Tarnen, täuschen, töten

Von Günter Beyer |
Beobachten, belauschen, tarnen und täuschen – all das gehört zum Einmaleins der Geheimdienste. Technische Hilfsmittel spielen dabei eine besondere Rolle, wie die Sonderausstellung "Mata Hari, James Bond & Co. Die Welt der Spionagetechnik" in Paderborn zeigt. Dabei untersucht sie auch das besondere Interesse populärer Medien wie etwa dem Film für das Thema.
"Achtung! 7 - 1 - 7 - 1 - 9 - 3 - 0 - 3 Achtung! 7 - 1 - 7 - 9 Trennung 0
- 3 -7 - 8 - 9 - 4 - 5 - 7 -8 - 9 - 4 - 5 – 1. ENDE"

Nein, das sind nicht die Gewinnzahlen vom Spiel 77. Hier werden keine Glückspilze gekürt. Das kompakte, schuhkartongroße Gerät, aus dem die Stimme kommt, ist weit weniger harmlos.

"Das ist ein Sprachmorsegenerator, der "Eiserne Jungfrau" genannt wurde.
Dieser Sprachmorsegenerator hat die Zahlengruppen gesprochen, die für Agenten bestimmt waren. Der Schlüssel war unbrechbar, und deshalb wird dieses Verfahren noch heute verwendet."

Detlev Vreisleben hat die "Eiserne Jungfrau" aus Beständen des
ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit der DDR erworben.

"Dieses Gerät war bei Berlin in Hoppegarten in einer Sendestelle eingesetzt."

Über eine Kurzwellenfrequenz hatte die Stasi ihren Agenten im
feindlichen Ausland Informationen übermittelt. Zusammen mit rund 200 weiteren Exponaten gibt die "Eiserne Jungfrau" im Heinz-Nixdorf-Museumsforum in Paderborn nun einen Einblick in die geheimnisvolle Welt der Spionagetechnik. Ein zwingendes Thema für das Computermuseum, meint Geschäftsführer Norbert Ryska:

"Wir haben hier im Heinz-Nixdorf-Museumsforum, das sich ja der Weltgeschichte der Kommunikation und Information widmet, bereits einen Ausstellungsbereich zur Geschichte der Kryptologie, also der Verschlüsselung. Wir zeigen dort eine bedeutende Auswahl an Chiffriergeräten aus allen Jahrhunderten, die ja auch überwiegend von Geheimdiensten für Spionage eingesetzt wurden. Und insofern ist das eine für uns nahe liegende Ergänzung."

Die Ausstellung gliedert die obskuren Aktivitäten der Geheimdienste in fünf Bereiche: Beobachten und Belauschen, Tarnen und Täuschen, Aufspüren und Einbrechen, Kommunizieren und Verstecken, Zerstören und Töten. Keine Frage: Die Geheimdienste aller Länder konnten stets auf die fortgeschrittenste zeitgenössische Technik zurückgreifen.

Aber häufig verbindet sich mit einer technischen Meisterleistung bei Kleinstkameras, Wanzen oder Miniaturwaffen zusätzlich ein besonderer Überraschungs- und Überrumpelungseffekt. Wer ahnt schon, dass die Olive im Martiniglas gar keine Frucht ist, sondern ein Mikrofon der CIA? Dass der israelische Geheimdienst Mossad im großvolumigen Dostojewskij-Band eine "Uzi"-Maschinenpistole versteckt hat?
Kundschafterlied: "Euer Dienst ist die Aufklärung. Namen bleiben geheim. Unauffällig die Leistungen. Stets im Blickfeld der Feind!"

Die meisten Exponate stammen aus den Laboren, Werkstätten und umfangreichen Arsenalen der Stasi. Das original Diktaphon von Günther Guillaume etwa ist zu sehen, mit dem der DDR-Agent Willy Brandt bespitzelt hatte und schließlich dessen Rücktritt auslöste.

Kondomverpackungen Marke "Ramses" enthielten ein Präservativ - und einen Würgedraht. Und wenn Sekretärinnen auffallend häufig einen Lippenstift benutzten, diente dies nicht nur der Verschönerung, warnt schmunzelnd Detlev Vreisleben:

"Ich habe hier eine Lippenstiftkamera. Die hat der KGB in den 80er Jahren entwickelt. Und diese Kamera ist im Bundespräsidialamt eingesetzt worden von einer Agentin, die damit Dokumente abfotografiert hat. Sie musste also die Kamera in beide Hände nehmen, über das Dokument halten, was sie abfotografieren wollte, den Lippenstift rausdrehen, dann machte es leise "klick", und wenn sie den Lippenstift wieder reindrehte, hatte sie den Verschluss gespannt und den Film transportiert."

Ein unscheinbares, verschlossenes Laborglas enthält einen Baumwolllappen. Damit nahm die Stasi bei Verhören Geruchsproben. Später konnten bei Bedarf anhand des Angstschweißes Hunde Flüchtige aufspüren.

Rund 11.000 Exponate hat Heinrich Peyers unmittelbar nach dem Mauerfall in der DDR eingesammelt. Er ist der Hauptleihgeber der Paderborner Schau.

"Es war damals kein großes Interesse daran. Als ich gesehen habe, wie die Bürgerbewegung die Gebäude der Stasi dann belegt hat, hat man alles eigentlich mehr kaputt geschlagen. Wir haben das vom Westen vielleicht ganz anders gesehen, weil man das Spitzelsystem ja nicht mitgemacht hat, und da hab ich rein nach diesen Techniken gesehen und hab danach gesammelt. Das heißt also, da hab ich gut abgegrast."

Die Ausstellung ist aber keine reine Technikschau. Auch die Widerspiegelung der Spionage in populären Mythen und vor allem im Film wird behandelt. So ist ein minimalistisches Originalkostüm der legendenumwobenen, tanzenden Spionin Mata Hari zu sehen.

Und - als größtes Exponat - ein präparierter BMW 750, den der Agent 007, James Bond, in dem Film "Der Morgen stirbt nie" benutzte. In dem Streifen wird der Eindruck erweckt, der Wagen ließe sich führerlos fernsteuern. Ein Blick ins Wageninnere allerdings lässt den Bluff erkennen: Bei den wilden Verfolgungsjagden lenkte ein unter den Rücksitzen versteckter Fahrer die Nobelkarosse. Eindruck machen auch die unter dem Schiebedach versteckten Raketen.

Peyers: "Pneumatisch können Sie die Raketen ausfahren und sogar abschießen, das wäre möglich, da ist also Pressluft hinten drin, dann können Sie die Stoßstange hinten ausfahren, und dann schmeißt der diese Wurfsterne aus, um nachfolgenden Verkehrsteilnehmern die Reifen praktisch zu zerstören."

Bei aller Faszination für das technisch ausgefuchste Detail und das Überraschungsmoment - das Leben der großen Spioninnen und Spione der Weltgeschichte, die Katastrophen, die sie ausgelöst oder verhindert haben, bleibt in Paderborn leider etwas unterbelichtet. Zu gerne hätte man auch erfahren, mit welchen Techniken heute die Staaten einander oder ihre Bürger belauschen. Aber da stoßen Sammler und Museumsleute an Grenzen. Heinrich Peyers:

"Wann wird mal wieder ein Geheimdienst aufgelöst? Ich glaub, das geht nicht so schnell wieder!"

Service:
Die Ausstellung "Mata Hari, James Bond & Co. - Die Welt der Spionagetechnik" im Heinz-Nixdorf-Museumsforum in Paderborn endet am 27. November.