Viel Lärm um eine Vorwahl
Auf der Telefonliste des Hotels Kempinski fehlt die Vorwahl des Staates Israel, angeblich aus Rücksicht auf arabische Kunden. Regisseur Claude Lanzmann entrüstete sich darüber in der FAZ. Es folgte Empörung in den sozialen Netzwerken und schließlich das Dementi. Und nun?
Zu Zeiten, in denen man mit einem Thema schnell ins Netz kommt – und darauf kommen wir hier gleich zurück – beeindrucken sie uns umso mehr: die Überschriften, mit denen man in eine Zeitung kommt. Oder die Augen der Leserschaft einfängt, so heute morgen geschehen an vielen Frühstückstischen mittels der Lektüre FAZ. Autor: Claude Lanzmann, Filmemacher aus Israel, 90 Jahre alt. Überschrift: Die Liste. Zack. Aufmerksamkeit. Und im Netz Kommentare wie: "Das kann nicht wahr sein!"
Das edle Hotel Kempinski verneigt sich vor dem Mammon, in diesem Fall dem arabischen. Was kommt uns da in den Sinn? Nachgefragt bei Jochen Feilcke, dem Präsidenten der Deutsch-israelischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg:
"Mir kam sofort in den Sinn, dass die Familie Kempinski von den Nazis verfolgt worden ist."
Feilcke zitiert eine Erinnerungstafel am Hotel Fasanenstraße/Ecke Kurfürstendamm, diese Tafel wird auch schnell bei Facebook auftauchen, sie nennt 1937 als Jahrestag des Zwangsverkaufs und der sogenannte Arisierung an dieser Stelle, Angehörige der Familie Kempinski wurden umgebracht, andere konnten fliehen:
"Und jetzt kommt's. Das 1952 eröffnete Bristol Hotel Kempinski möchte, dass das Schicksal der Gründerfamilie nicht vergessen wird. Und ausgerechnet in diesem Haus wird Israel schlicht und ergreifend von der Landkarte gewischt. Das ist so absurd, das ist so das Nachgeben einem Erpresser gegenüber und das Nachgeben heißt, man rechtfertigt die Erpressung."
Wahrscheinlich sei der ganze Geist der Familie Kempinski da raus, seitdem die thailändische Königsfamile das Haus besitzt, so Feilcke weiter. Zu diesem Zeitpunkt sind die Besitzer des Kempinski im internet bereits arabische Herrscher, aber sei's drum. Es entspinnt sich eine Debatte zum Thema Rückgrat.
"Der Geist der Familie Kempinski ist da raus"
Hier hakt Jochen Feilcke ein. Er spricht ausdrücklich von Europäern, die nur zu gerne vor politischem und wirtschaftlichen Druck dieser Art zurückweichen. Absurde Vorstellungen seien das:
"Wir können uns unser eigenes Grab gar nicht so schnell schaufeln, wenn wir so weiter machen."
Eine Frage der Standfestigkeit und der schnellen Reaktion ist so ein Vorgang auch für Lala Süsskind, ehemals Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Berlin:
"Und wissen Sie was, man kann gegen Druck nur noch Gegendruck machen. Wenn das so bleibt, wenn sie nicht sofort Israels Vorwahlnummer reinnehmen, dann machen wir einen großen, großen Aufruf, dass weder Israelis noch jüdische Menschen das Kempinski jemals wieder betreten. Das haben wir schon mal gemacht nach einem Aufruf, dass man israelische Waren boykottiert, das KaDeWe hat als erstes den Wein rausgenommen, worauf wir eine Kampagne gestartet haben – unter anderen auch ich mit dem Jüdischen Forum – und wir haben gesagt: Wir schmeißen Ihnen die KaDeWe-Karten, die wir haben, vor die Füße. Kein jüdischer Mensch wird mehr das KaDeWe betreten. Es hat gewirkt: am nächsten Tag waren die Weine wieder drin. So kann man sich nur verhalten und nicht anders, leider."
"Das ist eine Schande, Kempinski! " - Jetzt steht ein Boykottaufruf im Raum, dem virtuellen wie dem realen. In diesem Fall ist es das Büro der Kempinski-Pressesprecherin. Sie textet: Es gab keinen dezidierten Grund, dass das Land Israel auf der Liste nicht benannt war. Grundsätzlich sind bei uns alle Gäste herzlich willkommen.
"Sollten wir mit dem Fehlen der israelischen Vorwahl die Gefühle von Herrn Lanzmann verletzt haben, so bitten wir aufrichtig dies zu entschuldigen."
Eigentlich war Claude Lanzmann bei Italien hängen geblieben, die Vorwahl für Israel war ihm ohnehin bekannt. Der zunächst letzte Kommentar im Netz: "Du meine Güte, ...und?"