Tarifpflicht

Warum der Pflegenotstand weitergehen wird

07:12 Minuten
Eine alte Frau im Rollstuhl sitzt vor einem Spiegel. Sie bekommt die Haare von einer Altenpflegerin gekämmt.
In der Pflege wird jetzt besser bezahlt. Doch ob das hilft, die strukturellen Probleme der Branche zu lösen, ist unklar. © imago images / Westend61 / Daniel Ingold
Marcus Jogerst-Ratzka im Gespräch mit Stephan Karkowsky |
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Pflegeheime und Pflegedienste müssen ihre Beschäftigten ab sofort nach Tarif bezahlen. Ein Schritt in die richtige Richtung, sagt der Pfleger Marcus Jogerst-Ratzka - doch nicht genug, um an den Problemen der Branche etwas zu ändern.
Ab 1. September gilt in der Altenpflege das Grundversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG). Es schreibt eine Tarifpflicht für die Beschäftigten von Altenheimen und ambulanten Pflegediensten vor.
Die Gehälter werden damit steigen - je nach Bundesland und Einrichtung um zehn bis 30 Prozent, schätzt das Bundesgesundheitsministerium. "Ein später Dank für alle aktiven Pflegekräfte und ein gutes Zeichen an alle, die diesen wichtigen und erfüllenden Beruf ergreifen wollen", sagt Gesundheitsminister Karl Lauterbach.

Die Gehälter sind immer noch zu niedrig

Ganz anders bewertet die Lage der gelernte Kranken- und Altenpfleger Marcus Jogerst-Ratzka. Bei den Tariflöhnen sei es wie mit dem Klimawandel: "Wir rennen der Situation eigentlich immer zehn bis 15 Jahre hinterher."
Es sei bekannt, dass das Pflegeeinstiegsgehalt zu niedrig sei - laut einer Studie der Universität Duisburg um ein Drittel im Vergleich zu anderen Berufen. "Das heißt, von Attraktivitätsssteigerung kann man da nicht sprechen."

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Die Einführung der Tarifpflicht sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, sagt der Pfleger - reiche aber nicht aus, um die Probleme der Branche zu beheben. Bis 2030 gingen sehr viele Menschen in Rente, der Bedarf an Pflegekräften steige massiv. "Mit diesen geringen Steigerungen in der Ausbildung werden wir gar nichts verändern. Das Gesetz bleibt weit hinter dem zurück, was notwendig wäre."

Die Heime werden die Kosten weiterreichen

Auf der anderen Seite werden mit der Tarifpflicht auch enorme Mehrkosten für die Einrichtungen entstehen - 300 bis 400 Euro pro Bewohner und Monat, schätzt Jogerst-Ratzka, der in der Vergangenheit selbst zwei Heime gegründet hat.
Es sei zu davon auszugehen, dass die Betreiber die Kosten an die Bewohnerinnen und Bewohner weitergeben. Als Folge werden Pflegebedürftige künftig vermutlich versuchen, einen stationären Aufenthalt hinauszuzögern, um das Vermögen zu schonen. "Wenn da ein Haus ist - das kann unter Umständen weg sein", sagt Jogerst-Ratzka.
(ckü)
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