Das Glück der Rückkehr
Das Deutsche Theater zeigt PeterLichts Molière-Umschreibung "Tartuffe oder Das Schwein der Weisen" als Open-Air-Premiere. Eine euphorischere, beglückendere Rückkehr zum Live-Theater vor Publikum kann man sich kaum wünschen.
Und dann geht alles ganz schnell, und plötzlich ist das Theater zurück. Nur einen Tag, nachdem in der Hauptstadt Außengastronomie und Open-Air-Veranstaltungen wieder gestattet sind, präsentiert das Deutsche Theater Berlin eine maßgeschneiderte Premiere.
In weiser Voraussicht hat es schließlich in den letzten Wochen aus seinem Vorplatz eine Freiluftbühne gebaut und kann nun ohne Weiteres mit dem Spielbetrieb loslegen – auch wenn aller Wahrscheinlichkeit nach, bei stetig sinkender Inzidenz, auch der Innenraum in Kürze wieder bespielt wird.
Beste Stimmung trotz schlechten Wetters
Das Gefühl an diesem Abend aber ist das eines lange erwarteten Neuanfangs, das es dem Publikum auch ermöglicht, über immer wieder leicht herbei wehenden Regen und kühle zwölf Grad hinwegzusehen, die üblicherweise jedes Open-Air-Theater zur Qual machen. Die Stimmung unter dicken Jacken, Decken und Regenponchos aber ist erwartungsfreudig. Und es trifft sich gut, dass das Deutsche Theater für seinen Befreiungsschlag eine Komödie gewählt hat und kein düsteres Kunstexerzitium.
Regisseur Jan Bosse inszeniert einen knallbunten Molière'schen "Tartuffe" – in der zeitgeistigen Neudichtung von Musiker und Autor PeterLicht, der dazu den Untertitel "Das Schwein der Weisen" gewählt hat, eine Fassung, mit der Regisseurin Claudia Bauer bereits 2018 mit dem Theater Basel zum Theatertreffen eingeladen war und die auf dem Papier erstmal nicht allzu viel hermacht: Da werden Phrasen in endlosen Loops von den Figuren wiederholt und leicht variiert, in absurde Übertreibungen und Uneigentlichkeiten hineingeführt, bis einem ganz schwindlig wird.
Wärme, Zuneigung und Schwung
Doch an diesem Abend hört man sich rasch ein in diesen Sound, lässt sich von ihm mitreißen, verfällt ihm schließlich mit Haut und Haaren. Warum? Weil hier nicht, wie so oft im künstlerisch avancierten Gegenwartstheater, auf das Genre der Komödie und ihre Figuren herabgeschaut wird, weil Komödie nicht parodiert, sondern tatsächlich ausgespielt wird. Das hinreißende Ensemble gibt den schrillen Karikaturen Würde und gestaltet jeden Augenblick mit Wärme, Zuneigung und Schwung.
Selbst Božidar Kocevski, der den titelgebenden Hochstapler verkörpert und anfangs nur grunzende Schweinslaute von sich geben darf, verleiht seinem "Tüffi" – wie er hier meist genannt wird – ballettöse Eleganz und eine bemerkenswerte erotische Anziehungskraft, vor allem, wenn er für das ganze Ensemble eine urkomische esoterische Yogastunde abhält, die Cléante (Moritz Grove) tapfer aus dem Schweinischen simultanübersetzt.
Voller Menschenfreundlichkeit und Bescheidenheit
Regine Zimmermann kommt mit dem Fahrrad aus dem Foyer auf den Vorplatz gefahren, Linn Reusse und Kotbong Yang singen mit Hingabe, und Felix Goese gibt den Patriarchen mit großartiger Chauvi-Überforderung. All das funkelt und strahlt voller Menschenfreundlichkeit, ist zugleich bescheiden und voll spielerischer Fantasie entwickelt.
Eine euphorischere, beglückendere Rückkehr zum Live-Theater vor Publikum kann man sich kaum wünschen. Die Darstellerinnen und Darsteller zittern am Ende in ihren Trikots auf dem kühlen Vorplatz, aber ihnen schlägt ein ganz besonders warmer Applaus entgegen. Es hat wieder begonnen. Theater und Publikum kommen wieder wirklich zusammen. Und das ist eine große Freude.