Techniker der Politik
Der englische Renaissance-Experte Ross King schildert in seiner Biografie sehr plastisch das Leben des legendären Italieners Niccoló Machiavelli, der sich als Politiker, Diplomat und Philosoph einen Namen machte.
Wer ein Machiavellist genannt wird, kann das nicht als Kompliment verstehen. Der Ruf des Florentiner Politikphilosophen, der vor gut 450 Jahren starb, gehört ideengeschichtlich zu den schlechtesten überhaupt. Er habe die Macht angehimmelt, den Politikern – in seiner Sprache: dem Fürsten – das Lügen und die Heuchelei empfohlen, die Intrige und das Desinteresse an Moral wie Legitimität. Das europäische Drama schilderte den "mörderischen Machiavell" gern als Teufel in Beratergestalt.
Wer sich demgegenüber ein nüchternes Bild vom Leben und den Gedanken Niccoló Machiavellis machen will, ist mit dem Buch des englischen Renaissance-Experten Ross King hervorragend bedient. Denn King verwendet den größten Teil seiner Darstellung dem Leben und nicht den Schriften Machiavellis. Schrieb dieser seine legendären Werke "Il Principe" (Der Fürst), die "Discorsi" (Gedanken über Politik und Staatsführung) sowie eine Geschichte von Florenz doch erst nach seiner Zeit im diplomatischen Dienst seiner Heimatstadt. Dieser Dienst aber, den Machiavelli in Zeiten ständiger Kriege und Bürgerkriege versah, stellt den Erfahrungshintergrund der Werke dar. Die Philosophie ist das späte Resümee der Arbeit.
So lernen wir, anders als der Untertitel "Philosoph der Macht" nahelegt, zunächst einen Praktiker, um nicht zu sagen: Techniker der Politik kennen. In der Stadtkanzlei von Florenz war er mit der täglichen Selbstbehauptung dieses Gemeinwesens im politisch zerklüfteten Italien beschäftigt: zwischen den Päpsten, den Franzosen, die ständig in Oberitalien einfielen, zwischen den Herzogtümern und Venedig, zwischen den in der Stadt Florenz rivalisierenden Adelsgeschlechtern, vor allem in Auseinandersetzung mit den Medici. King schildert ungemein plastisch, was es hieß, damals Diplomat zu sein: in Verhandlungen mit Söldnertruppen, beim Aufbau einer Bürgerwehr, in den ständig wechselnden Koalitionen der Krieg führenden Mächte.
Machiavelli erscheint dabei – sieht man von seinem Hang zu Bordellbesuchen einmal ab – vielmehr als Exponent einer an Bürgertugend und kommunaler Selbstregierung interessierten Einstellung denn als skrupelloser Opportunist. Wie lässt sich, so seine Frage, in einer Welt der Verschwörungen, Korruption und Ruhmsucht überhaupt politische Freiheit vorstellen? Was sind Begriffe wie "Tugend" wert, wenn gute Politik davon lebt, dass die an ihr Beteiligten nicht naiv sind? Daneben erfahren wir viel über die Lebenswelt der Renaissance, über den Aberglauben, die Sexualität und die Rechtspraxis, die Kunst und die Karrierewege. Man liest das alles in einem Zug, nicht zuletzt, weil King ungemein sachlich schreibt, stets das Wichtige im Auge behält, mit gutem Tempo und ohne unnötig mit Lesefrüchten anzugeben. Wer sich für die Gedankenwelt dieses bedeutenden Denkers interessiert, für den ist diese Biografie eine hervorragende Einleitung.
Besprochen von Jürgen Kaube
Ross King: Machiavelli. Philosophie der Macht,
Knaus Verlag, München 2009, 288 Seiten
Wer sich demgegenüber ein nüchternes Bild vom Leben und den Gedanken Niccoló Machiavellis machen will, ist mit dem Buch des englischen Renaissance-Experten Ross King hervorragend bedient. Denn King verwendet den größten Teil seiner Darstellung dem Leben und nicht den Schriften Machiavellis. Schrieb dieser seine legendären Werke "Il Principe" (Der Fürst), die "Discorsi" (Gedanken über Politik und Staatsführung) sowie eine Geschichte von Florenz doch erst nach seiner Zeit im diplomatischen Dienst seiner Heimatstadt. Dieser Dienst aber, den Machiavelli in Zeiten ständiger Kriege und Bürgerkriege versah, stellt den Erfahrungshintergrund der Werke dar. Die Philosophie ist das späte Resümee der Arbeit.
So lernen wir, anders als der Untertitel "Philosoph der Macht" nahelegt, zunächst einen Praktiker, um nicht zu sagen: Techniker der Politik kennen. In der Stadtkanzlei von Florenz war er mit der täglichen Selbstbehauptung dieses Gemeinwesens im politisch zerklüfteten Italien beschäftigt: zwischen den Päpsten, den Franzosen, die ständig in Oberitalien einfielen, zwischen den Herzogtümern und Venedig, zwischen den in der Stadt Florenz rivalisierenden Adelsgeschlechtern, vor allem in Auseinandersetzung mit den Medici. King schildert ungemein plastisch, was es hieß, damals Diplomat zu sein: in Verhandlungen mit Söldnertruppen, beim Aufbau einer Bürgerwehr, in den ständig wechselnden Koalitionen der Krieg führenden Mächte.
Machiavelli erscheint dabei – sieht man von seinem Hang zu Bordellbesuchen einmal ab – vielmehr als Exponent einer an Bürgertugend und kommunaler Selbstregierung interessierten Einstellung denn als skrupelloser Opportunist. Wie lässt sich, so seine Frage, in einer Welt der Verschwörungen, Korruption und Ruhmsucht überhaupt politische Freiheit vorstellen? Was sind Begriffe wie "Tugend" wert, wenn gute Politik davon lebt, dass die an ihr Beteiligten nicht naiv sind? Daneben erfahren wir viel über die Lebenswelt der Renaissance, über den Aberglauben, die Sexualität und die Rechtspraxis, die Kunst und die Karrierewege. Man liest das alles in einem Zug, nicht zuletzt, weil King ungemein sachlich schreibt, stets das Wichtige im Auge behält, mit gutem Tempo und ohne unnötig mit Lesefrüchten anzugeben. Wer sich für die Gedankenwelt dieses bedeutenden Denkers interessiert, für den ist diese Biografie eine hervorragende Einleitung.
Besprochen von Jürgen Kaube
Ross King: Machiavelli. Philosophie der Macht,
Knaus Verlag, München 2009, 288 Seiten