Teenie-Schwangerschaften in den USA - Die Probleme, die minderjährige Mütter haben, scheinen sich über Generationen fortzusetzen. Hat eine Frau als Teenager Kinder bekommen und keinen Schulabschluss, bekommen ihre Kinder überproportional häufig auch im Teenageralter Kinder. Häufig gehen mit Teenie-Schwangerschaften auch gesundheitliche und soziale Probleme einher. Das gilt auch für minderjährige Mütter in den USA. Das Land liegt mit mehr als 20 Geburten bei 1000 Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 in der Statistik unter den Industrieländern seit Jahrzehnten auf einem der vordersten Plätze. Warum das so ist, erklärt USA-Korrespondentin Sarah Zerback im Gespräch. Audio Player
Schulverbot bei Schwangerschaft
26:24 Minuten
Armut, überholte Traditionen, fehlende Aufklärung: Die Gründe für Frühschwangerschaften bleiben, dennoch hat Tansanias Präsident das Schulverbot für betroffene minderjährige Teenager verschärft. Um die Ausgestoßenen kümmern sich private Helfer.
Baby Shenaiza Rasul quengelt unzufrieden. Ihre Mutter spielt mit dem kleinen Mädchen und versucht, es zu beruhigen. Das Lachen fällt Maidas Hassan Ilonga schwer. Die 19-Jährige ist immer noch völlig entsetzt, dass kurz vor der Geburt ihrer kleinen Tochter Polizisten in ihrem Klassenzimmer aufgetaucht sind.
"Ich wurde verhaftet und zur Polizeistation in die nächste Stadt gebracht", erzählt sie, "in Tandahimba. Da haben sie mir gesagt, dass ich festgenommen wurde, weil ich schwanger war, obwohl ich die Schule noch nicht abgeschlossen habe. Danach haben sie mich für einen Tag in eine Zelle gesperrt."
Verschärftes Vorgehen gegen die Schülerinnen
Das war Anfang 2018. Damals haben die lokalen Behörden des Distrikts im Südosten von Tansania beschlossen, richtig scharf gegen die wachsende Zahl von Schwangerschaften bei Schulmädchen vorzugehen. Oder besser gesagt: gegen die Schulmädchen selbst.
"Bis Ende 2017 mussten 55 schwangere Schülerinnen die weiterführende Schule verlassen, und sieben die Primarschule", sagt Sebastian Waryuba. "Bis jetzt haben wir es geschafft, fünf oder vielleicht sechs Mädchen und ihre Eltern zu verhaften und sie zu verhören."
Damit sie die Väter der ungeborenen Babys nennen, sagte Sebastian Waryuba, der Distriktgouverneur von Tandahimba, damals. Die wurden zur Fahndung ausgeschrieben, die Mädchen und ihre Eltern gegen Kaution wieder freigelassen. Aber der Schock sitzt tief.
Maidas Vater ist besonders empört, dass er verhaftet wurde. "Ich wurde für ein Vergehen festgenommen, das nicht ich begangen habe", sagt er. "Ich habe so viel in meine Tochter und ihre Zukunft investiert. Ich selbst bin nie zur Schule gegangen, aber sie ist fast bis zum Abitur gekommen – und hat alles versaut. Geld vergeudet, das ich durch Feldarbeit hart verdient habe."
Maida wollte eigentlich Ärztin werden
Hassan Mfalme Ilonga redet kaum noch mit seiner Tochter, auch wenn Maida immer wieder beteuert, dass die Schwangerschaft nicht ihre Schuld war. Ihr Freund hat sie eingeschlossen, sagt sie, und zum Sex gezwungen.
Vor der einfachen Hütte der Familie scharren Hühner im Sand. Dazwischen suchen ein paar Ziegen nach Futter. Ein wackeliger Zaun hält sie von den Feldern hinter dem Haus fern.
Maidas hilft auf der Farm und kümmert sich um ihr kleines Mädchen. Mehr ist ihr nicht geblieben. Ihr Freund hat sie sitzen gelassen, als er von der Schwangerschaft gehört hat, und ist seither untergetaucht. In die Schule durfte sie nicht zurück - nicht einmal für die Abschlussprüfung.
"Ich wollte Ärztin werden", sagt sie. "Seit ich aus der Schule ausgeschlossen wurde, sind die Hoffnungen, die ich für mein Leben hatte, zerstört."
Die Verzweiflung lässt den Gouverneur ziemlich kalt. Die Praxis, schwangere Mädchen aus der Schule auszuschließen, gibt es in Tansania bereits seit den 60er-Jahren. Eine "Moral-Klausel" im Bildungsgesetz von 2002 hat sie noch einmal bestätigt.
"Wir sind immer noch der Überzeugung, dass unsere Kinder in die Schule gehen müssen, damit sie eine erfolgreiche Zukunft haben", sagt Sebastian Waryuba. "Aber wenn die Mädchen schwanger werden, müssen die gültigen Regeln und Gesetze umgesetzt werden."
Weltweite Empörung wegen der Verhaftungen
Im Gesetz steht allerdings nirgends etwas von Gefängnis für Teenager. Die Verhaftungen im vergangenen Jahr haben internationale Schlagzeilen gemacht und weltweit Empörung ausgelöst. Auch in Tansania selbst.
"Das ist ganz klar eine Verletzung der Menschenrechte", sagt Gertrude Dabene, "der Rechte von Mädchen. Weil sie die Opfer verhaftet haben. Es ist wahrscheinlich, dass das Mädchen vergewaltigt wurde. Und dann wirft man sie ins Gefängnis. Was hat sie getan?"
Gertrude Dabene arbeitet für die Regierung. Sie ist Rechtsberaterin für alle Fragen, die mit Gleichberechtigung und Kinderrechten zusammenhängen. Unglücklicherweise scheint niemand auf sie zu hören. Vor allem nicht der Präsident. John Magufuli hat schwangere Teenager selbst nach der Geburt ihrer Kinder von der Schule ausgeschlossen.
"Unter meiner Präsidentschaft wird niemand, der schwanger ist, in die Schule zurückkehren", sagt John Magufuli. "Das Mädchen hat sich für ein Leben mit Kind entschieden und soll sich dann auch gut um das Kind kümmern."
Schwangere Teenager zu Staatsfeinden erklärt
Der "Bulldozer", wie Magufuli auch genannt wird, hat mit einer simplen Rede auf einer Reise durch das Land schwangere Teenager zu Staatsfeinden erklärt. Sie würden Tansania zugrunde richten, sagte er, wenn sie als junge Mütter wieder zur Schule gingen.
"Wenn wir Mädchen mit Kindern in die Primar- oder weiterführende Schule lassen, dann ist das das Ende unserer Kultur. Sie werden ständig gebären. Nach ein paar Jahren werden alle Mädchen in der ersten Klasse Kinder haben und stillen", behauptet John Magufuli.
"Der Präsident hat das gesagt, und die Leute haben angefangen, seine Worte umzusetzen. Sie haben auf eine Rede reagiert, obwohl es gar kein legales Dokument gibt. Nach unseren Gesetzen muss eine solche Deklaration schriftlich erfolgen", erklärt Gertrude Dabene. Das Wort des Präsidenten ist eben Gesetz für Schulbehörden, Gouverneure und Verwaltungsbeamte.
"Magufuli Jembe": Musiker Peter Msechu preist den Präsidenten als Gartenhacke. Klingt seltsam in westlichen Ohren, soll aber bedeuten, dass er hart arbeitet für sein Land und gute Taten vollbringt.
Zwei Drittel der Tansanier gegen Schulverbot
Die Teenager Tansanias dürften das etwas anders sehen. Zwar hat es seit den Verhaftungen in Tandahimba keine weiteren Festnahmen mehr gegeben, aber das Schulverbot bleibt. Selbst wenn Umfragen zufolge etwa zwei Drittel der Tansanier es für falsch halten. Darunter auch die großen Kirchen des Landes.
"Ich unterstütze die Absichten unserer Regierung, denn wenn sie das Fehlverhalten, das wir sehen, nicht kontrollieren kann, wird es immer schlimmer", sagt John Shiganza. "Aber ich kann die Regierung nicht voll unterstützen, weil ein Kind zuallererst das Recht haben muss, zur Schule zu gehen."
Das Fehlverhalten, von dem Bischof John Shiganza von der Lutherischen Kirche spricht, ist vorehelicher Sex. In Tansania wächst die Zahl der Teenager, die schwanger werden, seit Jahren. 2016 lag sie bei 27 Prozent aller Mädchen – ein Anstieg von vier Prozentpunkten in sechs Jahren.
"Es gibt eine Menge Gründe dafür, warum Mädchen schwanger werden", sagt Yusufu Ngalenyi. "Als Seelsorger kann ich nicht damit einverstanden sein, sie allein dafür verantwortlich zu machen. Manche werden hereingelegt, manche vergewaltigt. Also man kann ihnen nicht zu 100 Prozent die Schuld geben."
Yusufu Ngalenyi ist Priester der katholischen Kirche in Mbezi in der Erzdiözese Daressalam.
"Die Kirche unterstützt die Regierung nicht darin, dass schwangere Mädchen ihre Schulbildung aufgeben müssen", sagt er. "Das tun wir nicht! Wenn so etwas in unserem Leben passiert, besonders unseren Kindern, dann sollten wir nach dem besten Weg suchen, ihnen zu helfen, und sie nicht aus der Schule werfen."
Die Kritik der christlichen und muslimischen Geistlichen hat die Regierung allerdings nicht daran gehindert, jedes Jahr etwa 8000 Mädchen ein Schulverbot zu erteilen.
Regierungssprecher nennt moralische Gründe
Aus moralischen Gründen, um ihnen zu helfen, erklärt Regierungssprecher Hassan Abbass: "An erster Stelle ist unsere Mission, die Mädchen zu schützen. Man kann ja nicht dafür werben, dass sie schwanger werden, indem man sie weiter zur Schule gehen lässt. Deshalb hat die Regierung die Politik umgesetzt, dass schwangere Mädchen nicht mehr in öffentliche Schulen gehen dürfen. Sie können sich ja Alternativen suchen wie Privatschulen."
Die sich in Tansania allerdings kaum jemand leisten kann.
Jackline Josia wäscht Geschirr. Sie hockt im sandigen Hof vor dem Haus ihrer Eltern über einer Waschschüssel aus Metall und schrubbt schmutzige Töpfe, Schüsseln und Teller vom Mittagessen.
Die zierliche 17-Jährige ist spät dran mit ihrem Teil der Hausarbeit. Sie musste sich zuerst um ihren neugeborenen Sohn kümmern, der jetzt im Haus schläft. Der Vater ihres Babys war ein Freund ihres großen Bruders, sagt sie, schon Anfang 20. Jackline hat sich mit ihm eingelassen, ohne zu wissen, was Sex eigentlich bedeutet.
"Nein, ich hatte überhaupt keine Informationen", sagt sie. "In der Schule hat man uns nichts über Sex beigebracht. Und meine Mutter habe ich auch nie gefragt."
Wolkige Warnungen statt Informationen über Sexualität
Gespräche mit Erwachsenen über Sex sind Tabu bei den meisten Volksgruppen in Tansania. Biologie-Lehrer erklären lediglich grob die Körperteile – und sprechen wolkige Warnungen aus.
Aufklärung wird in Tansania als Werbung für Sex betrachtet. Noch schlimmer sind Informationen über Kondome oder die Pille. Und diese Ansicht wird auch in den Kirchen und Moscheen verbreitet.
"Wir haben kein grundsätzliches Problem mit Verhütungsmitteln. Aber wenn wir Kindern beibringen, wie man sie benutzt, dann bestätigen wir, dass Sex für sie akzeptabel ist. Das billigen wir aber nicht. Deshalb versuchen wir, sie Enthaltsamkeit zu lehren", erklärt Gertrude Majaliwa, Pastorin einer Pfingstkirche. Der Islam lehnt Verhütungsmittel generell ab und das gilt natürlich auch für die katholische Kirche, die Sex erst in der Ehe erlaubt.
Tansanias Hip-Hop-Star Diamond Platinumz singt ziemlich explizit über Sex. Was in seinem Heimatland umgehend die staatlichen Sittenwächter auf den Plan ruft.
Präsident wettert gegen Familienplanung
Über Sex singt und spricht man nicht. Aber haben sollte man ihn schon – selbst nach Ansicht des Präsidenten. Der oberste Verfechter der regierungsamtlich verordneten Moral rief Tansanias Frauen kürzlich einmal mehr auf, ihre Eierstöcke zu befreien und mehr Kinder zu haben. Eheliche natürlich.
"Wenn ihr Eure Felder bestellen könnt", sagt John Magufuli, "wenn ihr Kühe habt, Milch, Gemüse und Orangen, wofür braucht ihr dann Familienplanung? Nur die Faulen und die Unfähigen müssen die Zahl ihrer Kinder planen."
John Magufuli will mehr Bevölkerung, um Tansanias Wirtschaft anzukurbeln. Experten raten dagegen genau das Gegenteil: Weniger Kinder pro Frau und dafür längere Schulzeiten führen zu einem höheren Einkommen. Der UN-Bevölkerungsfonds rechnet vor, dass die wachsende Zahl von Frühschwangerschaften das Land jedes Jahr über fünf Milliarden Dollar kostet.
"Die Frau spielt eine wichtige Rolle in der Gesellschaft. Wie soll sie für ihre Familie sorgen, wenn sie keine Bildung bekommen kann? Wenn sie schwanger werden und nicht zur Schule gehen, heißt das, wir werden eine primitive Gesellschaft haben", mahnt der islamische Prediger Ustah Abdallah Jongo aus Daressalam.
"Sie überreden ihre Mädchen, nicht zu lernen"
Die Erkenntnis, die sich bei vielen Volksgruppen nur sehr langsam durchsetzt. Laut Gesetz dürfen Mädchen mit 15 verheiratet werden - ein Jahr früher, wenn die Eltern das wollen.
"Sie überreden ihre Mädchen, nicht zu lernen. Damit ihre Noten nicht gut genug sind für eine weiterführende Schule. Und das nur, weil sie schon den Brautpreis kassiert haben. Wenn unser Gesetz ein Heiratsalter von 18 vorschreiben würde wie für Jungen auch, dann könnten sie das nicht mehr tun", fordert Regierungsberaterin Gertrude Dabene.
Tansania hat das bereits mehrfach versprochen und ist eigentlich auch durch internationale Verträge dazu verpflichtet. Passiert ist bisher nichts.
Die Teenager, die wegen einer Schwangerschaft aus der staatlichen Schule geflogen sind, müssen sich auf weltliche Helfer verlassen – wie AGAPE in Shinyanga.
Mathematikunterricht für die Mädchen der zehnten Klasse. Die Schülerinnen sitzen auf einfachen blauen Plastikstühlen und schreiben eifrig mit. Auf den Knien, weil es keine Tische gibt.
Durch die dünnen Sperrholzwände dringen die Stimmen aus den beiden Nachbarklassen. Das Schulgebäude in einem abgelegenen Feld außerhalb von Shinyanga ist erst halb fertig, die Klassenzimmer nur provisorisch voneinander getrennt. Die 60 Schülerinnen lassen sich dadurch nicht ablenken. Sie sind fest entschlossen, ihre zweite Chance auf einen Schulabschluss zu nutzen.
Schwanger nach einer Vergewaltigung
Lucy Simoni ist seit neun Monaten wieder in der Schule. Sie war nach einer Vergewaltigung schwanger geworden, mitten am Tage auf einem Gang zum Markt. Ein Mann hat sie dort angesprochen, erzählt sie.
"Er hat mir angeboten, Essen für mich zu kaufen", sagt Lucy Simoni. "Ich habe das angenommen und wollte anschließend nach Hause. Aber auf dem Weg hat er schon mit einem anderen Mann auf mich gewartet. Sie haben mich gefragt, wie ich denn jetzt für das Essen bezahlen würde. Ich hatte gedacht, sie würden mir nur helfen. Aber sie haben gespottet: Ganz sicher nicht. Schon Magufuli hat gesagt: Es gibt nichts umsonst."
Sie wollte weglaufen, sagt sie weiter, aber die beiden Männer haben sie in ein Stück Busch gezerrt und sind über sie hergefallen. Fälle wie diese gibt es viel zu oft, erklärt Mustafa Isabuda von AGAPE. Knapp die Hälfte der Bevölkerung Tansanias lebt unterhalb der Armutsgrenze. Auch das ist eine Ursache für frühe Schwangerschaften bei Teenagern, weil Männer Sex von ihnen erpressen.
"Ein Beispiel: Der Schulweg ist sieben oder acht Kilometer lang", sagt Mustafa Isabuda. "Aber die Eltern weigern sich, ein Fahrrad anzuschaffen. Entweder aus Armut, oder weil ihnen die Schulbildung für ihre Töchter nicht wichtig ist. Wenn auf dem Weg ein Motorradtaxi anhält und der Fahrer anbietet, sie mitzunehmen, kann sich das Mädchen gar nicht weigern."
Und muss die vermeintliche Freundlichkeit am Ende teuer bezahlen. So wie Lucy Simoni. Die 17-jährige hat ihren kleinen Sohn bei ihrer Schwester untergebracht, bis sie die Schule beendet und einen Job gefunden hat.
Manchmal tut das weh, aber ich überlasse alles Gott, sagt sie. Ich blicke in die Zukunft und werde meinen Sohn mit allem versorgen, was er für ein gutes Leben braucht.