Tariq Zaidi: "Sapeurs"

"Wir leben im Slum, aber wir haben Stil"

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Ein kongolesisches Mädchen und zwei Frauen laufen elegant gekleidet auf einer Straße in Brazzavielle direkt auf die Kamera zu. Links und rechts stehen Anwohner und schauen sie an.
Auch Frauen und Mädchen bemächtigen sich des Dandystyles: Hier sieht man zwei ältere und eine junge "Sapeuse" in den Straßen von Brazzaville stolzieren. © Tariq Zaidi
Von Frank Dietschreit |
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Die Sapeurs sind aus den Straßen von Brazzaville und Kinshasa nicht wegzudenken. Bunt gekleidet sorgen sie für Abwechslung im Alltag. Tariq Zaidi hat sie begleitet und ihre modische Widerständigkeit dokumentiert.
Die Fotografien von Tariq Zaidi beschäftigen sich immer wieder mit sozialen Problemen, mit untergehenden Traditionen und gefährdeten Gruppen überall auf der Welt. Zaidi lebt in London, arbeitet aber vor allem armen Ländern des globalen Südens. Seine Fotos werden in internationalen Ausstellungen und in unzähligen Publikationen präsentiert, im "Spiegel" und im "Guardian" genauso wie in der "Washington Post" und in der "Vogue".
Das neue Buch des vielfach prämierten Fotografen nimmt den Betrachter mit in das von Krisen und Kriegen geschüttelte Herz Afrikas und zeigt uns die zumeist in bitterster Armut lebenden Menschen auf eine überraschende Weise.

Keck, ironisch, subversiv

Der Ursprung der Bezeichnung "Sapeur" liegt genauso im Dunkeln wie die Herkunft dieses von eleganter und teurer Mode, aber auch von anarchischem Widerstand und politischem Protest geprägten Phänomens.
Ein kongolesischer Sapeur steht in elegantem Anzug vor einer blauen Wand.
Das Bild zeigt Basile Gandzion. Der 51-Jährige ist seit 30 Jahren Sapeur in Brazzaville.© Tariq Zaidi
Die ersten Sapeurs tauchten um 1920 im damaligen Belgisch-Kongo auf, sie trugen farbenfrohe Anzüge und machten sich lustig über die weißen Kolonialherren, die mit ihren dicken Wollanzügen und ihrem steifen Benehmen so gar nicht nach Afrika passten und bei über 40 Grad in ihrer Kleidung ziemlich derangiert aussahen.
Der Stil der Sapeurs war keck, ironisch, subversiv, sie trugen auf satirisch-übertriebene und kunterbunt-zusammengewürfelte Weise die ihnen gönnerhaft von den Kolonialherren überlassenen, alten Kleidungstücke.

Mittlerweile machen auch Frauen mit

Heimkehrer aus Paris und Brüssel brachten den Kleidungs- und Lebensstil der europäischen Dandys mit nach Afrika. "Bien sapé", schick gekleidet, nannte man die aus den europäischen Metropolen Heimgekehrten.
Der Weg war frei für eine Bewegung, die sich als "Gesellschaft der Stimmungsmacher und eleganten Menschen" versteht und inzwischen längst nicht mehr nur aus Männern bestehen, sondern auch viele Frauen und junge Mädchen in ihren Reihen hat.

Modischer Protest gegen Willkür

Die Menschen von La Sape, der "Gesellschaft der Stimmungsmacher und eleganten Menschen" kommen oft aus bitterarmen Verhältnissen, doch sie stolzieren seit 100 Jahren in modisch elegantem und teurem Zwirn durch ein von Müll und Dreck beherrschtes Kinshasa und Brazzaville und machen sich lustig über jede Form von Herrschaft.
Als Diktator Mobutu in den 1960er-Jahren versuchte, europäische Mode zu verbieten, führte das zu einer Renaissance der Sapeurs, die auf der Straße posierten und von den Menschen in den Armenvierteln bejubelt wurden wie Popstars und Befreier von Willkür und Bevormundung.

Das Viertel wird zum Catwalk

Tariq Zaidi fotografiert sie immer in ihrer angestammten Umgebung, ihrem Viertel, dort, wo sie sich auskennen, arbeiten, von den Menschen gemocht, geliebt und sehnsüchtig erwartet werden. Sie bringen Farbe und Fröhlichkeit in den tristen Alltag, zeigen durch ihre lässige Eleganz und ihr schrilles Outfit, dass es möglich ist, wenigstens für Stunden die Fesseln der Armut und Unterdrückung abzuwerfen und ein anderer zu sein.
Zu sehen ist das Cover des Buches "Sapeurs" von Tariq Zaidi.
Ohne Sapeurs wäre der kongolesische Alltag gewiss trost- und aussichtsloser, hätte Afrika eine unzähmbare Stimme des kreativen Widerstands weniger.© Deutschlandradio / Kehrer Verlag
Die Sapeurs arbeiten tagsüber als Taxifahrer, Krankenschwester, Gärtner, Schneiderin. Manche sind seit Jahrzehnten dabei, manche sind noch im Schulalter, fast noch Kinder.

Aus Kleidung wird Kunst

Woher sie das Geld haben, um sich in Schale zu werfen und sich beispielsweise eine gesamte Ausrüstung für mindestens 2000 US-Dollar bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen im Kongo von ungefähr 900 US-Dollar bezahlen können, bleibt ein Rätsel. "Wir leben im Slum, aber wir haben Stil", sagen die Sapeurs.
Ein Sprichwort lautet: "Sapeurs ziehen sich eher gut an, als dass sie gut essen." Papa Wemba, legendärer Musiker im Kongo und eine Ikone der Sapeurs, sagte: "Die weißen Menschen haben die Kleidung erfunden, aber wir machen daraus Kunst."

Bunte Dandys in der Slumtristesse

Die Schuhe, das zeigen die Fotos, sind immer blank gewienert, der Anzug frisch gebügelt. Die Tabakspfeife ist frisch entzündet, der Blick cool, der Gang lässig, die Pose elegant, das Lächeln ironisch.
Manche sind ganz in grelles Gelb getaucht, andere in knalliges Rot, manche tragen Karos, andere stehen vor einem ausgebrannten Autowrack, manche führen auf der matschigen Straße ein kleines Tänzchen auf und genießen den Applaus der Menge.
Einige nehmen dem Fotografen mit in ihre ärmliche Hütte, lassen sich dabei beobachten, wie sie sich schick machen und in einen anderen Menschen verwandeln.

French touch versus anything goes

"Anything goes!", ist das Motto. Doch wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass die Sapeurs in Brazzaville, eher einen französischen Stil mit teuren Anzügen bevorzugen.
In der Stadt gegenüber, in Kinshasa, geht es bunter, chaotischer zu: Da darf es auch mal ein schottischer Kilt sein, der mit schrillen Accessoires kombiniert wird.

Eine Philosophie des harmonischen Zusammenlebens

Die eindringlichen und lebensfrohen Fotos demonstrieren, dass die politische Geste, die anarchische Widerspenstigkeit und die selbstbestimmte Lebensart noch immer elementar sind, eine Rebellion gegen Fremdbestimmung: Männer und Frauen leben bei den Sapeurs nicht gegeneinander, sondern miteinander.
Sie entwickeln Ideen, wie man Geschlechtsrollen überwinden, das Diktat von Styling und Mode, Geldvermehrung und Ausbeutung umbiegen und zu einer Philosophie des friedlichen und harmonischen Zusammenlebens kommen kann.
Ein kongolesischer Junge mit schwarzem Hut und Pelzmantel schaut direkt in die Kamera.
Der achtjährige Schüler Natan Mahata ist sei drei Jahren Sapeur in Kinshasa.© Tariq Zaidi
Ohne Sapeurs wäre der kongolesische Alltag gewiss trost- und aussichtsloser. Afrika hätte eine unzähmbare Stimme des kreativen Widerstands weniger. Es wurde Zeit, dass Tariq Zaidi uns mit diesem bunten, lauten Protest bekannt macht.

Tariq Zaidi: "Sapeurs. Ladys And Gentlemen Of The Congo"
Fotografien und Texte von Tariq Zaidi
Kehrer Verlag, Heidelberg/Berlin 2020
176 Seiten, 35 Euro

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