Tatort Campingplatz

Zelten und Morden

Campingplatz
Campingplatz im Grünen © picture alliance / dpa / Foto: Hans Joachim Rech
Regine Kölpin im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Auf den ersten Blick wirken Camper wie ein kleines friedliches Völkchen, doch in Regine Kölpins Krimis wird der Campingplatz zum Tatort. Weil um Territorium gekämpft wird - oder weil eine Prostituierte dort ihr "Lovemobil" aufbaut.
Korbinian Frenzel: Heute fällt das niedersächsische Oberverwaltungsgericht ein Urteil über die Frage, ob es so etwas wie ein Dauerwohnrecht geben kann auf dem Campingplatz. Konkret geht es um einen Campingplatz in Drage an der Elbe, aber natürlich geht es eigentlich um viel mehr, um ein echtes Soziotop, das auch die Literatur vielfach beflügelt hat, zum Beispiel die der Frau, die ich jetzt am Telefon begrüße: die Schriftstellerin Regine Kölpin. Sie hat mehrere Krimis verfasst, die auf Campingplätzen spielen. Im März erscheint ihr neues Buch, "Oma geht campen". Frau Kölpin, guten Morgen!
Regine Kölpin: Guten Morgen!
Frenzel: Sie sind selbst leidenschaftliche Camperin. Erste Frage: Dauerbewohnerin oder Campingplatznomadin, wenn es schön und warm ist?
Kölpin: Eher Campingplatznomadin. Dauercamping eher nicht.

An der Oberfläche der heilen Campingwelt kratzen

Frenzel: Erleben Sie denn Konflikte zwischen Dauercampern und Zeltenden?
Kölpin: Also so offen nach außen getragen sind die natürlich nicht. Also erst mal wirken ja so die Camper wie so ein kleines friedliches Völkchen, aber das ist natürlich für einen Autoren, vor allem, wenn man Krimis schreibt oder überhaupt was lustig mal anpacken möchte, immer so eine Steilvorlage, mal zu gucken und so ein bisschen an der Oberfläche zu kratzen, und dann gucke ich nämlich immer so ein bisschen, was ist denn da vielleicht so dahinter, wie gehen sie miteinander um, und dann kommt dann diese Frage, was wäre wenn, und dann habe ich das in dem einen Kurzkrimi, der in "Aufgebockt und abgemurkst" dann erschienen ist, eben einfach gemacht. Was wäre, wenn man jetzt einer Dauercampergemeinde ein Lovemobil auf den Platz stellen würde?
Frenzel: Ein Lovemobil?
Kölpin: Genau.
Frenzel: Soll heißen: eine Prostituierte.
Kölpin: Genau. Die hat sich dann da eingenistet, und so fängt man halt an, wie würde das weitergehen. Man denkt einfach Dinge konsequent zu Ende, das ist eigentlich wie in allen anderen Lebensbereichen auch. Es sind ja Menschen, auf die wir treffen, und so diese ganze heile Welt, also ein bisschen dran zu kratzen, das ist dann immer die Herausforderung, die man als Autor hat, und dann Dinge einfach mal ein bisschen weiterzuspinnen.

Man bekommt alles mit, was die Mitcamper machen

Frenzel: Menschen, die aufeinander treffen mit ja im Wortsinn eher dünnen Wänden, manchmal eben nur Stoff – ist das das Spannende, dass man so nahe und eben letztendlich so offen beieinander ist?
Kölpin: Genau, man kann nämlich gar nicht so viel verbergen, wie man das vielleicht jetzt in einem Hotel kann, wo doch so richtig steile Wände oder starke Wände dazwischen sind. Das geht beim Campen nicht. Man bekommt einen Streit lautstark mit, man bekommt mit, wenn die Leute sich untereinander vielleicht doch nicht mal ganz so grün sind. Das wird gar nicht so doll nach außen getragen, wie wir das als Autoren dann natürlich ausleben, aber es macht schon Spaß, dann da mal wirklich, wie gesagt, so ein bisschen dahinter zu gucken.
Frenzel: Der Campingplatz ist ja an sich auch ein spannender, ambivalenter Ort. Das ist einerseits die komplette Freiheit, man ist in der Natur, man kann selbst entscheiden, wann man abreist, wann man ankommt, und gleichzeitig wissen wir auch, das ist der Ort der ganz klaren Regeln und Pflichten. Wie erleben Sie das, ist das ein Spannungsfeld oder überwiegt da letztendlich doch die eine Seite?
Kölpin: Auch da grundsätzlich ist es eigentlich keins, weil sich normalerweise alle dran halten, und dann geht es eben wieder los, aber was ist denn, wenn das mal jemand nicht tut, und das habe ich jetzt zum Beispiel in "Oma geht campen" gemacht: Da habe ich einen richtigen Territoriumskonflikt eingebaut, wo sich wirklich Leute richtig in die Haare kriegen, weil der eine ständig über das Grundstück läuft, und die bauen dann Barrikaden und die legen ihre Surfbretter da hin und beschießen sich nachher. Also das habe ich dann einfach völlig überspitzt dargestellt, was man so gar nicht erlebt, aber das macht ja auch Spaß, wenn man in so einem humorvollen Roman das einfach auch so ein bisschen mal überspitzt darstellt. Dann kriegen alle wahrscheinlich auch so ein Grinsen ins Gesicht, weil sie sagen, ja gut, so könnte es theoretisch sein, wenn das wirklich mal eskalieren sollte.

Besserwisser, Spießer und Normale

Frenzel: Gibt es denn bestimmte Stereotype, die man auf Campingplätzen findet, also ich sage jetzt mal den Spießer eher vielleicht als den Freigeist?
Kölpin: Ich glaube, das ist ganz durchwachsen auch, weil es gibt da natürlich auch den, ich sage das mal in Anführungsstrichen, den Klugscheißer, den Besserwisser, die kommen, wenn man was aufbaut, und alles besser wissen, wie man jetzt welchen Hering in den Boden schlägt. Dann gibt es natürlich die Leute, die man so richtig klassisch sich vorstellt, wie man das aus diesen ganzen Serien kennt. Es gibt die ganz Normalen, ganz Ruhigen, die mit niemandem was zu tun haben wollen, die einfach nur ihren Urlaub machen wollen, und es gibt Leute, die den anderen wirklich in die Kochtöpfe gucken. Also das ist auch ganz, ganz bunt gemischt das Publikum dort, aber in der Regel kommt man sehr gut miteinander aus, weil man kann da schon seine Grenzen ziehen.
Frenzel: Die Schriftstellerin und Camperin, wie man hört, Regine Kölpin, vielen Dank, dass Sie uns in diese Welt mitgenommen haben!
Kölpin: Ja, gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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