"Eine in ihrer Schlichtheit sehr merkwürdige Erklärung"
Uwe Tellkamp und Thilo Sarrazin gehören zu den Unterzeichnern einer Erklärung, die von "illegaler Masseneinwanderung" in Deutschland spricht. Die Publizistin Liane Bednarz kommentiert den offenen Brief und verrät, welche Unterzeichnerinnen nicht mehr auf der Liste stehen.
Der Schriftsteller Uwe Tellkamp spricht medienwirksam Sätze über Geflüchtete, der frühere "Spiegel"-Journalist und Autor, Matthias Matussek, redet wütend auf einer Hamburger Demonstration gegen Angela Merkel, die an Pegida-Treffen erinnert. Und dann macht da noch eine Erklärung die Runde, in der von "illegaler Masseneinwanderung" in Deutschland die Rede ist und die sich mit denjenigen solidarisiert, "die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung an den Grenzen unseres Landes wiederhergestellt wird". Unterzeichnet wurde sie auch von Uwe Tellkamp, Thilo Sarrazin, Henryk M. Broder und Dieter Stein, dem Chefredakteur der "Jungen Freiheit".
Gesellen sich zum besorgten Bürger nun besorgte Intellektuelle? Ist das einfach das neue "Konservativ"? Oder machen sich Personen der Öffentlichkeit zum Sprachrohr der extremen Rechten? Liane Bednarz, Publizistin und Juristin, Autorin von Büchern über die AfD und die neue Rechte, sagt:
"Das ist den Inhalten und der Sprache nach durchaus mit Pegida zu vergleichen. Selbst wenn man die zunehmende Radikalisierung von Matthias Matussek in den letzten Jahren beobachtet hat, dann hat das gestern doch eine andere Dimension gehabt. Die Bilder gehen ja auch gerade durchs Netz. Er stand dort, hielt seine Faust hoch, gestikulierte und rief zum Widerstand auf. Skandierte in das Mikrofon, zusammen mit der Menge. Und er sprach – und da haben wir die direkte inhaltliche Verbindung – davon, dass Pegida mit dem Sprechen von Lügen- und Lückenpresse recht gehabt habe."
"Fühlen sich in der CDU nicht mehr aufgehoben"
Es seien sehr unterschiedliche Leute, die die von Vera Lengsfeld initiierte Erklärung unterschrieben hätten, erklärt die Publizistin:
"Da spielt Rechtsextremes keine Rolle, aber Sie finden eine ganz interessante Mischung von Unterzeichnern: Einerseits wirklich klassisch neurechte Vordenker wie Karlheinz Weissmann und Thorsten Hinz auch Martin Lichtmesz. Und andererseits finden Sie aber auch Menschen, die doch eher bürgerlich sind oder waren wie eben Matthias Matussek, aber auch Klaus Kelle, der Ehemann von Birgit Kelle. Es setzt sich unterschiedlich zusammen. Dann sind dabei Vera Lengsfeld, die das Ganze initiiert hat, und auch Heimo Schwilk und Ulrich Schacht, die allerdings auch schon Anfang der 90er-Jahre im Zuge der Debatte um den 'Anschwellenden Bocksgesang' von Botho Strauß einen Band herausgebracht haben: 'Die selbstbewusste Nation'."
Wie erklärt sich Liane Bednarz die Mischung von Menschen, die sich unter dieser Erklärung versammeln?
"Das ist relativ leicht erklärt. Das sind vielfach auch Leute, die sehr, sehr konservativ sind und die sich schlichtweg in der CDU nicht mehr aufgehoben fühlen. Und leider nun doch so weit gehen, überhaupt keine Berührungsängste zu zeigen eben mit neurechten Vordenkern, eine in ihrer Schlichtheit doch sehr merkwürdige Erklärung zu unterschreiben, wo einfach von der 'illegalen Masseneinwanderung' gesprochen wird. Es wird praktisch der Begriff gesetzt und es wird nicht erklärt, warum das denn illegal sein soll."
Was ist "illegale Masseneinwanderung"?
Über den Begriff "illegale Masseneinwanderung" sagt Liane Bednarz:
"Das ist ein Terminus, den man sehr oft hört. Und er wird nicht begründet. Es gab Versuche, zu klagen. Und all diese Klagen hat das Bundesverfassungsgericht abgewiesen. Natürlich ist es unter Rechtswissenschaftlern umstritten. Es gibt auch Menschen, die sagen, dass die Flüchtlingspolitik zumindest in Teilen rechtswidrig sei. Aber es gibt eben keine bindende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber. Und so lange kann man das auch nicht per se als illegal bezeichnen."
Es bleibe ebenfalls offen, mit welchen Demonstrationen man sich in der Erklärung solidarisiert:
"Das Interessante ist dann auch diese Solidaritätserklärung: Man solidarisiert sich 'mit denjenigen, die friedlich dafür demonstrieren, dass die rechtsstaatliche Ordnung wiederhergestellt wird'. Und da muss man sich fragen, welche Demos sind damit eigentlich gemeint. Die Erklärung hat oben ein Bild. Da ist dieser Frauenmarsch in Berlin zu sehen, der wurde zum Beispiel von Leyla Bilge angemeldet, und das ist eine AfD-Politikerin."
Man hätte hier mehr Vorsicht walten lassen können, welche Demos man meint und welche nicht, findet Bednarz: "Es ist sehr nebulös und damit auch sehr weitgehend. Ich persönlich finde das erstaunlich, dass Menschen das so unterschreiben."
Zwei ursprüngliche Unterzeichnerinnen stünden inzwischen auch nicht mehr auf der Liste, sagt Bednarz: "Das sind die Publizistinnen Cora Stephan und Birgit Kelle."
(cosa)