Tatort: Der rote Schatten
Regie: Dominik Graf
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Kein RAF-Retro-Grusel
Dominik Graf ist mit seinem Tatort "Der rote Schatten" etwas bemerkenswertes gelungen: Die Neu-Durchforstung der gängigen Medienbilder der RAF. Der renommierte Fernsehregisseur sortiert das Material auf interessant spekulative Weise neu - und stellt brisante Fragen.
Dominik Grafs Stuttgarter "Tatort: Der rote Schatten" war schon deshalb ungewöhnlich, weil es zwar eine Leiche und einen Mörder (und am Ende noch eine Leiche und noch eine Mörderin gab) – die eigentliche Ermittlung aber dem zeitgeschichtlichen Thema, das sich der Film gewählt hatte. Besser: den Bildern davon.
Was interessiert uns an den Bildern der RAF?
"Der rote Schatten" nahm sich die Bilder, die allbekannt die 1970er-Jahre illustrieren, die Auseinandersetzung zwischen Staat und RAF, um sie schneller zu schneiden, elliptischer das Material zu durchforsten, damit der Authentizitäts-Retro-Grusel, der noch von jedem wieder abgedruckten RAF-Fahndungsplakat ausgeht, nicht wohlig den Rücken runterrauscht. Sondern damit die Frage gestellt werden kann, was uns an diesen Bildern interessiert, heute noch, was sie eigentlich erzählen.
Interessant spekulativ
Über die sogenannte "Nacht von Stammheim" etwa, als Baader, Ensslin, Raspe starben nach der Befreiung der Lufthansamaschine "Landshut": War es Mord, war es Selbstmord? Oder kann so etwas nur geschehen, wenn sich die verfeindeten Blöcke – der Staat und seine Feinde – besser kennen, als es nach außen scheinen mag? Und der Selbstmord etwas ist, von dem der Staat zumindest wusste? Dies legt "Der rote Schatten" jedenfalls auf spekulativ interessante Weise nahe.
So betrieb der Stuttgarter "Tatort" aus abgelegten Bildern ein aufregendes Spiel, in dem die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) im Dienst des Drehbuchs und im Gewusel der Bewegungen verstanden – die zusammengehalten wurden von einem tollen Soundtrack von Sven Rossenbach und Florian von Volxem.
Nach der Ausstrahlung formulierte Stefan Aust harsche Kritik an Dominik Grafs "Tatort": Der Film betreibe "Propaganda für die RAF". Wir haben bei Brigitte Dithard nachgefragt, die beim SWR als Filmredakteurin seit vielen Jahren für den "Tatort" verantwortlich ist. Die Kritik treffe sie nicht, sagte sie im Deutschlandfunk Kultur. Dies liege schon am Begriff "Propaganda". "Wer Propaganda betreibt, beansprucht die eindeutige Deutungshoheit über ein bestimmtes Faktum und lässt andere Deutungen nicht zu." Doch der Film "diskutiert mehrere Thesen. ... Der Film entscheidet sich nicht für eine ganz konkret." Dadurch lasse der Film viel offen. "Das ist das Gegenteil von Propaganda", so Dithard.
Hören Sie hier das Gespräch in voller Länge:
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