Tarzan-Filme

Wie Sprache das koloniale Weltbild ausdrückt

Der als Tarzan berühmt gewordene USA-Schauspieler Johnny Weissmuller
Der als Tarzan weltberühmt gewordene Schauspieler Johnny Weissmuller © picture alliance / dpa / Gustav Unger
Von Matthias Dell |
"Pacy, Pacy, Kuja Hapa" - was reden die da eigentlich in den alten Tarzan-Filmen? Wir haben den Afrikanisten Guido Korzonnek gefragt: Ein koloniales Gemisch aus Siedler-Swahili und anderen Sprachen, sagt er. Der neue Tarzan-Film macht es besser.
(Tarzan-Schrei)
Ein Markenzeichen, das jede erkennt: der klassische Tarzan, den Johnny Weissmuller verkörpert hat. Aber wer versteht das hier?
"Pacy, Pacy, Kuja, hapa. Pacy, Pacy, Kuja, hupa."
Das ist Anfang des allerersten Weissmuller-Films, "Tarzan – Der Affenmensch" von 1932. Was wird da gesagt?
"Pacy Pacy, Kuja, Kuja. Hapa."
Guido Korzonnek, Afrikanist und Swahili-Übersetzer.
"Kuja würde eigentlich heißen kommen, hapa heißt hier, soll wahrscheinlich so heißen: Los weiter, hier lang, oder so. Also ein aufmunternder Befehl, schön Tempo zu machen da."

Sprachmix für die koloniale Praxis

Pacy leitet sich derweil wohl aus dem Englischen ab, von Pace, Tempo. Ein Sprachgemisch, das mit einer kolonialistischen Praxis korrespondiert.
"Kuja oder auch Kwenda ist also so'n Up-Country Swahili, was den weißen Siedlern in Kenia im 19. Jahrhundert als Fibel zur Verfügung gestellt wurde, wie man dann mit seinen schwarzen Untergebenen zu reden hat. Das war meistens dieser Befehlston und oft auch ein einfaches, um es mal so zu sagen, Swahili. Man hat später sich in den Fibeln bemüht, sich besser aufzustellen und den Leuten mit ganzen vernünftigen Sätzen entgegenzutreten, aber es hat wirklich immer dieses von oben herab. In dem Tarzan-Film ist also die Kommunikation mit den Einheimischen immer nur auf diese Befehle beschränkt."
Kwenda, kwenda - hatten wir noch nicht. Was ist das?
"Das ist der Infinitiv, heißt gehen, wird dort auch als Imperativ verwendet."
Klingt sprachlich abenteuerlich.
"Grammatikalisch richtig ist das nicht. Obwohl auch dieses Kuja oder Kwenda gerade in der alten Zeit, als die Siedler da waren, oft als solches auch gebraucht worden ist, also als so ein Imperativ, eigentlich ein Infinitiv. Man müsste statt Kuja njo sagen, das heißt Komm oder bei kwenda twende, das ist die Wir-Form. Let's go, los auf geht's. Das wäre korrekter. Aber twende als Konjunktiv wäre fast schon zu höflich für Karawanenträger, die sind noch schlechter gestellt als die Kisten, die sie tragen."

Namenlose Komparsen neben den weißen Entdeckern

So drückt Sprache im Film Kolonialpolitik aus. Es ist ja nicht einmal unbedingt Swahili, was die namenlosen Komparsen am Rande von weißen Entdeckerfiguren sprechen.
"Pongelogo Chiko - Apongo Kombi hobschi - Chika Kummalaka Chiko Chika - Was hat er gesagt? Er sagt, dass sie einen Mann suchen, der ein großes Gesetz ihres Stammes übertreten hat."
"In der Situation ist die Karawane ins Innere des Landes weiter vorgestoßen, und es kam ihnen ein Afrikaner entgegen, der dann gleich stirbt. Wie aus dem Nichts tauchen seltsam geschminkte Afrikaner auf, einer der Anführer tritt vor und gerät sofort in einen Dialog mit dem Chef der Weißen dort, der in einer Sprache mit ihm spricht, die da vielleicht gerade für den Film erfunden worden ist."
Swahili ist es nicht. Was sogar plausibel ist:
"Denn es diente als Verkehrssprache gerade auch im Handel bzw auf den Karawanenrouten."

Ein subversives Element durch Swahili-Botschaften?

Weshalb Swahili auf diese Weise von der Küste Ostafrikas bis in den Kongo zirkulierte. Autochthone, die abseits dieser Routen lebten, wie der Frager im Film, sprachen folglich auch kein Swahili. Wobei:
"Was dann verwundert, dass der Weiße ganz selbstverständlich Pfeife schmauchend Platz nimmt und mal einen kleinen Smalltalk mit dem Chef dieser Autochthonen da führt, und das Interessante ist: man hört immer Kiko, Chiko, da raus, das könnte tatsächlich Swahili sein, das wäre die Pfeife."
Meint er damit den weißen Schauspieler? Ein subversives Moment?
"Man könnte es heraushören. Natürlich ist das Wort Pfeife im Swahili nicht gleichzeitig ein Synonym für die Pfeife, die die Pfeife raucht, aber zumindest wär das schon witzig, wenn er da reinbringt, halt mal deine Pfeife fest. Und am Ende heißt es dann 'Ja, wir suchen einen Mann.' Also, das Wort Mann auf Swahili kam auf jeden Fall nicht vor in dem Dialog."

Im neuen "Tarzan" werden die Dialoge der Einheimischen untertitelt

Bei all dem Gucken auf alte Bilder, stellt sich nun aber die Frage, wie es "The Legend of Tarzan" handhabt, der neue Film, der nicht mehr so gebieterisch auftreten will wie vor 80 Jahren und den zivilisierten Tarzan als eine Art UN-Botschafter in den Kongo schickt, um einem belgischen Fiesling das Handwerk zu legen. In "The Legend of Tarzan" gibt es Szenen, bei denen Einheimische Dialog über mehrere Zeilen sprechen und das Gespräch sogar untertitelt. Ist es Swahili?
"Nein. Das ist auch kein Swahili, es könnte sich höchstwahrscheinlich um eine andere Bantu-Sprache dann aus dem Bereich der Großen Seen handeln, das wäre zumindest logisch. Swahili ist es definitiv nicht."