Tatort Istanbul

Von Gerd Brendel |
Spätestens seit Agatha Christies "Mord im Orient-Express" hat Istanbul einen festen Platz in der Kriminalliteratur. Und spätestens seit die englische Autorin ihren Krimi im Istanbuler Pera Palace Hotel unter rätselhaften Umständen vollendete, schreibt die Realität am Bosporus ihre eigenen Kriminalgeschichten als Fußnoten zur Literatur.
In der türkischsprachigen Literatur fehlten Kriminalgeschichten allerdings bisher: Erst in den letzten zehn Jahren entstand eine eigenständige "Krimi-Szene" mit Hobby-Detektiven, schillernden Halbweltfiguren und Geheimagenten.

Esmahan Aykol lässt ihre Heldin, die deutschstämmige Buchhändlerin Kati Hirschel, einen verzwickten Mordfall nach dem anderen lösen. Dabei gerät sie tief in die Machenschaften korrupter Lokalpolitiker, legt sich mit Islamisten und der Parkplatz-Mafia an. Die Handlung ist fiktiv, die Umstände sind real.

Aykols Kollege Murat Somer hat mit seiner Heldin Burcak die schillerndste Romanfigur der türkischen Gegenwartsliteratur erfunden. Burcak betreibt einen Nachtclub und ist Transvestit. Der Schriftsteller lässt sich vom Nachtleben im ganz realen Beyoglu inspirieren.

Als Begründer der modernen Kriminalliteratur der Türkei gilt Ahmet Ümit. Bei ihm schließt sich ein Kreis: Sein Geheimagent arbeitet genau da, wo vor 100 Jahren die ersten Kriminalstoffe Eingang in die türkische Literatur fanden: In dem Palast am goldenen Horn hatte schon der erste osmanische Geheimdienst seine Büros und übersetzte im Auftrag des Sultans englische Sherlock-Holmes Romane.

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