Kabale und Krise
Am Tanztheater Wuppertal will die Geschäftsleitung, dass Intendantin Adolphe Binder abtritt. Noch ist aber keine Entscheidung gefallen. Gut so, findet unsere Tanzkritikerin Elisabeth Nehring, denn die Sache sei komplex.
Adolphe Binder ist erst seit einem Jahr im Amt, doch schon wird ihre Entlassung gefordert. Und zwar von der Geschäftsführung. Der Antrag auf fristlose Kündigung habe den Beirat des Theaters überrascht, so Elisabeth Nehring im Deutschlandfunk Kultur.
Es sei offensichtlich, dass die Geschäftsführung im Vorfeld nicht transparent mit dem Antrag umgegangen sei und "offensichtlich in einer Überrumplungsaktion den Beirat vor der Sommerpause bewegen wollte, eine fristlose Kündigung auszusprechen – wobei es bei dem Ausmaß der Vorwürfe selbstverständlich sein müsste, dass das Ganze gründlich überprüft werden muss."
Beirat wurde überrumpelt
Die Geschäftsleitung wirft Adolphe Binder unter anderem vor, keinen Spielplan für die kommende Saison vorgelegt und keine Pressekonferenz realisiert zu haben. Inzwischen habe sich aber herausgestellt, dass ein Spielplan von ihr zwar existiere, aber nicht abgenommen worden sei, berichtet Nehring. Außerdem sei es die Geschäftsführung gewesen, die die Pressekonferenz abgesagt habe.
"Auch wenn wir den Inhalt des Spielplans noch nicht vollständig kennen, müssen wir doch anerkennen, dass das eine völlig andere Sachlage ist, als zu sagen 'sie kriegt’s nicht hin'", so Nehring.
Vorwürfe differenziert betrachten
Zudem werde der Intendantin zur Last gelegt, dass sie eine Privatperson unerlaubt mit auf eine Dienstreise mitgenommen habe. Dabei handele es sich aber um eine langjährige Mitarbeiterin, die Adolphe Binder zum Abschied auf eine Gastspielreise eingeladen habe, so Nehring. Sie habe das Stück 40 Jahre hinter der Bühne betreut, Binder habe ihr die Gelegenheit geben wollen, es einmal von vorne zu sehen.
Alle Tänzer hätten die Einladung als eine schöne Geste empfunden – jetzt werde der Vorgang Adolphe Binder zum Vorwurf gemacht, berichtet Nehring: "Ich erzähle das, weil diese Beispiele eben zeigen, wie differenziert man diese Vorwürfe betrachten muss, wenn man ein einigermaßen vollständiges und nicht nur ein einseitiges Bild erhalten will."
Kompanie steht hinter Intendantin
Die Kompanie steht offenbar hinter der Intendantin. In der "Wuppertaler Rundschau" habe sich der größte Teil des Ensembles in einem offenen Brief dagegen ausgesprochen, dass Vorwürfe gegen Adolphe Binder in ihrem Namen geäußert würden. "Wenn man das genau liest, kann man daraus ersehen, dass es sowohl nach innen, also Richtung Beirat, wie auch nach außen, Richtung Presse, unbewiesene Behauptungen gegeben hat, die als Tatsachen verkauft worden sind."
Nehring sagt, aus ihrer Sicht sei die erste Spielzeit von Adolphe Binder eine Erfolgsgeschichte: Zwei Uraufführungen hätten Standing Ovations und überwiegend gute bis sehr gute Kritiken bekommen, das Ensemble toure auf der ganzen Welt. Das deute nicht darauf hin, dass Binder eine unfähige Intendantin sei, im Gegenteil.
Deswegen, so Nehring, sei es gut, dass sich der Beirat Zeit nehme für seine Entscheidung. "Es sollte sehr gründlich überprüft werden, ob sie oder wer sonst am Tanztheater Wuppertal unter Umständen gehen muss." (rit)