Tennis auf Arabisch

Von Evelyn Bartolmai |
Das kleine arabische Dorf Jaljulia nordöstlich von Tel Aviv gilt als trostlos: Viele Jugendliche haben keinen Schulabschluss, das Einkommen der Familien ist gering. Ausgerechnet dort hat nun eine israelisch-arabische Tennisschule für Kinder aufgemacht. Die Nachfrage ist groß.
Wer nicht täglich an Jaljulia vorbeifährt, kennt den Ort möglicherweise nicht einmal, denn in der Presse taucht der Name höchstens auf, wenn es darum geht, wie viele Jugendliche keinen Schulabschluss haben oder wie gering das Familieneinkommen ist. Doch in diesem Sommer machte Jaljulia tatsächlich positive Schlagzeilen. Also nichts wie hin, und kaum hatte ich den Ort erreicht, kletterte auch schon der 14-jährige Nadim Jaber in mein Auto und dirigierte mich voller Stolz zu einem Tennisplatz am Ende des Ortes, auf dem sich schon eine Gruppe Gleichaltriger tummelte.

Daniel Kessel ist der Trainer, seit nunmehr anderthalb Jahren kommt er jede Woche zweimal aus dem zehn Kilometer entfernten Ra'anana, um in Jaljulia arabische Kinder zu unterrichten. Von Anfang an sei er, der Jude, gut in dem arabischen Ort aufgenommen worden, sagt Daniel:

"Ich hatte nie ein ungutes Gefühl, und je länger ich hier bin, desto besser fühle ich mich. Aber ich habe einige Freunde in Tel Aviv, die fragen mich schon, ob ich keine Angst habe und warum ich das denn mache. Und wenn jemand dann herkommt, sagt er schon, oh, das habe ich nicht erwartet. Die Leute sind einfach nicht gewöhnt, in einen arabischen Ort zu kommen, sie sind ängstlich und haben keine Ahnung, was hier wirklich los ist."

Mit einem rundum zufriedenen Gesicht verfolgt Iman Jaber vom Rand aus das Treiben auf dem Platz. Sie ist nicht nur die Mutter von Nadim, der mich am Ortseingang abgeholt hatte, sondern überhaupt des ganzen Projektes "Tennisschule Jaljulia".

"Manche fragen mich, was ich denn dabei verdiene, und ich antworte, nichts. Mein Lohn ist, dass ich in die Kinder investiere und sie in eine Welt einführe, die sie bislang nicht kannten. Durch den Sport sehen und lernen sie viele neue Dinge kennen, und darin besteht die Investition: in ihre Zukunft."

Denn nur allzu gut erinnert sich Iman an ihre eigene Kindheit, die sie voller Neid vor dem Fernseher verbracht hat, wo sie andere Mädchen in ihrem Alter Tennis spielen sah. Mit ihren eigenen Söhnen ist Iman dann irgendwann nach Ra'anana in den Tennisclub gefahren, dort hat sie Daniel Kessel kennengelernt, und so entstand die Idee der Tennisschule in Jaljulia. Und zur größten Überraschung von Iman und Daniel sind unter den rund 70 Kindern zwischen sechs und 16 Jahren, die regelmäßig zum Training kommen, die 55 Mädchen die eifrigsten.

Die Jungen könnten immerhin noch Fußball spielen, erklärt Iman, doch bis heute gibt es keine Angebote für Mädchen in arabischen Orten, nicht einmal Schwimmen können sie lernen. Kein Wunder also, dass gerade sie sich voller Eifer auf das Tennisspielen gestürzt haben:

"Und wenn wir nach Ra'anana fahren, dann freuen sie sich, dass sie wirklich auch diese für sie bislang unbekannte und auch verschlossene Welt sehen und entdecken, auch Leute von der anderen Seite kennenlernen können. Das war früher auch mein Traum gewesen, den ich mir nie erfüllen konnte, und so mache ich es eben jetzt für die Kinder."

Fast schon zu den Senioren von Jaljulia gehört Nadim, der Sohn von Iman. Seit acht Jahren spielt er Tennis. An dem Sport liebt er, dass man nicht in der Meute einem Ball hinterher rennt, sondern allein über den nächsten Schritt nachdenken muss. Und mit seinen Erfolgen in der israelischen Junioren-Tennisliga ist er schon zu einem lokalen Idol aufgestiegen:

"Ja, ich habe einen guten Platz dort, zu Purim im Frühjahr habe ich bei einem Turnier eine Silbermedaille gewonnen."

Neben Daniel Kessel gibt es noch zwei arabische Trainer, auch vom Tennisclub Ra'anana wird das Projekt in Jaljulia unterstützt. Bislang arbeiten alle aus Spaß an der Freude, aber langsam sei der Punkt gekommen, sagt Daniel, wo das Projekt auch finanzielle Unterstützung von außen braucht, denn allein die Mitgliedsbeiträge der Eltern reichen nicht mehr aus:

"Wir nehmen 180 Shekel pro Monat für zweimal in der Woche Training, was woanders etwa 300 Shekel kosten würde. Also wir brauchen schon irgendwann eine finanzielle Unterstützung, für die Trainer, für Ausstattungen oder um mit den Kindern mit einem Kleinbus nach Ra'anana fahren zu können, was wir derzeit noch mit unseren privaten Autos machen, also alles solche Sachen."

Sogar Arabisch lernt Daniel inzwischen, und wie es scheint, auch mit gutem Erfolg - ich zumindest habe bei meinem Besuch nur einen einzigen Querschläger abbekommen.

"Ja, ich lerne Arabisch, das wollte ich immer schon mal tun, aber jetzt mache ich es gezielt. Zunächst erst mal die Tennisbegriffe, aber Iman hat schon einen Lehrer für mich gefunden, und ich habe wirklich das Ziel, fließend Arabisch zu sprechen."

Daniels Wunsch für das Projekt?

"Oh, ein Wunsch! Nun, unser Hauptziel ist, wirklich eine Tennis-Exzellenzschule aufzubauen, mit vier bis fünf Plätzen, auf denen so viele Kinder wie möglich spielen können. Und das Ganze hier inmitten des sogenannten Meschulasch, des Dreiecks, das ist die Gegend in Israel, in der sehr viele Araber leben. Wir wollen gute Spieler ausbilden und fit für Wettkämpfe werden, sowohl mit Jungen als auch Mädchen, also das wäre so unsere Vision."

Wir sind auf dem richtigen Weg, fällt Iman Jaber Daniel energisch ins Wort:

"Ich sage immer, dass das Geld nicht so wichtig ist, sondern wichtig ist, dass wir hier sind und etwas aus Liebe tun. Und deshalb glaube ich, wird unser Projekt auch erfolgreich sein!"