Ein Kampf für Geschlechter-Gerechtigkeit
Billie Jean King war die Nummer eins im Frauentennis, als sie 1973 gegen einen männlichen Gegner antrat: Im "Battle of the Sexes" ging es um Chauvinismus und Ungleichheit. Wir sprechen mit Valerie Faris und Jonathan Dayton, den Regisseuren eines Films über das historische Tennisspiel.
Susanne Burg: "Battle of the Sexes" so heißt ein neuer Film, der jetzt im Kino läuft – und der Titel ist nicht untertrieben. Es war mehr als ein einfaches Tennismatch, das der Ex-Tennis-Champion Bobby Riggs mit der damaligen Nr. 1 des Frauentennis Billie Jean King austragen wollte.
1973 kam es zu dem Match. Und es wurde zum meist gesehenen Sportevent der Fernsehgeschichte. Emma Stone und Steve Carell spielen die beiden Kontrahenten. Und der Film zeigt diese Vorbereitungen zum Match – und er zeigt auch die privaten Kämpfe hinter der Kulisse. Regie geführt haben Valery Faris und Jonathan Dayton. Und von ihnen wollte ich erstmal wissen, ob sie das reale Match denn noch in Erinnerung haben. Sie waren damals gerade Teenager.
Valerie Faris und Jonathan Dayton, die beiden Regisseure des Filmes "Battle oft he Sexes – Gegen jede Regel", der jetzt bei uns im Kino läuft: Sie waren noch ein Teenager, 15, 16 Jahre alt, als dieses historische Match stattfand – haben Sie noch irgendwelche Erinnerungen daran?
Valerie Faris: Das ist lustig, ich erinnere mich daran als eine Art kulturelles Ereignis, aber meine Eltern waren keine Tennis-Fans und mich hat Sport in dem Alter nicht besonders interessiert. Ich habe es also nicht gesehen – diese Tatsache binde ich jetzt nicht gerne jedem auf die Nase – ich wusste, wer Billie Jean King und Bobby Riggs waren, allerdings auch nicht viel mehr.
Jonathan Dayton: Ich hab das Match damals auch nicht gesehen, aber ich erinnere mich an Bobby Riggs auf dem Cover des Time-Magazine. Wenn man damals auf der Titelseite des Time-Magazins war, dann war man eine wichtige kulturelle Persönlichkeit. Ich denke, dass die Bedeutung des Matches im Laufe der Jahre noch zugenommen hat, es war ein wichtiger Schritt im Kampf um Geschlechter-Gerechtigkeit.
Susanne Burg: Es ist aufschlussreich, sich das jetzt Jahrzehnte später noch mal anzusehen. Was klar wird: Es war nicht nur ein Match zwischen zwei Tennisspielern, sondern, es war eingebunden in die kulturellen Veränderungen und politischen Entwicklungen der 70er-Jahre, wie etwa die Befreiung der Frauen, den Vietnam-Krieg oder Watergate. Wieviel davon sollte im Film mitschwingen?
Jonathan Dayton: Uns hat überrascht, wie stark ein Sport-Event von einem politischen Thema beeinflusst war. Das Thema Geschlechtergleichheit wurde zu einer Zirkusveranstaltung, zu einer Art Stunt. Heutzutage sehen wir das immer häufiger, z.B. im Reality-TV, dass Themen nicht mehr aufgearbeitet, sondern auf Wettbewerbe reduziert werden …
Valerie Faris: … und auf Unterhaltung.
Jonathan Dayton: Mit unserem Film wollten wir zeigen, was im persönlichen Leben der Protagonisten passiert ist, hinter dieser ganzen Zirkus-Fassade.
Valerie Faris: Wir lassen den historischen Kontext raus im Sinne von: Wir zeigen nicht den Vietnamkrieg, sprechen Watergate nicht an und bringen auch keine Bilder von Frauen-Demos. Wir wollten die Zuschauer direkt in diese Zeit versetzen, so dass sie sie so wahrnehmen können, wie die Figuren im Film sie wahrgenommen haben. Wir haben bewusst diese Perspektive gewählt.
"Der Sexismus war institutionalisiert"
Susanne Burg: Manchmal gibt es sehr kleine vielsagende Details. In einer Szene des Films z.B., als das Match läuft, ist Billie Jeans Tennis-Kollegin Rosie Casals die Co-Kommentatorin des Tennisspiels und der Hauptlommentator Howard Cosell legt permanent seine Hand auf ihre Schulter, was einem schon beim Zuschauen ein unangenehmes Gefühl bereitet. Ich vermute, Sie haben sich auch das Original-Filmmaterial angesehen. Wie viel von diesem Chauvinismus war schon in den Bildern und Filmen von damals zu sehen und wieviel haben Sie für ihren Film hinzugefügt?
Valerie Faris: Diese Szene mit Howard Cosell zeigt die Originalbilder, das was er wirklich gemacht hat. Wir haben tatsächlich die echten Aufnahmen von Howard genommen und mit den Aufnahmen unserer Schauspielerin zusammengefügt, mit Natalie Morales, die Rosie Casals spielt. Er hat Rosie genauso angefasst und alle seine Kommentare während des Spiels entstammen den Originalaufnahmen. Er hat alles so gesagt.
!Jonathan Dayton:!! Das zeigt, wie institutionalisiert der Sexismus war. Damals hat wahrscheinlich niemand viel darüber nachgedacht, was er da eigentlich gemacht hat. Es ist ein gutes Zeichen, dass wir, wenn wir das heute sehen, geschockt sind, aber damals hat man das so akzeptiert. Das fanden wir interessant.
Valerie Faris: Bei Billie Jean war es so: Sie kam auf den Platz und Howard Cosell hat gesagt, wenn sie ihre Haare wachsen lassen und ihre Brille abnehmen würde, würde sie aussehen würde wie eine Frau, die ein Casting für Hollywood machen möchte. Sie ist diese Weltklasse-Sportlerin, aber der Kommentator erwähnt ihre Karriere als Tennisspielerin mit keinem Wort…
Jonathan Dayton: Er redet nur über ihr Aussehen, wie hübsch sie ist…
Valerie Faris: Wie hübsch sie sein könnte, ja, das war schon ziemlich beleidigend.
Susanne Burg: Billie Jeans Figur ist sehr komplex. Es gibt ganz offensichtlich diese Spannung zwischen ihrem Privatleben, ihrer Selbstfindung, nachdem sie sich in eine Frau verliebt hat und ihrer öffentlichen Persönlichkeit, bei der sie ebenfalls herausfinden muss, wofür sie steht – und sie wird ja auch (nicht ganz freiwillig) ins Rampenlicht gezerrt als Kämpferin für die Rechte der Frauen im Tennis. Wie sehen Sie ihre Entwicklung – hat sie schon immer dieses politische Bewusstsein gehabt? Oder hat sie das notgedrungen entwickelt?
Valerie Faris: Sie hatte schon ein Interesse daran, eine der besten Tennis-Spielerinnen der Welt zu sein, auch damit ihre Stimme gehört wird und sie in der Lage ist, etwas zu verändern. Ohne ihre Prominenz wäre das wohl nicht möglich gewesen. Was uns überrascht hat, war die Tatsache, dass sie zu dieser Zeit so viel persönliches Durcheinander zu bewältigen hatte. Vor diesem Hintergrund ist es beeindruckend, dass sie trotzdem in der Lage war, für die Dinge einzutreten, an die sie glaubte, auch wenn für sie damals eine Menge auf dem Spiel stand.
Susanne Burg: Auf der Leinwand sieht man die physische Kraft dieser professionellen Tennisspielerin, ihren unbedingten Durchsetzungswillen, und gleichzeitig aber auch diese emotional verletzliche Seite, die Person, die all diese Fragen hat, weil sie sich gerade verliebt hat. Sie wirkt wie hin- und hergerissen zwischen diesen beiden Seiten. Wie schwierig war es für Emma Stone, das zu spielen? Wie haben Sie sie auf diese Spannung vorbereitet?
Valerie Faris: Über dieses Thema haben wir sehr viel geredet, auch mit Billy Jean. Das war ein Teil ihres Lebens, an den sie gedanklich kaum zurückkehren wollte. Es war zu schmerzhaft, da tiefer zu graben. Sie ist in einer sehr konservativen Familie aufgewachsen. Diese Gefühle für Frauen zu haben, war sehr schwer für sie zu akzeptieren. Sie sagte sogar, dass sie sich selber für homophob hielt. Es war also schwer für sie, das bei sich selber zu akzeptieren. Emma hat ganz viel Filmmaterial von Billie Jean von damals gesehen, wir alle haben uns Interviews mit ihr angehört – aber das Interessanteste, was wir von der heutigen Billie Jean erfahren haben, ist, wie schwer und wie verwirrend es für sie war.
Emma Stone legte sieben Kilo Muskelmasse zu
Susanne Burg: Emma Stone hat vorher ja auch wohl nie Tennis gespielt. Wie hat sie sich denn physisch auf den Film vorbereitet – einerseits – andererseits geht es beim Tennis ja auch immer viel um die Psyche…
Jonathan Dayton: Nachdem sie die Dreharbeiten zu "La-La-Land" abgeschlossen hatte, fing sie direkt an, jeden Tag zu trainieren, und stellte ihre Ernährung um. Über einen Zeitraum von vier Monaten nahm sie sieben Kilo an Muskelmasse zu und veränderte wirklich ihren Körper. Außerdem nahm sie Tennisunterricht. Aber es war klar, dass wir für die schwierigeren Teile beim Tennis ein Double brauchen würden. Man kann schließlich nicht auf einmal von gar keiner Tennis-Erfahrung so weit kommen, dass man die beste Tennis-Spielerin der Welt spielen kann.
Valerie Faris: Wir wollten im Film auch gutes Tennis zeigen. Es war uns wichtig, das hohe Spieler-Niveau von Bobby und Billie Jean zu zeigen. Es war interessant, sich die Original-Spiele anzusehen, und dabei festzustellen, dass Billie Jean nichts von sich preisgibt. Man erhält überhaupt nicht den Eindruck, als stünde sie irgendwie unter Druck, sie wirkt vollkommen stoisch und ruhig. Diese Momente hat Emma richtig einstudiert, wenn sie an der Grundlinie steht, oder einfach nur über den Platz läuft, ihre Selbstsicherheit.
Jonathan Dayton: Ihre Coolness.
Susanne Burg: Was die Inszenierung des Matches angeht: Es gibt natürlich eine lange Geschichte der TV-Berichterstattung über Tennis-Spiele – wie sehr sollte das Match visuell an eine Sport-Berichterstattung erinnern?
Jonathan Dayton: Wir haben schon frühzeitig entschieden, das Tennis-Match so zu zeigen, wie die Leute es aus dem Fernsehen kennen. Der Film zeigt ansonsten das Privatleben dieser Figuren, aber wenn's um das Match ging, wollten wir die öffentliche Seite davon zeigen. Wir haben mit Kameras gefilmt, die beide Seiten des Platzes im Blickfeld hatten, so dass man das Zusammenspiel der Protagonisten sehen kann. Das war uns wichtig. Alles, was Sie auf der Leinwand sehen, ist wirkliches Tennis, es gibt keine Computer-animierten Bälle, keine Tricks.
Valerie Faris: Uns hat diese TV-Übertragungsperspektive interessiert, auch um unsere Zuschauer daran zu erinnern, dass 90 Millionen Menschen dieses Spiel gesehen haben, dass die beiden in der ganzen Welt beobachtet wurden. Es gibt Augenblicke, in denen Bobby an der Seite sitzt und sichtbar an Kraft verliert. Da sind alle Kameras auf ihm. Das soll einem noch mal vor Augen führen, dass diese Figuren, die man im Verlauf des Films kennengelernt hat, sich nun auf dieser absolut öffentlichen Bühne befinden, fast wie bei einer öffentlichen Hinrichtung…
Susanne Burg: Wir sollten auch nicht vergessen, dass der Ursprung für dieses Match der Umstand war, dass Billie Jean King eine gleiche Bezahlung für Frauen gefordert hat, weil die Frauen im Tennis bis zu dem Zeitpunkt nur einen kleinen Anteil dessen bekamen, was die Männer erhielten. Ich muss Sie also am Ende fragen: Wenn 90 Millionen Leute damals das Match gesehen haben, und jetzt 90 Millionen Leute "Battle of the Sexes" sehen werden…
Valerie Faris: Da wären wir aber überaus glücklich!
Susanne Burg: Haben denn Emma Stone und Steve Carrell gleich viel Geld bekommen?
Jonathan Dayton: Ja.
Valerie Faris: Ja, das haben sie.
Jonathan Dayton: Valerie und ich kriegen auch das gleiche Honorar. Steve und Emma sind gleich bezahlt worden, alle Schauspieler, Männer und Frauen sind gleich bezahlt worden, natürlich je nach ihrem Stand in der Branche, aber das ist wichtig. Das ist ein Low-Budget-Film und es war in diesem Sinne von allen auch ein Liebesdienst, von Steve und Emma, und der ganzen Crew. Alle haben sich mit geringeren Honoraren abgefunden.
(Übersetzung: Marei Ahmia)
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