Das ökumenische Corona-Seelsorgetelefon ist von 8 bis 24 Uhr unter der Nummer 030 403 665 885 zu erreichen.
Das muslimische Seelsorgetelefon ist täglich 24 Stunden unter der Nummer 030 4435 09821 erreichbar, dienstags auch auf Türkisch.
Trost und praktische Hilfe im Alltag
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Manche erleben die Coronakise als Chance zur Entschleunigung. Doch andere geraten durch die Kontaktsperre in große seelische Nöte. Immer mehr Menschen suchen derzeit Hilfe bei christlicher oder muslimischer Telefonseelsorge.
Justus Münster weiß, was viele Menschen in Zeiten der Pandemie besonders bedrückt. Am Corona-Seelsorgetelefon kommen bestimmte Fragen immer wieder zur Sprache: "Dass ich unsicher bin, dass ich nicht weiß, wie es weitergeht, dass ich Sorge habe um mich, um meine Familie, um die Kinder, um die Eltern", sagt Münster. Hinzu kämen Sorgen um den Arbeitsplatz: "Werde ich an meinen Arbeitsplatz zurückkehren dürfen? Gibt es meinen Arbeitsplatz nach Corona überhaupt noch?"
Rat Suchende aus der ganzen Republik
Justus Münster ist evangelischer Pfarrer. Schon vor der Pandemie war der 45-jährige Familienvater Beauftragter für Notfallseelsorge im Sprengel Berlin. Inzwischen leitet er auch das ökumenische Corona-Seelsorgetelefon, das am 17. März seinen Betrieb aufgenommen hat.
Da die Nummer schnell über die sozialen Netzwerke bekannt geworden ist, kommen die Anrufe nicht nur aus der Hauptstadt, sondern aus der ganzen Bundesrepublik. Zwischen 8 und 24 Uhr melden sich derzeit zwei bis drei Menschen pro Stunde – Frauen und Männer aus allen Altersgruppen.
"Es sind vor allem Sorgen von Älteren", sagt Münster: "Was ist, wenn ich infiziert werde? Wie geht es mir dann? Habe ich dann noch das Recht auf einen Krankenhausbett oder sehen die Bestimmungen vor, dass ich dann kein Bett mehr bekomme?"
"Wer kauft jetzt für mich ein?"
Knapp 50 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen die Anrufe entgegen. Alle haben eine Seelsorge-Ausbildung. Da die Büros aus Sicherheitsgründen geschlossen sind, werden die Telefonate zu ihnen nach Hause weitergeleitet. Manche Gespräche dauern wenige Minuten, andere zwei Stunden. Einigen Anrufern fällt im Homeoffice die Decke auf den Kopf. Andere haben Beziehungsstress. Wieder andere suchen Lösungen für praktische Probleme:
"Dass ich eben nicht weiß, wo ich meine Milch herbekomme, weil ich jetzt nicht mehr einkaufen gehen möchte, weil ich zur Hochrisikogruppe gehöre", erklärt Justus Münster. "Dann leisten wir Netzwerkarbeit, indem wir die Menschen einfach vermitteln."
Helfen können zum Beispiel Gemeinden, die einen Einkaufsservice für ältere Menschen eingerichtet haben. Manche Anrufer verweisen die Seelsorger auch an die Diakonie oder die Caritas oder an Internetplattformen, auf denen sich Nachbarn vernetzen.
"Ruhe vor dem Sturm"
Fachleute haben für die Zeit der Ausgangsbeschränkungen die Zunahme häuslicher Gewalt prognostiziert. Am Corona-Seelsorgetelefon sei davon nichts zu hören, sagt Justus Münster – und auch nicht von den zahlreichen Verschwörungstheorien:
"Ich glaube, dass die Menschen derzeit noch ganz gut unterscheiden können sozusagen, was Fakten sind und was keine Fakten sind. Und dass sie schon den Institutionen vertrauen wie dem Robert-Koch-Institut. Und da ist wenig Raum für Verschwörungstheorien – zum Glück!"
Die Zahl der Anrufe beim Corona-Seelsorgetelefon steigt. Justus Münster rechnet damit, dass sich der Trend fortsetzt, wenn die Zahl der Infizierten wächst und sich die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie bemerkbar machen: "Die Gespräche, die wir derzeit führen, sind, glaube ich, geprägt von einer Phase, die ich mal nennen möchte: Ruhe vor dem Sturm."
Muslime sorgen sich um Verwandte im Ausland
Schon seit 2009 gibt es in Berlin auch ein Muslimisches Seelsorgetelefon. Geschäftsführer ist der 47-jährige Betriebswirt Mohammad Imran Sagir – ein Berliner mit familiären Wurzeln in Indien. Träger ist "Islamic Relief Deutschland", ein als gemeinnützig anerkannter Verein.
Anrufe kommen vor allem aus der Hauptstadt, jedoch auch aus anderen Regionen. Gespräche auf Deutsch sind rund um die Uhr möglich, Dienstags auch auf Türkisch. Viele Anruferinnen und Anrufer vermissen angesichts der geschlossenen Moscheen ihr Gemeindeleben.
Etliche von ihnen haben Verwandte im Ausland. Und um diese machen sie sich jetzt Sorgen, erklärt Mohammad Imran Sagir: "Diese Sorge, dass die Verwandtschaft in Gefahr ist, weil Gesundheitssysteme eben nicht so sind, wie wir es gewohnt sind, das ist sicherlich eine sehr brisante Sache."
Anrufer befürchten weitere Einschränkungen
Dass die Politik in Deutschland weitere Maßnahmen diskutiert, die den Alltag einschränken, sehen einige Anrufer mit Skepsis. "Man macht sich Sorgen, was sich im Laufe dessen vielleicht verändert", so Sagir. "Wir haben jetzt über Handyortung gesprochen in den Medien und so weiter. Das kommt natürlich bei den Menschen auch an. Und man weiß nicht: Was wird dann später damit gemacht? Wird das auch tatsächlich wieder zurückgefahren oder so?"
Das Muslimische Seelsorgetelefon wird von 60 Ehrenamtlichen betrieben. Alle haben zuvor eine sechsmonatige Fortbildung absolviert, bestehend aus einem theoretischen Teil und einer Hospitanz bei erfahrenen Telefonseelsorgern.
Zwei Drittel der Ehrenamtlichen sind Frauen, was dem Geschlechterverhältnis der Anrufenden entspricht. "Das hat ein bisschen was damit zu tun, dass die Männer eben versuchen, Dinge mit sich selbst auszumachen und sich da nicht so öffnen", meint Mohammad Imran Sagir.
Was auch in den nächsten Wochen kommen mag – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krisentelefone sind gerüstet.