Tanz aus Erotik und Flucht
Was passiert eigentlich, wenn zwei Menschen sich kennen lernen und ineinander verlieben? Welche Hoffnungen und Wünsche, aber auch Ängste und Zweifel sind im Spiel, wenn es darum geht, den anderen zu erkunden? In André Acimans Roman "Acht helle Nächte" stehen genau diese Fragen im Mittelpunkt.
Wir sind in New York, in der feinen Upper West Side, wo der namenlos bleibende Ich-Erzähler, ein 28-jähriger Mann, auf einer Weihnachtsparty am 24. Dezember in einem schicken Apartment mit Blick über die von Schnee bedeckte Stadt einer jungen, attraktiven Frau verfällt: "Ich bin Clara" sind ihre ersten Worte an ihn – und schon das klingt wie eine provokante Liebes- und Kriegserklärung zugleich. Acht helle Nächte folgen. Sie trinken in Bars, wagen sich auf den vereisten Hudson River, besuchen einen alten Mann, den Clara schon aus Kindheitstagen kennt, und gehen jeden Abend ins Kino, wo sie treue Zuschauer einer Filmretrospektive von Éric Rohmer sind.
Dieser Name – Aciman spielt mit solchen Verweisen auf diverse andere Kunstwerke – ist natürlich kein Zufall. Denn Rohmer – dessen Protagonisten die Liebe stets auch als intellektuelles Spiel verstehen, indem sie vor allem von ihr reden – kann für Acimans Liebesroman als eine Art Blaupause verstanden werden. Auch seine Liebenden vollführen vom ersten Moment an ein verbales pas de deux von tastender Annäherung und spröder Zurückweisung. Es geht zwei Schritt voran, drei Schritt zurück. Sie reden und reden und weichen doch dem, was gesagt werden müsste, beständig aus. Sie flirten und geben sich zugleich zugeknöpft.
Aciman schildert diesen Tanz aus Erotik und Flucht konsequent aus der Sicht eines Ich-Erzählers, der diese Begegnung beständig analysiert. Die minutiöse Innenschau eines fast manisch auf die eigene Selbstfragung fixierten Mannes und die Dialoge, deren unablässiger Wortwitz in manchen Momenten gewollt erscheinen, machen "Acht helle Nächte" bei aller Kunstfertigkeit zu einem ambivalenten Leseerlebnis. Einerseits liegt der unausgesprochen bleibende Vergleich mit Acimans Idol Proust beständig auf der Hand: Acimans Sprache ist poetisch und elegisch zugleich; seine Sätze mäandern zeilenlang wie die endlosen Zweifel im Hirn seines Erzählers.
Doch zugleich wirken Sprache und Form auf Dauer auch etwas gespreizt. Man ahnt, dass im Inneren dieser beiden Personen – Clara gibt sich als Jüdin zu erkennen, der Ich-Erzähler hat vor kurzem erst den Vater verloren – dunkle Geheimnisse lauern. Doch Aciman – als Autor eigentlich ein Kenner verlorener Seelen – lässt beides leider allzu sehr im Vagen. "Acht helle Nächte" ist ohne Zweifel ein so ambitioniertes wie ungewöhnliches Porträt einer neuen Liebe. Ob darin Tiefgang oder Seichtheit siegen, muss jeder Leser für sich selbst entscheiden.
Besprochen von Claudia Kramatschek
André Aciman: Acht helle Nächte
Aus dem Amerikanischen von Renate Orth-Guttmann
Verlag Kein & Aber, Zürich 2010
522 Seiten, 22,90 Euro
Dieser Name – Aciman spielt mit solchen Verweisen auf diverse andere Kunstwerke – ist natürlich kein Zufall. Denn Rohmer – dessen Protagonisten die Liebe stets auch als intellektuelles Spiel verstehen, indem sie vor allem von ihr reden – kann für Acimans Liebesroman als eine Art Blaupause verstanden werden. Auch seine Liebenden vollführen vom ersten Moment an ein verbales pas de deux von tastender Annäherung und spröder Zurückweisung. Es geht zwei Schritt voran, drei Schritt zurück. Sie reden und reden und weichen doch dem, was gesagt werden müsste, beständig aus. Sie flirten und geben sich zugleich zugeknöpft.
Aciman schildert diesen Tanz aus Erotik und Flucht konsequent aus der Sicht eines Ich-Erzählers, der diese Begegnung beständig analysiert. Die minutiöse Innenschau eines fast manisch auf die eigene Selbstfragung fixierten Mannes und die Dialoge, deren unablässiger Wortwitz in manchen Momenten gewollt erscheinen, machen "Acht helle Nächte" bei aller Kunstfertigkeit zu einem ambivalenten Leseerlebnis. Einerseits liegt der unausgesprochen bleibende Vergleich mit Acimans Idol Proust beständig auf der Hand: Acimans Sprache ist poetisch und elegisch zugleich; seine Sätze mäandern zeilenlang wie die endlosen Zweifel im Hirn seines Erzählers.
Doch zugleich wirken Sprache und Form auf Dauer auch etwas gespreizt. Man ahnt, dass im Inneren dieser beiden Personen – Clara gibt sich als Jüdin zu erkennen, der Ich-Erzähler hat vor kurzem erst den Vater verloren – dunkle Geheimnisse lauern. Doch Aciman – als Autor eigentlich ein Kenner verlorener Seelen – lässt beides leider allzu sehr im Vagen. "Acht helle Nächte" ist ohne Zweifel ein so ambitioniertes wie ungewöhnliches Porträt einer neuen Liebe. Ob darin Tiefgang oder Seichtheit siegen, muss jeder Leser für sich selbst entscheiden.
Besprochen von Claudia Kramatschek
André Aciman: Acht helle Nächte
Aus dem Amerikanischen von Renate Orth-Guttmann
Verlag Kein & Aber, Zürich 2010
522 Seiten, 22,90 Euro