"Taxi Driver" von Martin Scorsese

Der Referenzfilm für den postmodernen Stil

Der US-Schauspieler Robert de Niro als Travis Bickle im Film "Taxi Driver" von Martin Scorsese aus dem Jahr 1976
"Taxi Driver" (USA 1976) von Martin Scorsese: Travis (Robert de Niro) hat die Vorstellung, New York vom Bösen und Schlechten zu befreien. © imago/United Archives
Von Marli Felvoß |
Die Uraufführung war ein Überraschungserfolg: Nach Problemen bei der Finanzierung kam "Taxi Driver" vor 40 Jahren ins Kino. Der Film machte den jungen Robert de Niro zum Schauspielstar und Martin Scorsese zum Kultregisseur.
"Warum willst du den Job? - Ich kann nachts nicht schlafen. - Geh in einen Pornoschuppen, das macht müde. - Das wirkt auch nicht."
Wir wissen nicht, wie viele schlaflose Nächte dieser Mann namens Travis Bickle schon hinter sich hat, als er eines Tages in der Taxizentrale vorspricht; wie lange er sich schon er auf den nächtlichen Straßen New Yorks herumtreibt, anscheinend ohne Ziel.
"Bist du gesund? - Ja. - Alter? – 26. - Schulbildung? - Schwierige Frage. Ich kann zählen. Reicht das? - Vorstrafen beim Militär? Wie bist du entlassen worden? - Ehrenvoll entlassen. Am 19. Mai 73. - Welche Waffengattung? - Ledernacken. - Ich war auch bei den Ledernacken."
Travis macht es nichts aus, sechs Tage in der Woche von abends sechs bis morgens sechs Taxi zu fahren. Er ist "God's lonely man" (Gottes einsamer Mann). Das Drehbuch von Paul Schrader stützt sich auf das Tagebuch des Attentäters Arthur Bremer, der 1972 - um Schlagzeilen zu machen - einen Mordanschlag auf den Präsidentschaftskandidaten George Wallace verübte. Auch Travis schreibt Tagebuch. Es begleitet den Film wie ein innerer Monolog.
"Ich glaube nicht, dass man sein Leben in morbider Selbstbetrachtung verbringen soll."
"Taxi Driver" ist - so gesehen - das Psychogramm einer Borderline-Persönlichkeit, eines Mannes, der auf Messers Schneide lebt, sein Amoklauf ist nur eine Frage der Zeit. Als Taxifahrer hat Travis einen Job, bei der ihn tagein, tagaus mit all dem konfrontiert, was er verabscheut.
"Wenn es dunkel wird, taucht das Gesindel auf. Huren, Betrüger, Amateurnutten, Sodomiten, Treben, Schwuchteln, Drogensüchtige, Fixer, kaputte Syphkranke. Ich hoffe, eines Tages wird ein großer Regen diesen ganzen Abschaum von der Straße spülen."
Ein Ereignis in der US-amerikanischen Popkultur
Als "Taxi Driver" am 8. Februar 1976 in New York uraufgeführt wurde, war er nicht nur ein Überraschungserfolg, sondern wie "Psycho" oder "Bonnie and Clyde" ein Ereignis in der amerikanischen Popkultur. Er kürte den charismatischen, jungen Robert de Niro zum Star und Regisseur Martin Scorsese zum Kultregisseur. Aber bei der Vergabe der Goldenen Palme in Cannes gab es auch Buhrufe.
"Taxi Driver" entwickelte sich zum Dorado für die Kritiker, die mit immer neuen Entdeckungen aufwarteten. Die einen diskutierten die Noir-Western-Einflüsse des Films, andere sinnierten über seine mythischen Qualitäten, die eine politische Aussage verhinderten, wieder andere warnten vor der hemmungslosen Darstellung von Gewalt, Rassismus und Misogynie. Daran hat die Entschärfung des mörderischen Showdowns, bei dem die leuchtende Farbe Blutrot entsättigt wurde, wenig geändert. Scorseses Konzept einer "Katharsis der Gewalt" ging nicht auf.
Die Spiegelszene, in der Robert de Niro an der Waffe für "seinen" Präsidentenmord trainiert und auf einen simulierten Angreifer reagiert, hat heute Kultstatus.
"Are you talking to me? - Redest Du mit mir? Du laberst mich an? Du laberst mich an? Kann das sein, dass Du mich meinst? Du redest mit mir? Ich bin der Einzige, der hier ist. – Who the fuck do you think you're talking to, oh yeah? Okay. – Pistolengeräusch."
Scorsese wurde mit "Taxi Driver" zum Vorbild
"Taxi Driver" wurde zum Referenzfilm für eine neue Welle, den postmodernen Stil, im internationalen Kino. Mit seinem Feuerwerk an Ideen, der ausgefallenen "künstlichen" Kameraführung - senkrechten Aufnahmen von oben, als wäre dort ein Beobachter platziert -, mit dampfenden Abgasen aus Autos und Gullies, die das bunte Leuchtfeuer der Reklame vernebeln und einen eigenen Filmraum schaffen, unterstützt von der eindringlichen Musik von Bernard Herman, wird der psychische Zustand des Helden erfahrbar gemacht. Der Film wurde zum Vorbild für Künstler wie Spike Lee, Wong Kar-Wai oder Quentin Tarantino, der "Taxi Driver" als beste Charakterstudie hochleben lässt.
"I think it's one of the best character studies, if not for me the best character study ever done."
Als der Film vor fünf Jahren in einer restaurierten Fassung erneut ins Kino kam, war seine Wirkung ungebrochen. Schon lange ist die Welt des "Taxi Driver" - im Film das alte heruntergekommene New Yorker Viertel am Times Square - verschwunden und hat einer anonymen modernen Fassade Platz gemacht. Aber alles andere ist noch da. Auch die Fetischisierung der Waffe und die Gewalt.
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