Tanzendes Anders-Sein
Trajal Harrell gilt in den USA als Enfant terrible der Tanzszene. Zum Berliner Tanz im August führte der Choreograf seine Performance "Judson Church is Ringing in Harlem" auf. Die legendäre Wiege des zeitgenössischen Tanzes trifft auf schwul-lesbische Subkultur.
"The gentleman with the striped shirt - which pizza is he having?"
Was der Herr am Nachbartisch für eine Pizza bestellt hat, will Trajall Harrell von der Kellnerin wissen, noch bevor die ihm die Karte reichen kann. Der Choreograf ist gerade aus Wien in Berlin angekommen.
Seit dem frühen Morgen ist er auf den Beinen ohne Mittag- und Abendessen: Alltag für den Künstler, der die meiste Zeit des Jahres auf Tour ist: Wien, Berlin, wieder Wien, Paris, Portland und wieder zurück nach New York. Das Leben aus gepackten Koffern ist der Preis für den Erfolg.
Schon damals als kleiner Junge, einer von wenigen afroamerikanischen Schülern in seiner Klasse und kurz vor seinem Coming-out in einer Kleinstadt in Georgia, wollte Trajal zur Bühne.
"Als ich elf wurde, wollte mein Vater, dass ich Baseball spiele, aber bei meinem ersten Spiel bekam ich so große Angst vor dem Ball, dass ich vom Platz ging und für ein Musical namens 'music man' in einem Collage in der Nähe vorsprach. Ich glaube, das war mein erstes Mal auf der Bühne."
Auch mit Anfang 30 wirkt Trajal wie ein Theater begeisterter Teenager. Aber das erste Bühnenengagement blieb vorerst eine Episode. Nach dem Highschool-Abschluss als Jahrgangsbester bekam Trajal ein Stipendium für die Elite-Universität Yale angeboten. Er entschied sich für Amerikanistik und entdeckte die afroamerikanische Literatur für sich.
"Literary Theory, history of culture, Toni Morrison, Alice Walker."
Aber am Ende setzte sich der Theaterenthusiast in Trajal durch und er begann eine Ausbildung zum Choreografen.
"In den 90ern hielten die meisten Choreografen nichts von Virtuosität auf der Bühne, statt großen Bewegungen waren Ideen gefragt."
Vor allem Ideen und Inspirationen durch alles Mögliche außerhalb der Tanz-Hochkultur. Die fand Trajal in einer Welt, die mit zeitgenössischem Tanz überhaupt nichts zu tun hatte: Die "Vogueing"-Bälle der schwarzen Schwulenszene in Harlem.
"It is a form of social performance and a competition."
Vogueing: Eine Art sozialer Performance und ein Wettbewerb, bei dem Mitglieder sogenannter "Houses" - eine Art Wahlfamilien - gegeneinander antreten. Wer am schönsten und ausdrucksstärksten über den Laufsteg läuft, hat gewonnen.
"Es gibt alle möglichen Kategorien: Vom 'Mannequin auf Stilletos' bis 'dicke Männer auf dem Laufsteg'. Im Prinzip geht es darum, dass Leute darin wetteifern jemand zu sein, der sie nicht sind."
Und das konsequent:
"Als Zuschauer auf einem Ball verliert man die Möglichkeit, Geschlechter zu erkennen, weil man nie weiß, ob man jetzt eine Tunte vor sich hat, eine Transe die gerade in ihrer Operation steckt, ob ein Mann oder eine Frau auftritt. Das hat mich komplett umgehauen."
Die Frage, was passiert wäre, wenn die Pioniere des zeitgenössischen Tanztheaters damals auf die Protagonisten der schwullesbischen, transgender schwarzen Subkultur gestoßen wären, ließ Trajal nicht mehr los. Er holte "Voguer" ins Studio, schlüpfte selbst in ihre Rolle und fing an zu experimentieren. Mittlerweile ist daraus eine ganze Serie von Tanzabenden geworden. Virtuose Tanzfiguren treffen auf postmoderne Diskurs-Performance
Im Restaurant in Berlin-Kreuzberg hat sich Trajal Harrell doch gegen die Pizza und für Pasta entschieden. Der Choreograf blickt auf die Uhr. Zeit ins Hotel zurückzukehren. Eine letzte Frage: Wann hat er auf seinen vielen Reisen, das letzte Mal eine Tanztheater- oder Vogueing-reife Situation erlebt?
"In Wien gibt es ja an jeder Straßenecke einen 'Würstelstand' und wie da die Verkäufer einen bedienen, wie stolz sie sind in ihrer Uniform, wie sie wirklich in dieser Rolle aufgehen Das hat auf jeden Fall was mit 'Vogueing' zu tun."
Wer weiß, vielleicht choreografiert Harrell demnächst ein Stück über die Wiener Würstelverkäufer. Zu seinem Motto würde das Projekt passen.
""I tend to be in territories where no one is."
Und mit einer Choreografie über Wiener Würstelverkäufer würde Trajal Harrell auf jeden Fall Neuland betreten. In seiner Vogeuingshow gäbe es dann eine neue Kategorie: Neben "dicke Männer auf dem Catwalk" dann "Wiener Würstelverkäufer auf dem Laufsteg".
Was der Herr am Nachbartisch für eine Pizza bestellt hat, will Trajall Harrell von der Kellnerin wissen, noch bevor die ihm die Karte reichen kann. Der Choreograf ist gerade aus Wien in Berlin angekommen.
Seit dem frühen Morgen ist er auf den Beinen ohne Mittag- und Abendessen: Alltag für den Künstler, der die meiste Zeit des Jahres auf Tour ist: Wien, Berlin, wieder Wien, Paris, Portland und wieder zurück nach New York. Das Leben aus gepackten Koffern ist der Preis für den Erfolg.
Schon damals als kleiner Junge, einer von wenigen afroamerikanischen Schülern in seiner Klasse und kurz vor seinem Coming-out in einer Kleinstadt in Georgia, wollte Trajal zur Bühne.
"Als ich elf wurde, wollte mein Vater, dass ich Baseball spiele, aber bei meinem ersten Spiel bekam ich so große Angst vor dem Ball, dass ich vom Platz ging und für ein Musical namens 'music man' in einem Collage in der Nähe vorsprach. Ich glaube, das war mein erstes Mal auf der Bühne."
Auch mit Anfang 30 wirkt Trajal wie ein Theater begeisterter Teenager. Aber das erste Bühnenengagement blieb vorerst eine Episode. Nach dem Highschool-Abschluss als Jahrgangsbester bekam Trajal ein Stipendium für die Elite-Universität Yale angeboten. Er entschied sich für Amerikanistik und entdeckte die afroamerikanische Literatur für sich.
"Literary Theory, history of culture, Toni Morrison, Alice Walker."
Aber am Ende setzte sich der Theaterenthusiast in Trajal durch und er begann eine Ausbildung zum Choreografen.
"In den 90ern hielten die meisten Choreografen nichts von Virtuosität auf der Bühne, statt großen Bewegungen waren Ideen gefragt."
Vor allem Ideen und Inspirationen durch alles Mögliche außerhalb der Tanz-Hochkultur. Die fand Trajal in einer Welt, die mit zeitgenössischem Tanz überhaupt nichts zu tun hatte: Die "Vogueing"-Bälle der schwarzen Schwulenszene in Harlem.
"It is a form of social performance and a competition."
Vogueing: Eine Art sozialer Performance und ein Wettbewerb, bei dem Mitglieder sogenannter "Houses" - eine Art Wahlfamilien - gegeneinander antreten. Wer am schönsten und ausdrucksstärksten über den Laufsteg läuft, hat gewonnen.
"Es gibt alle möglichen Kategorien: Vom 'Mannequin auf Stilletos' bis 'dicke Männer auf dem Laufsteg'. Im Prinzip geht es darum, dass Leute darin wetteifern jemand zu sein, der sie nicht sind."
Und das konsequent:
"Als Zuschauer auf einem Ball verliert man die Möglichkeit, Geschlechter zu erkennen, weil man nie weiß, ob man jetzt eine Tunte vor sich hat, eine Transe die gerade in ihrer Operation steckt, ob ein Mann oder eine Frau auftritt. Das hat mich komplett umgehauen."
Die Frage, was passiert wäre, wenn die Pioniere des zeitgenössischen Tanztheaters damals auf die Protagonisten der schwullesbischen, transgender schwarzen Subkultur gestoßen wären, ließ Trajal nicht mehr los. Er holte "Voguer" ins Studio, schlüpfte selbst in ihre Rolle und fing an zu experimentieren. Mittlerweile ist daraus eine ganze Serie von Tanzabenden geworden. Virtuose Tanzfiguren treffen auf postmoderne Diskurs-Performance
Im Restaurant in Berlin-Kreuzberg hat sich Trajal Harrell doch gegen die Pizza und für Pasta entschieden. Der Choreograf blickt auf die Uhr. Zeit ins Hotel zurückzukehren. Eine letzte Frage: Wann hat er auf seinen vielen Reisen, das letzte Mal eine Tanztheater- oder Vogueing-reife Situation erlebt?
"In Wien gibt es ja an jeder Straßenecke einen 'Würstelstand' und wie da die Verkäufer einen bedienen, wie stolz sie sind in ihrer Uniform, wie sie wirklich in dieser Rolle aufgehen Das hat auf jeden Fall was mit 'Vogueing' zu tun."
Wer weiß, vielleicht choreografiert Harrell demnächst ein Stück über die Wiener Würstelverkäufer. Zu seinem Motto würde das Projekt passen.
""I tend to be in territories where no one is."
Und mit einer Choreografie über Wiener Würstelverkäufer würde Trajal Harrell auf jeden Fall Neuland betreten. In seiner Vogeuingshow gäbe es dann eine neue Kategorie: Neben "dicke Männer auf dem Catwalk" dann "Wiener Würstelverkäufer auf dem Laufsteg".