Tanzperformance "Being Pink Ain't Easy"

Als Rapper rosa trugen

11:25 Minuten
Pharrell Williams trägt ein rosanes Polohemd und umarmt Kanye West.
Die Rapper Pharrell Williams und Kanye West bei einem Auftritt in New York 2006. © imago/ZUMA Press
Joana Tischkau im Gespräch mit Gesa Ufer · 11.10.2019
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Anfang der Nullerjahre trugen Rapper rosa Hemden. Dass das ihrem Macho-Image nicht schadete, liege am rassistischen Stereotyp des hypermaskulinen Schwarzen, glaubt die Tänzerin Joana Tischkau. Und hinterfragt das Klischee in ihrer neuen Arbeit.
Das Mackertum gehörte lange ebenso zum Hip-Hop wie die tief sitzende Hose. Auch wenn sich inzwischen einiges verändert hat, machten Anfang der Nullerjahre Rapper wie Cam’ron und Kanye West nach wie vor auf dicke Hose – allerdings in rosa Hemden, Pelzmänteln und glitzernden Ketten. Sie schmückten sich mit Kleidung und Accessoires, die eigentlich feminin konnotiert waren.
Dass dieser Stil der vermeintlichen Männlichkeit der Rapper trotzdem keinen Abbruch tat, erklärt sich die Choreographin Joana Tischkau mit dem weit verbreiteten Stereotypen über schwarze Männer: "Ich habe mich gefragt: Warum lesen wir das nicht als homosexuell? Warum wird das nicht wie sonst sexistisch erniedrigt? Für mich steckt darin die These, dass schwarze Männer so rassistisch konstruiert sind, dass sie ihre Männlichkeit, ihre Hypermaskulinität gar nicht verlieren können."

Sich "schwarz bewegen" - was heißt das eigentlich?

Dieses sexuelle Stereotyp sei so festgefahren, dass diese Männer keine Chance hätten, anders gelesen zu werden. "Weiße Körper haben hingegen eher die Möglichkeit, sich alles anzueigenen, sich alles zu nehmen und zu sagen: Jetzt möchte ich eine eher feminine oder androgyne Figur performen." In ihrer neuen Choreographie versucht Tischkau, diese und andere Stereotype aufzubrechen – nicht mit Worten, sondern mit Tanz und Bewegung.
"Es gibt ganz klar konstruiertes Bewegungsmaterial. Wir glauben, eine weiße Person bewegt sich so und eine schwarze so." Dadurch, dass sie ihren weißen Tänzer sich vermeintlich schwarz bewegen lässt, will Tischkau diese Zuschreibung aufbrechen und zeigen, dass sie nicht essenziell verankert seien. Sie selbst könne nicht deshalb tanzen, weil sie schwarz sei, sondern weil sie es gelernt und studiert habe.
Fälle wie der weiße Rapper Eminem seien für das Aufbrechen solcher essentialistischen Zuschreibungen besonders interessant. "Natürlich müssen wir uns fragen, warum auf einmal ein weißer Rapper so krassen kommerziellen Erfolg erzielt mit dem, was schwarze Künstler schon so lange gemacht haben. Aber es zeigt auch ein Begehren nach schwarzer Körperlichkeit und den Emotionen, die in diesen Songs aufkommen."

Es ist nicht leicht, weiß zu sein

Mit dem Titel "Being Pink Ain’t Easy" spielt Tischkau auch auf die Hautfarbe weißer Menschen an. "Ein Stereotyp, was mir jeden Tag begegnet, ist, dass ich mit Farben verglichen werde. Es wird nicht verstanden, dass schwarz sein eine politische Bezeichnung ist, die nichts mit meiner realen Hautfarbe zu tun hat. Wenn ich als schwarze Frau weiße Menschen darauf anspreche, dass sie weiß sind, ist das hingegen erstmal ein Schockmoment: 'Warum siehst du denn jetzt meine Hautfarbe, ich habe doch gar nichts gemacht.'"
Diese Markierung, der man sich als Teil des Machtgefüges nicht entziehen könne, werde als Kränkung wahrgenommen. Und genau das solle der Titel ironisch wiedergeben: Es sei eben nicht leicht, weiß zu sein. "Ironischerweise natürlich. Denn das Leiden, was da stattfindet, ist kein Leiden, denn man steht ja ganz oben. Aber es ist ein Leiden, das es unmöglich macht, über Rassismus zu sprechen. Denn wenn die weiße Person in ihrer Kränkung sofort zumacht, ist der Diskurs zu Ende."
(rod)
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