererkennt. Für Sängerin Laura Ryhänen haben die drei anderen Bandmitglieder großen Einfluss auf den einzigartigen Klang von Uusikuu. Während sie und Mikko Kuisma Finnen sind, kommen die anderen drei Bandmitglieder aus Deutschland. Eine finnisch-deutsche Tango-Geschichte.
"Für mich sehr wichtig auch, dass wir die jungen deutschen Musiker dabei haben, die einfach neue Ideen haben. Sie sind nicht mit dieser Musik groß geworden wie wir. Also haben sie keine Grenzen in den Köpfen. Sie verstehen die Texte nicht. Wir erzählen auch nicht zu viel über die Lieder bevor wir anfangen ein neues Lied zu spielen. So dass wir einfach mal die Freiheit haben, etwas Neues zu machen. Genau wie damals in ´20er und ´30er Jahren, als viele Musiker aus dem Ausland kamen und einfach gesagt haben: let´s jam."
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