Technischer Fortschritt kostet Arbeitsplätze

Neue Berufe - Wir machen das!

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Keine Angst vor Formeln! Mathematik wird ein wichtiger Baustein für die Berufe der Zukunft sein, meint Jürgen Rüttgers. © dpa / pa / Constantini
Von Jürgen Rüttgers · 29.03.2016
Die Digitalisierung werde weiterhin herkömmliche Arbeitsplätze überflüssig machen. Darum, so fordert Jürgen Rüttgers, sollte Deutschland führend bei der Schaffung neuer Berufe sein - in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik, aber auch in Pflege und Handwerk.
Angst ist ein schlechter Ratgeber, sagt ein Sprichwort. Aber warum haben in unseren Tagen so viele Menschen Angst? Vielen geht die Veränderung unserer Lebenswelt zu schnell und zu weit. Sie fühlen sich in ihrer Sicherheit bedroht.

Viele haben Angst um den Verlust ihrer Arbeitsplätze. Industrie 4.0, Handel 4.0, Smart-Office, TITIP und Big Data sind dabei Stichworte. Viele fürchten sich vor dem gläsernen Menschen, dem Verlust von Privatheit und der Totalüberwachung des menschlichen Lebens.

"Digitalisierung" ist ein Angstwort geworden

Globalisierung, Digitalisierung, Europäisierung sind für viele zu Angstworten geworden. Sie suchen Sicherheit in der Vergangenheit, der Abschottung, der Nationalisierung.

Aber tief im Herzen wissen auch sie, dass dies ein vergeblicher Traum ist. Immer dann, wenn Deutsche sich in ihre eigene Welt zurückgezogen haben, wenn sie versucht haben, die Zukunft in der Vergangenheit zu finden, waren die Folgen furchtbar. Doch auch immer dann wenn Deutsche sich Herausforderungen gestellt haben, haben sie diese auch gemeistert, ob beim Wiederaufbau nach dem Krieg oder bei der Wiedervereinigung.

Natürlich ist es richtig, dass viele Arbeitsplätze verloren gegangen sind und weiter verloren gehen. Aber es sind auch viele neue hinzugekommen.

Arbeitsplätze gehen weiterhin verloren

Es gibt in unseren Betrieben kaum noch Stellen für "Hilfsarbeiter", "Boten", die Akten verteilen, "Reinigungskräfte". Sie sind inzwischen ausgelagert worden.

Wenn Sie kaufmännischer Angestellter, Buchhalter, Sachbearbeiter oder Lkw-Fahrer sind, kann es Ihnen in den nächsten Jahren passieren, dass auch Ihre Tätigkeit der Digitalisierung zum Opfer fällt.

Selbst akademische Berufe sind nicht ausgenommen. Analysen von Gerichtsurteilen kann heute auch ein Computer machen. Anlageempfehlungen der Sparkassen, Banken und Versicherungen lassen sich elektronisch abrufen. Medizinische Prognosen erstellt bald der Computer, der vorher Ihr Blut analysiert hat.

Nach einer Studie der Universität Oxford können 47 Prozent der Erwerbstätigen mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten zwei Jahrzehnten durch Computer ersetzt werden.

Maschinen werden die Routinearbeiten, die Standardaufgaben erledigen. Zwar kann auf die Kreativität und die Erfahrung von Menschen in Zukunft kein Betrieb, kein Büro verzichten. Auch personelle Dienstleistungen sind weiter gefragt. Und das Handwerk behält einen goldenen Boden. Aber es gilt auch: Jeder Beruf, der digitalisiert werden kann, wird durch Computer oder Roboter ersetzt werden.

Mehr "Mint"-Berufe werden gebraucht


Gleichzeitig entstehen neue Berufe, die neue Aufgaben und Bedürfnisse befriedigen. Offen ist nur, ob die Zahl der neuen Arbeitsplätze größer oder kleiner als diejenige ist, die durch die Rationalisierung fortfallen.

Wir brauchen deshalb mehr MINT-Berufe, also Berufe mit Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik. Wir brauchen mehr Berufe im sozialen Bereich, also bei der Kinderbetreuung, der Pflege, der Krankenbetreuung. Wir brauchen mehr Berufe in Lehre, Bildung und Ausbildung. Wir brauchen mehr Handwerker, mehr Kreative, mehr Dienstleister. Und viele, die ihre Tätigkeit mit digitalem Know-how ausüben.

Alles was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert werden. Weil dieses Gesetz des technischen Fortschritts nicht durch Widerstand, Protest, Streiks oder politische Entscheidungen ausgehebelt werden kann, ist es an der Zeit, sich der digitalen Herausforderung zu stellen.

Übrigens: Deutschland kann hier eine Führungsrolle übernehmen. Wir müssen es nur machen.

Jürgen Rüttgers war Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Bundesminister für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Er arbeitet als Anwalt in der Rechtsanwaltsgesellschaft Beiten Burkhardt und als Professor am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Universität Bonn.
Der CDU-Politiker Jürgen Rüttgers am 4. September 2015
Der CDU-Politiker Jürgen Rüttgers © imago / Future Image
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