Andrea Petković, Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht.
Erzählungen, Kiepenheuer&Witsch 2020, 272 Seiten, 20 Euro.
"Als Schriftstellerin muss ich mir schlauere Antworten einfallen lassen"
35:00 Minuten
Zunächst wollte der Vater ihre Karriere als Tennisspielerin nicht unterstützen, weil sie zu gut in der Schule war. Am Ende schaffte Andrea Petković beides: ein Einser-Abi und die Weltspitze im Tennis. Heute blickt sie nach vorn und zu neuen Ufern.
Was haben die Australien Open mit Dostojewskis Roman "Schuld und Sühne" zu tun? Eigentlich nichts, für Andrea Petković allerdings eine ganze Menge. Die Tennisspielerin stand vor ihrem ersten großen Match auf großer Bühne und hatte Angst zu versagen. "Dann habe ich das Buch aufgeschlagen, angefangen zu lesen", sagt Petković. "Und als ich gelesen habe, wie schlecht es Raskolnikow in dem Buch geht, ging es mir gleich viel besser. Weil es gibt ja jemanden, dem es deutlich schlechter geht als mir selbst. Da war meine Liebe zur Literatur entdeckt."
Bücher als die einzigen Ausflüchte
Das Leben als Tennisprofi wirkt nach außen vielleicht schillernd, aber eigentlich sei es sehr einsam. Man sei viel allein, sagt Petkovic, im Kraftraum, auf der Laufbahn, im Hotel, auf dem Platz. Bücher boten ihr zunächst Ablenkung, später auch Trost. Als Jugendliche reiste sie mit einer Extratasche voller Bücher, früher vor allem mit Krimis. Den Roman "Schuld und Sühne", der die Geschichte des armen Rodion Romanowitsch Raskolnikow erzählt, hatte ihr der Vater zugesteckt.
"Was ich nur in der Literatur finde, ist, dass ich dieses komplette Hineintauchen in etwas habe, in ein Buch, wo ich über nichts Anderes nachdenken muss. Wenn ich stressige Momente habe, wenn ich Angst vor Matches habe, Angst vor Niederlagen, wenn das Leben einfach schwierig wird, waren Bücher immer die einzigen Ausflüchte", erzählt Petković.
"Im Tennis und im Schreiben bin ich so in einem Flowzustand"
Mit "Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht", hat die Tennisspielerin jetzt ihr erstes Buch veröffentlicht. Ein Band voller autobiografischer Erzählungen. Eine ungewohnte Situation, denn nun werde sie nicht nur als Sportlerin, sondern auch als Schriftstellerin befragt. "Sonst, immer wenn ich zu Interviews eingeladen war, wusste ich genau, welche Fragen mich erwarten. Ich hatte schon so meine automatisierten Sportlerantworten. Die kann ich jetzt alle nicht mehr auspacken. Deswegen muss ich neu dazulernen und mir neue und schlauere Antworten einfallen lassen."
Auch wenn sich die Arbeit einer Autorin von der Tennisspielerin sehr unterscheidet, hat die 33-Jährige doch einige Parallelen entdeckt: "Einerseits diese strenge Einsamkeit, in der beide Prozesse stattfinden. Und was auch sehr ähnlich war, war dieser Flowzustand, in den ich geraten musste, um meine besten Leistungen abzurufen. Im Tennis und im Schreiben bin ich so in einem Flowzustand, der so zwischen Bewusstsein und Unterbewusstsein sich einpendelt."
Das Schreiben begleitet Petković schon lange
Tennis und Schreiben, das gehört für Petković schon lange zusammen. Mit sechs Jahren begann sie mit dem Tennis, wurde 2006 Profi und gewann seither sechs Turniere. Sie habe immer gelesen und auch geschrieben. "Ich habe nur nicht veröffentlicht." Zunächst erschienen in den USA ihre ersten Sportreportagen, dann eine Reihe von Kolumnen im Magazin der Süddeutschen Zeitung.
In ihrem Buch geht sie vor allem der Frage nach, warum sie so ehrgeizig ist. Petkovic gehörte im Tennis mal zu den Top Ten der Weltrangliste. Heute ist sie auf Platz 95 und bei den French Open zuletzt in der ersten Runde ausgeschieden. Wie hat sie das verkraftet? "Schwer." Wie jede Niederlage.
Eines stehe fest: Als Tennisprofi muss man "egoman" sein. "Das ist ein hartes Wort, aber es ist so. Wir werden dazu erzogen, im kleinsten Kindesalter. Weil es eine Einzelsportart ist, weil sich alles um den Tennisspieler, oder die Tennisspielerin dreht. Das heißt nicht, dass alle Tennisspieler Schweine sind, charakterliche Schweine. Aber natürlich sind eine gewisse Rücksichtslosigkeit und ein gewisser Egoismus in allen von uns drin."
Und? "Ich habe keine Antwort."
(ful)
Anmerkung der Redaktion: Kurzzeitig stand versehentlich ein noch unfertiger Text online. Die bestehende Fassung ist die aktuelle.