Tanzen online

Von Wiebke Hüster |
Seit langem interessiert sich der Choreograph William Forsythe für den Einsatz neuer Technologien im Zusammenhang mit Tanz. Unter dem Titel "Synchronous Objects" hat er nun eine interaktive Webseite geschaffen, die choreographische Informationen in neuer Form anschaulich machen will.
Seit langem interessiert sich der Choreograph William Forsythe für den Einsatz neuer Technologien im Zusammenhang mit Tanz. Mit dem Karlsruher Zentrum für Kunst- und Medientechnologie (ZKM) entwickelte er vor wenigen Jahren die CD-ROM "Improvisation Technologies", mit der er einen faszinierenden Einblick in seine Tanztechniken gab.

Nun hat er den nächsten Schritt vollzogen und unter dem Titel "Synchronous Objects" (www.synchronousobjects.osu.edu) eine interaktive Webseite geschaffen, die choreographische Informationen in neuer Form anschaulich machen will. Ein Grundproblem der Kunstform Tanz ist, dass sie nur begrenzt zu verschriftlichen ist.

Während Videoaufzeichnungen dieses Handicap für die praktische Arbeit inzwischen ausgleichen können, bleibt das Problem auf der Rezeptionsseite durchaus bestehen. Ein Kunstwerk, das von seiner Aufführung nicht zu trennen ist, ist das überhaupt ein Kunstwerk, fragt die ästhetische Theorie angesichts des Tanzes. Welcher Ballettzuschauer hat schon gelernt, anhand der Benesh-Notation vor dem Besuch einer Aufführung von "Giselle" das Stück zu Hause zu studieren?

Im Feld des zeitgenössischen Tanzes verschärft sich das Problem noch. Hier verlassen die Bewegungen, die Gestik und Mimik häufig das klassifizierte Vokabular akademischen Tanzens und sind nicht mehr leicht zeichenhaft darstellbar. Auf der Webseite, die Forsythe in dreijähriger Zusammenarbeit mit der Ohio State University entworfen hat, kann man nun exemplarisch einen Tanz von ihm aus den verschiedensten technologiegesteuerten Perspektiven studieren, die 25 Themen seines Bewegungsmaterials kennenlernen und vieles mehr.

Das 2000 entstandene Stück "One Flat Thing, Reproduced", in dem 14 Tänzer 20 Tische nach vorne auf eine leere Bühne ziehen, um sich dann mit Verve in eine kommunikative Bewegungsschlacht auf, zwischen, unter und hinter den Tischen zu begeben, kann man vollständig sehen, frontal oder von oben aus der Vogelperspektive gefilmt. Dann kann man diese Eindrücke mithilfe zahlreicher "Tools" noch einmal vertiefen, analysieren, umdeuten.
Etwa kann man eine Zeitschiene verfolgen, unterhalb derer, nach Tänzern unterteilt, die verschiedenen Bewegungsthemen notiert sind, wann sie wo von wem getanzt werden. Oder man kann lernen, wie die Zeichen, mit denen sich Tänzer wechselseitige Einsätze geben, aussehen, oder es können Phasen blitzhafter Übereinstimmung in Dynamik, Rhythmus und Thema, die sogenannten "alignments", anhand eingezeichneter bunter Vektoren verfolgt werden.

Wichtig war Forsythe auch, aus der Welt des zeitgenössischen Bühnentanzes Brücken zu schlagen herüber in andere kreative Sphären. So soll Tanz auch für Architekten, bildende Künstler oder Webdesigner als ein informatives System erkennbar werden, aus dessen Partituren sich verwandte Strukturen ablesen und in andere Materie übertragen lassen.

Dafür hat Forsythe Tanz zu Daten und diese schließlich zu Objekten werden lassen – hier manchmal in bunten 3D-Animationen. Sehr stylish, sehr cool.