Die Ausstellung "Tavidan" ist vom 18. Oktober bis 29. November 2014 im WELTKUNSTZIMMER, Ronsdorfer Straße 77a in Düsseldorf, zu sehen.
Mehr Informationen: auf der Webseite der Ausstellung.
Viel Raum für Fantasie
Der Westen erwartet von Kunst aus Georgien, dass sie exotisch ist und sich nur mit bestimmten Themen beschäftigt. Doch die Ausstellung "Tavidan" in Düsseldorf will nun zeigen, wie sich Künstler zunehmend eigene Zugänge erschließen.
Das Zentrum für die zeitgenössische Kunst liegt im Gebäude des ehemaligen Medizinmuseums in Tschugureti, dem Altstadtviertel von Tiflis. Der Künstler Wato Tsereteli hat dieses Zentrum 2010 gegründet, um jungen Künstlern gezielt eine Alternative zum staatlichen Kunststudium zu bieten. Tsereteli ist stolz auf seine Heimat. Georgien hat ein enormes künstlerisches Potenzial, sagt der Künstler.
"Georgien selbst ist ein Kunstwerk, eine Art Paradox in sich. Unser Land liegt zwischen den großen Zivilisationen, es ist wie ein Tor zwischen dem Norden und dem Süden, dem Westen und dem Osten. Unsere Kultur wurde von allen Seiten beeinflusst – sowohl von der byzantinischen wie auch von der orientalischen Tradition. Doch gleichzeitig haben wir unsere eigene Sprache behalten, die keiner anderen Sprache in der europäischen Sprachenfamilie ähnelt. Unser geschichtliches Andenken ist sehr alt, und unsere nationale Identität ist sehr stark. Und das macht das Paradox aus, das auch für die Kunst charakteristisch ist. Ein künstlerisches Narrativ braucht immer einen Vergleich: Neben dem Plus muss es ein Minus geben, neben dem Schwarzen auch das Weiße. Georgien hat diese Polarität in sich. Und das ist der Grund, warum der georgische Geist etwas anders tickt."
Kunst aus Georgien gilt im Westen als exotisch
Nun bringt Wato Tsereteli sechs seiner georgischen Künstlerkollegen nach Düsseldorf, um in Deutschland gemeinsam von ihrer Heimat zu erzählen. Die georgische Kunst sei im Westen vor allem mit einem Problem konfrontiert, sagt die Österreicherin Katarina Stadler, Kuratorin, die eine Zeitlang am Tiflisser Zentrum für die zeitgenössische Kunst unterrichtet hat: Die Kunst aus Georgien wird im Westen gerne als exotisch vermarktet. Und andererseits werden bestimmte Erwartungen an sie herangetragen. Sie soll sich unbedingt mit bestimmten Werten beschäftigen wie Partizipation und Demokratiebildung, Emanzipation, Recycling und Menschenrechte, sagt Stadler.
"Auf den ersten Blick klingt das alles logisch. Und man kann nicht sagen, so dürfte man auf keinen Fall arbeiten. Aber es wirkt trotzdem aufgedrückt, weil all diese Begriffe, ob jetzt Menschenrechte oder Recycling oder die Müllproblematik, die klingen alle so logisch, dass keiner sich überlegt, was die Ansatzpunkte für die Kunst hier sind, wozu die Künstler hier arbeiten wollen, gibt es einen Grund, warum sie dazu arbeiten wollen? Die meisten Künstler arbeiten halt in diesem Kontext, und selbst wenn sie nicht nach einem Konzept arbeiten, spielt der Kontext der Umgebung, der eigenen finanziellen Existenz, immer eine Rolle. Und so werden immer diese ganzen Begriffe und Systeme draufgedrückt, die momentan fehl am Platz sind, aus meiner Perspektive."
"Im Westen sind viel mehr Nischen ausgefüllt"
Vor nicht allzu langer Zeit waren die georgischen Künstler bestrebt, die im Westen bestehenden Tendenzen zu kopieren oder gar zu übernehmen, doch nun hat sich das Blatt gewendet: Die Künstler erforschen zunehmend ihre eigenen Welten, daher auch der Titel der Ausstellung in der Düsseldorfer Brotfabrik: Tavidan - aus dem Kopf, sagt Wato Tsereteli.
"Im Westen sind bereits viel mehr Nischen ausgefüllt als hierzulande, denn nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion befanden wir uns in Georgien wie in einer Nachkriegszeitsituation, und wir mussten alles von Null an aufbauen. Im Westen gibt es zwar viele interessante kreative Menschen, doch das oft jenseits des Kunstmarktes. Und generell gibt es im Westen viel weniger freie Räume, die meisten Nischen sind besetzt, während in den postsowjetischen Ländern noch viel Raum für Fantasie vorhanden ist."
Aktuelle georgische Kunst hat viel Originelles zu bieten
Doch leider werden die vorhandenen offenen Nischen nicht immer besetzt, bedauert Kunstkuratorin Katharina Stadler. Der wichtigste Grund sind die knappen Mittel, die fehlende Kunstförderung und der schlecht entwickelte Kunstmarkt. Aber dies alleine sei es nicht, glaubt Stadler.
"Es sind einerseits diese materiellen, finanziellen Problematiken, um wirklich zu alldem so zu arbeiten, wie man gerne möchte, aber für mich persönlich gibt es ein anderes Problem, das nicht unbedingt mit der Kunst zu tun hat, sondern im Allgemeinen damit, dass viel gewartet und gehofft wird auf Lösungen von außerhalb, und nicht vom Ausland oder so, sondern von jemandem, der man nicht selber ist. Und solange über Problematiken nicht genug diskutiert wird, werden auch die Nischen nicht ausgefüllt.
Und die Leute, die es machen, die es natürlich gibt, die sind in einer Minderheit, und die – was ich halt so erlebe – rennen gegen Wände, weil es nicht unbedingt geschätzt wird, kritisch zu sein. Das hat einerseits mit der Politik etwas zu tun, aber auch mit diesem Verantwortung-konstant-auf-andere-abschieben. Das heißt, dass wenn es Menschen gibt, die Verantwortung übernehmen, die sich - ob theoretisch oder wie auch immer - mit verschiedenen Diskursen oder Problematiken auseinandersetzen, dann müssen sie zeigen, dass man Verantwortung übernehmen kann."
Manche Georgier trauen sich, die Verantwortung zu übernehmen. Und bei der Ausstellung in Düsseldorf wird das anschaulich. Die aktuelle georgische Kunst hat den Zuschauern viel Originelles zu bieten, was allerdings nicht immer nur Exotik bedeutet. Die Künstler forschen in sich selbst, in der Gesellschaft und sie suchen nach neuen innovativen Brücken zwischen der Kunst und dem Publikum.