Telenovela auf der Bühne
Das Konzept ist überraschend gut aufgegangen, Heimito von Doderers umfangreichen Gesellschaftsroman über das Wien unmittelbar vor und nach dem Ersten Weltkrieg mit seinen gut 150 Figuren als Telenovela zu präsentieren! Zumindest bot die "Pilotfassung" am Sylvesterabend einen viel versprechenden Einstieg in die Affären, Eskapaden, Intrigen und Lebensplanungen, aber auch in die Ängste, das Leben zu versäumen und "vorbeilaufen" zu lassen".
Die Telenovela-Fassung nimmt viel bedeutungsschwere Luft aus dem Romanwerk, mit dem Doderer an die Großmeistern des Romans aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, an Joyce und Proust, an Musil und Broch, anschließen wollte, und sie gibt Zeit, sich mit dem auch den Romanleser verwirrenden Personal vertraut zu machen. Die Perspektivenwechsel und Zeitensprünge zwischen 1910/11, 1923/4 und der Gegenwart des Erzählers (1950), die die Lektüre verkomplizieren, entsprechen Cuts in der Telenovela und werden in Zusammenfassungen oder Vorausblicken durch eine in Österreich bekannte Stimme für Werbung und Nachrichten (Thomas Maurer) aus dem Off erläutert.
Sicherlich: die Fassung des Schauspielhauses ist keine Telenovela, sie stellt nur die äußere Form dar. Vor allem die Gerüche, die Geräusche, die kleinen atmosphärischen Verunsicherungen der Figuren in Doderers Roman werden – zumindest in der Pilotfassung durch Regisseurin Daniela Kranz – mit "unrealistischen" schauspielerischen Mitteln präsentiert. Die schöne Hausfrau Mary K. (Titel der ersten Folge "Schöne Beine") gießt sich ihren Tee mit den Füßen aus der Kanne in die Tasse und beim ersten schüchtern zurückhaltendem Zusammentreffen zwischen dem Gymnasiasten René und der schönen Editha werden die "Krapfen" in der Konditorei geradezu zerlegt.
Das Schauspielhaus Wien, das mit einem neuen Team unter Andreas Beck im November 2007 angetreten ist, um ausschließlich zeitgenössische Stücke zu fördern und zu präsentieren, macht mit Heimito von Doderers Roman aus dem Jahre 1951 eine Ausnahme. Es erkundet mit dem Roman, der in der unmittelbaren Umgebung des Schauspielhauses spielt, die Nachbarschaft. Statt junger Autoren werden nun junge Regisseure gefördert. Elf Regisseure werden die weiteren Folgen übernehmen, übrigens immer im gleichen Bühnenbild – einem Wohnzimmer aus den 60-er Jahren, das in der "Schneiderei" des Schauspielhauses aufgebaut wurde, auch Szenen, die in der Außenwelt spielen, in der Eisenbahn, im Cafe, beim Autofahren oder bei der Bärenjagd können sich nur dieses Wohnzimmerinventars bedienen. Das leuchtet dramaturgisch ein, denn über dieses Wohnzimmerambiente wird die Haltung, die moralische Geste Doderers, die doch in der "Strudlhofstiege" sehr stark von den 50-er Jahren bestimmt ist, deutlich.
Den 12 Regisseuren steht neben "spezial guests" ein Kernteam von nur vier sehr spielfreudigen hübschen Darstellern (Angela Ascher, Marion Reiser, Christian Dolezal, Johannes Zeiler) gegenüber. Drei Monate werden sie täglich Woche für Woche ein Zwölftel des Romans vorführen und untertags das nächste proben, damit das Publikum zur Kennmelodie immer wieder in einer "Neue Folge der Strudlhofstiege" einsteigen kann. Der Großroman als Telenovela oder vielmehr als Theaterabonnement.
Die Strudlhofstiege
Schauspielhaus Wien
Nach dem Roman von Heimito von Doderer
Pilot-Fassung:
Regie: Daniela Kranz
Sicherlich: die Fassung des Schauspielhauses ist keine Telenovela, sie stellt nur die äußere Form dar. Vor allem die Gerüche, die Geräusche, die kleinen atmosphärischen Verunsicherungen der Figuren in Doderers Roman werden – zumindest in der Pilotfassung durch Regisseurin Daniela Kranz – mit "unrealistischen" schauspielerischen Mitteln präsentiert. Die schöne Hausfrau Mary K. (Titel der ersten Folge "Schöne Beine") gießt sich ihren Tee mit den Füßen aus der Kanne in die Tasse und beim ersten schüchtern zurückhaltendem Zusammentreffen zwischen dem Gymnasiasten René und der schönen Editha werden die "Krapfen" in der Konditorei geradezu zerlegt.
Das Schauspielhaus Wien, das mit einem neuen Team unter Andreas Beck im November 2007 angetreten ist, um ausschließlich zeitgenössische Stücke zu fördern und zu präsentieren, macht mit Heimito von Doderers Roman aus dem Jahre 1951 eine Ausnahme. Es erkundet mit dem Roman, der in der unmittelbaren Umgebung des Schauspielhauses spielt, die Nachbarschaft. Statt junger Autoren werden nun junge Regisseure gefördert. Elf Regisseure werden die weiteren Folgen übernehmen, übrigens immer im gleichen Bühnenbild – einem Wohnzimmer aus den 60-er Jahren, das in der "Schneiderei" des Schauspielhauses aufgebaut wurde, auch Szenen, die in der Außenwelt spielen, in der Eisenbahn, im Cafe, beim Autofahren oder bei der Bärenjagd können sich nur dieses Wohnzimmerinventars bedienen. Das leuchtet dramaturgisch ein, denn über dieses Wohnzimmerambiente wird die Haltung, die moralische Geste Doderers, die doch in der "Strudlhofstiege" sehr stark von den 50-er Jahren bestimmt ist, deutlich.
Den 12 Regisseuren steht neben "spezial guests" ein Kernteam von nur vier sehr spielfreudigen hübschen Darstellern (Angela Ascher, Marion Reiser, Christian Dolezal, Johannes Zeiler) gegenüber. Drei Monate werden sie täglich Woche für Woche ein Zwölftel des Romans vorführen und untertags das nächste proben, damit das Publikum zur Kennmelodie immer wieder in einer "Neue Folge der Strudlhofstiege" einsteigen kann. Der Großroman als Telenovela oder vielmehr als Theaterabonnement.
Die Strudlhofstiege
Schauspielhaus Wien
Nach dem Roman von Heimito von Doderer
Pilot-Fassung:
Regie: Daniela Kranz