Junge Musiker, alte Instrumente
Der Telemann-Wettbewerb in dessen Geburtsstadt Magdeburg soll junge Musiker für die Werke des Komponisten interessieren. Die Bedingung: Alle Teilnehmer müssen auf historischen Instrumenten oder deren Nachbauten spielen, etwa auf der Barockoboe oder der Gambe.
"Hier findet das Einspielen statt, hier hängen die ganzen Listen, und wenn du noch irgend ne Frage hast..."
Einschreibung für die Wettbewerbsteilnehmer. An einem langen Tisch sitzen Mitarbeiter des Organisationsteams, für jedes der fünf ausgeschriebenen Instrumente einer, die Stimmung wirkt sehr entspannt.
73 junge Musiker sind nach Magdeburg gekommen. Die meisten hatten keine allzu weite Anreise ‑ fast alle studieren in Deutschland oder Österreich oder an der berühmten Schola Cantorum in Basel, ein paar kommen aus Frankreich, Italien oder England. Aber einige haben Pässe aus Ländern, an die man bei Alter Musik nicht unbedingt denken würde: Brasilien, Weißrussland, Kanada oder die Ukraine etwa.
"Also die Globalisierung setzt sich auch hier durch."
Meint Jesper Christensen, der Juryvorsitzende, er ist Cembalist und Professor an der Schola Cantorum in Basel.
"Wenn man denkt, wie viele Leute aus Südkorea und Taiwan oder inzwischen aus Kolumbien oder irgendwoher kommen und ausgerechnet die Alte Musik fängt sie ein! Ich habe dafür keine Erklärung. Wenn man nicht meinen würde, dass in der Musik des 17. und 18. Jahrhunderts irgendeine Qualität steckt, versteckt irgendwo im Herzen dieser Musik, die auf so eine bestimmte Art ewig gültig ist."
Erste Begegnungen mit der Barockgeige
Die meisten sind für ein klassisches Musikstudium nach Mitteleuropa gekommen und hier auf Gambe, Traversflöte und Co gestoßen. Auch Mojca Gal hatte zuhause in Slowenien wenig Gelegenheit, sich mit Alter Musik zu beschäftigen. Sie spielt im Ensemble "Les Éléments", das beim letzten Telemann-Wettbewerb einen Sonderpreis gewonnen hat - dieses Mal durften sie das Eröffnungskonzert gestalten. Bei einem Sommerkurs, den sie als Schülerin besuchte, hatte Mojca Gal zum ersten Mal eine Barockgeige in der Hand.
"Diese Klangwelt und die Fantasie und die Musik, das hat mich unheimlich mitgenommen und verzaubert, und ich wollte unbedingt damit dann weitermachen, ich wollte sogar beginnen, Gambe zu spielen. Daraus wurde nichts, aber ich hab dann immer ein bisschen für mich alleine gelesen, bis ich nach Bern kam. An der Hochschule von Ljubljana war zu meiner Zeit von Alter Musik noch überhaupt keine Rede, und mir konnte damals niemand etwas erzählen über die Barockvioline zum Beispiel, und in der letzten zwei Jahren beginnt sich das langsam zu entwickeln, es gibt eine Klasse für Blockflöte und eine für Cembalo. Es ist, würde ich sagen, innerhalb der Hochschule noch ein bisschen eine Pionierarbeit, man lernt diese Sachen noch kennen."
Wer mit einem klassischen Solo-Instrument Karriere machen möchte, für den führt an Wettbewerben kaum ein Weg vorbei. In der Alten Musik erscheinen sie weniger selbstverständlich. Das liegt auch daran, glaubt Mojca Gal vom Ensemble „Les Éléments", dass die historische Aufführungspraxis gerade von der Freiheit, vom Experimentellen, nicht Festgelegten lebt.
"Heutzutage könnte man sagen, dass einiges schon viel standardisierter ist als z. B. in den 60er Jahren in der Alten Musik, aber trotzdem ist das nicht so standardisiert wie bei der modernen Geige, wo es klar ist, wie man spielen soll, und zwar perfekt, und dass man spielt, was dasteht. Bei der Alten Musik spielt man vieles, was nicht dasteht, und es kann immer heiße Diskussionen geben, wie man etwas spielen soll, wie man auch z. B. die Verzierungen oder die Ausführungen von dem Basso continuo, einfach die Sachen, die nicht in den Noten stehen, wie man das spielt. Es gibt viele Lösungen, je nachdem welche Quelle man liest, und würde ich sagen, auch deswegen ist ein Wettbewerb in der Alten Musik eine besonders empfindliche Sache."
"Ich finde es aber trotzdem sinnvoll, weil es gibt diesen jungen Menschen ein ganz konkretes Ziel, auf das sie hinarbeiten müssen."
Sagt Anton Steck, Jurymitglied und Professor für Barockvioline in Trossingen.
"Der Profit abgesehen von dem Monitären, was hier sehr üppig ausgestattet ist in Magdeburg und was ich eigentlich gut finde, denn das kann einen großen Impuls sein, zum Beispiel ein Instrument zu kaufen, da sind acht- bis zehntausend Euro schnell weg. Aber wenn in einer Vita steht, hat den Telemann-Preis in Magdeburg gewonnen es ist auf dem Markt sichtbar, dass Leute, Preisträger leichter an Konzerte und Festivals kommen."
"Ein Riesenrepertoire für die Soloinstrumente"
Für viele Teilnehmer ist ohnehin der Weg das Ziel, denn der Wettbewerb, so erklärt die Flötistin Katerina Polishchuk, verlangt eine intensive Auseinandersetzung mit den Stücken:
"Sehr viel Vorbereitung, sehr viel Arbeit, sich mit Faksimiles beschäftigen und mit Aufnahmen von anderen und Ausgaben vergleichen, es ist wirklich nicht nur Üben und Spielen, sondern auch viel Vorbereitung."
"Was für mich persönlich so ein Wettbewerb bedeutet, ist dass ich irgendwie eine Chance hab, mich vorzustellen und was Schönes zu spielen, und dieses Telemann-Wettbewerb finde ich sehr, sehr gut für die Blockflöte und für alle Instrumente, Blockflöte spiele ich, weil es gibt ein Riesenrepertoire für die Soloinstrumente und die sind wunderschön. Und ich fand das sehr gut dieses Wettbewerb, dass ich mich vorbereiten durfte für so ein schönes Forum eigentlich."
"Das Wichtigste ist für mich, neue Leute kennen lernen, tolle Musiker, tolle Instrumentalisten kennen lernen, und in einer sehr wichtigen Veranstaltung wie diese mitzumachen."
Die Blockflötistin Simone Aeberhard aus dem Ensemble "Les Éléments" drückt es so aus:
"Ein Wettbewerb ist ein Super-Ort für Krisenmanagement. Es kommen Einflüsse, die sind vielleicht nicht immer positiv, und dann ist die Frage, wie gehe ich damit um. Wenn mir jemand sagt, es war nicht so toll, was auch immer, was mache ich damit, fühle ich mich dann schlecht oder will ich etwas rumschrauben, was mir nicht möglich ist in dieser Zeit. Aber eigentlich ist es alles in allem eine tolle Erfahrung, auch zu wissen, dass man das durchstehen kann, man denkt, mein Gott, wie schaffe ich das nur, aber man kommt hinten raus ich würde sagen, anders, aber nicht schlechter."