Die Installation "AIS3" ist am 9. und 10. Februar ab 10 Uhr in der Münchner Reaktorhalle zugänglich. Der Eintritt ist frei.
Dem Universum auf die Schliche kommen
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Neutrinos sind die Geisterteilchen der Wissenschaft: Sie sind unsichtbar, ultraklein und durchdringen alles. Astrophysikerin ist es jetzt in München gelungen, die Teilchen in einer verzaubernden Licht- und Klanginstallation erlebbar zu machen.
Stellen Sie sich vor, sie wären ein Neutrino. Ein geheimnisvolles Geisterteilchen. Sie könnten alles durchdringen: Stahlwände, Planeten, das ganze Weltall. Sie sausen mit Lichtgeschwindigkeit durch das ewige Eis der Arktis.
So klingt "Icecube" (AIS3), eine Installation von Tim Otto Roth. Der Künstler steht mitten in einem dreidimensionalen Würfel aus 444 schwebenden Kugeln und erläutert: "Sie leuchten, diese Kugeln mit einem Durchmesser von 12 Zentimetern. Vorne haben wir auf beiden Seiten einen Lautsprecher drin. Die sehen ein bisschen wie Augen aus, die einen angucken. Sie hängen an zwei Strängen. Und der Clou ist: das sind nicht nur Lautsprecher, sondern aktive Synthesizer. Das heißt, in dieser Kugel wird der Sound produziert."
Wie im Antarktis-Forschungsreaktor
Die Installation in München ist eine Art Kopie des IceCube – eines Forschungsreaktors in der Antarktis. Dort haben Astrophysiker 5000 Lichtsensoren in das – hoffentlich – ewige Eis des Südpols gebohrt. Wissenschaftler wie Professorin Elisa Resconi kommen dort den kleinsten Elementarteilchen des Universums auf die Spur.
Nun steht Forscherin Resconi inmitten der Neutrino-Installation: "In diesem Moment gibt es viele, viele, viele Neutrinos hier. Sie gehen durch uns durch. Sie sind unsichtbar. Sie haben eine ultrakleinste Masse. ‚Elementar‘ bedeutet, dass sie praktisch keine Struktur haben. Es gibt kein mathematisches Modell, das Neutrinos beschreibt."
Was nur Kunst kann
Aber was Mathematik nicht kann, das schafft die Kunst: das Gefühl, dem Ursprung des Universums auf die Schliche zu kommen – durch Klang und Licht.
"Was wir zeigen, sind Lichtbewegungen. Die werden ausgelöst durch Sekundär-Reaktionen der Neutrinos. Lichtbewegungen von einem Ort, an dem es eigentlich keine Lichtbewegungen geben dürfte. Das ist das Spannende."
Denn im ewigen Eis der Antarktis – in einem Kilometer Tiefe – dürfte es kein Licht geben. Doch die Forscher des IceCube messen mit ihren Sensoren dennoch Licht. Ausgelöst – so glauben sie – durch Neutrinos. Elisa Resconi: "Und das ist faszinierend: eine mögliche Tür in Richtung aller Effekte, die wir nicht kennen – dunkle Materie, die Geschichte unseres Universums, die Geschichte von uns! Warum sind wir hier als Menschen?"
Mitten in Lichterblitzen
Am eindrucksvollsten erlebt man den IceCube, indem man ein Kissen nimmt und sich mitten im Würfel aus Lichtblitzen und Grundrauschen auf den Boden legt. Denn durch das Eis der Arktis kann man nicht laufen – durch die Münchner "Reaktorhalle" schon. In dieser Halle wollte die Technische Universität München nach dem zweiten Weltkrieg einen nuklearen Forschungsreaktor bauen – mitten in der Münchner Innenstadt. Der Reaktor entstand schließlich in Garching, vor den Stadttoren. In der dunklen Reaktorhalle forscht nun die Kunst. Wenn hier Lichtblitze zucken...
"Dann ist das für mich so eine Art natürliche Partitur. Mich reizt es, diese Partitur in etwas umzusetzen. In Klang." / " Tim Otto Roth hat den Bogen in Richtung Kunst geschafft. Deshalb können wir die Neutrinos zum ersten Mal fast sehen. Ich sage fast, denn natürlich sind Neutrinos unsichtbar."