Tarifeinigung im öffentlichen Dienst

Bsirskes leichter Sieg

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, spricht am 26.04.2016 in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen). Die Gewerkschaft Verdi fordert für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes des Bundes und der Kommunen unter anderem sechs Prozent mehr Geld.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske © dpa / picture alliance / Federico Gambarini
Von Theo Geers |
So einfach war es für die Gewerkschaften lange nicht, Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst durchzusetzen, meint Theo Geers. Denn nicht nur sprudeln die Steuereinnahmen – zur Bewältigung der Flüchtlingskrise braucht es auch weiterhin motivierte Mitarbeiter in Kitas, Schulen und Ämtern.
Eine Messlatte für die diesjährige Tarifrunde hängt seit gestern Abend. Mit 2,4 Prozent rückwirkend zum 1. März und noch einmal 2,35 Prozent ab 1. Februar nächsten Jahres haben die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes die Orientierungsmarke für die diesjährige Tarifrunde gesetzt. Und nicht nur über zwei Millionen Beschäftigte beim Bund und in den Kommunen können sich über ein kräftiges Tarifplus freuen. Auch 80 Millionen Deutsche können aufatmen – ihnen bleibt eine nervenaufreibende Streikwelle in den Kitas, auf Flughäfen oder bei der Müllabfuhr diesmal weitgehend erspart. Die Strategie von Verdi-Chef Frank Bsirske ist aufgegangen: Ein eher kurzes, dafür aber gezieltes Spielenlassen der Muskeln mit den Streiks in dieser Woche hat nicht nur seine Streikkasse geschont. Es hat Verdi auch davor bewahrt, mit einer massiven Streikwelle Gefahr zu laufen, dass die Stimmung im Land gegen die Gewerkschaft kippt.
Das dosierte Muskelspiel reichte aber in jedem Fall, um allen am Verhandlungstisch aufzuzeigen, was sie nicht wollten: Ein von Streiks begleitetes Gezerre auf dem Rücken der Bürger um einen Tarifabschluss, der am Ende so oder so hätte kommen müssen und der sich mit Sicherheit nur um ein paar Pünktchen hinterm Komma von dem unterschieden hätte, was jetzt ausgehandelt wurde. Diesmal ist das Land also vergleichsweise billig davon gekommen. Ein weiterer schöner Nebeneffekt: Die Höhe dieser Tarifsteigerungen wird auch mitentscheidend sein für die im Sommer anstehende erstmalige Erhöhung des Mindestlohns. Das nehmen alle Gewerkschaften gerne mit.

Auch ein Stück Anerkennung für das Geleistete

Verdi und die anderen Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes hatten es diesmal aber auch deshalb leichter, weil die öffentlichen Kassen überwiegend gut gefüllt sind. Natürlich gibt es unverändert arme Städte etwa im Ruhrgebiet, aber im Rest des Landes und auch beim Bund sieht es anders aus. Bei hohen Steuer- und auch Gebühreneinnehmen fiel es trotz der Mehrausgaben durch die Flüchtlingskosten schwer, Argumente gegen eine spürbare Gehaltserhöhung vorzubringen. Zumal gerade die Flüchtlingskrise zeigt, dass ein funktionierendes Staatswesen auch etwas wert ist. So gesehen schwingt in der Gehaltserhöhung von insgesamt fast fünf Prozent auch ein Stück Anerkennung für das Geleistete mit.
Das Gesamtpaket ist aber nicht nur rückwirkend betrachtet in Ordnung. Die Flüchtlingskrise ist noch nicht ausgestanden, die eigentliche Bewährungsprobe kommt noch in Form der vielen Integrationsmaßnahmen. Auch dafür braucht es motivierte Staatsdiener etwa in Kitas, Schulen oder Sozialämtern; und Motivation ist – wenn auch nicht allein – immer auch eine Frage des Gehalts. Die Gewerkschaften täten gut daran, dieses Argument auch künftig stärker in den Vordergrund zu schieben. Denn die nächste Pensionierungswelle im öffentlichen Dienst ist absehbar und mit ihr die Notwendigkeit, viele der Ausscheidenden zu ersetzen. Das aber heißt auch: Der Staat muss sich weit stärker als in der Vergangenheit dem Wettbewerb um die besten Nachwuchsköpfe stellen.
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