Eklat bei Currentzis-Ensemble
Dirigent Teodor Currentzis schweigt nach wie vor zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. © imago-images / ITAR-TASS / Vyacheslav Prokofyev
MusicAeterna unterstützen teilweise russischen Angriffskrieg
10:18 Minuten
Mehrere Mitglieder des Ensembles MusicAeterna von Dirigent Teodor Currentzis sind für ein Konzert in Dortmund suspendiert worden. Sie hatten in sozialen Netzwerken ihre Unterstützung für den russischen Krieg gegen die Ukraine deutlich gemacht.
Kurz zur Erinnerung: 2004 gründete der damals gut dreißig Jahre alte Dirigent Teodor Currentzis ein ganz besonderes Ensemble. Die besten Köpfe aus aller Welt sollten verschmelzen zu einem einzigartigen Klangkörper (Orchester und Chor), mit Currentzis als Primus inter pares ("Erster unter Gleichen"). Rasch wurde die erst in Nowosibirsk, dann in Perm, jetzt in St. Petersburg ansässige Truppe Kult, was auch an den sehr eigensinnigen Interpretationen und dem (recht spirituellen) Sendungsbewußtsein des Gründers lag.
Überwiegend mit russischem Geld finanziert
MusicAeterna polarisiert von Beginn an, ergebene Fans stehen Skeptikern gegenüber. 2014 erhielt der Grieche Currentzis auch die russische Staatsbürgerschaft. Finanziert wird das Ensemble überwiegend vom Staat sowie Sponsoren wie russischen Banken und Energieunternehmen. Schon vor dem Krieg in der Ukraine wurde vor allem diese Finanzierung immer wieder diskutiert und kritisiert.
Nach Kriegsausbruch forderten viele ein klares Statement von Currentzis und den Musikern. Doch alle hüllen sich bis heute in Schweigen. Es ist eine im Grunde unauflösbare Angelegenheit, da eine Kritik am Regime natürlich sofort massive Konsequenzen hat. Andererseits möchte man als Journalist, aber auch als Zuhörer schon wissen, mit wem man es zu tun hat - jenseits aller künstlerischen Höhenflüge.
Festspiele Salzburg halten an Currentzis fest
Nun haben die Musikjournalisten und Blogger Axel Brüggemann und Alexander Strauch die Aktivitäten mancher Mitglieder von MusicAeterna in den sozialen Netzwerken genauer unter die Lupe genommen. Und ziemlich üble Dinge gefunden.
Da postet etwa ein russischer Tenor ein nationalistisch-patriotisches Durchhaltelied, der Sänger erweist sich auch noch als Fan der brutalen Söldnertruppe Wagner. Andere statten ihre Accounts mit russischen Flaggen aus, teilen deutlich ihre Unterstützung des Angriffskrieges mit. Erstmals wurden nun konkrete Postionen von rund einem Dutzend Musikerinnen und Musikern bekannt und es stellt sich die Frage nach den Folgen.
Salzburgs Festspielintendant Markus Hinterhäuser, schon lange ein vehementer Unterstützer von Currentzis und MusicAeterna, hält am Dirigenten fest. Auf Nachfrage erklärt er, es gebe für ihn keinerlei Grund, an der ethischen Grundhaltung von Currentzis zu zweifeln.
Allerdings habe er für den kommenden Sommer ohnehin - deutlich vor den aktuellen Recherchen - nicht mit MusicAeterna geplant. Bei mehreren Konzerten im Sommer wird Currentzis mit seinem unlängst gegründeten Orchester "Utopia" spielen, das als Projektensemble ohne festen Sitz auftritt und ausschließlich westliche Geldgeber hat.
Diskussionen innerhalb des Ensembles
Am Freitag steht im Konzerthaus Dortmund Verdis "Requiem" mit MusicAeterna auf dem Programm. Der Dortmunder Intendant Raphael von Hoensbroech hat eine klare Position. Während im nicht allzu fernen Köln der dortige Philharmoniechef Louwrens Langevoort Currentzis ob seines Schweigens grundsätzlich nicht mehr beschäftigen will (und ihn unlängst ausgeladen hat), setzt von Hoensbroech auf Differenzierung. Am Freitag wird ohne die umstrittenen Musiker gespielt.
Im besten Fall könnte aus der jetzigen Situation ein (Auf-)Klärungsprozess folgen, Insider berichten schon seit längerem von heftigen Diskussionen innerhalb des Ensembles.
Und auch von anderer Seite gibt es Druck. So wurde das im letzten Salzburger Festspielsommer zu Recht bejubelte Operndoppel mit Werken von Bartók und Orff (mit Currentzis am Pult des Gustav Mahler Jugendorchesters und unter Mitwirkung des MusicAeterna Chors) zwar aufgezeichnet, jedoch fand sich bisher kein Sender, der es ausstrahlen will.
Noch ein Aspekt am Rande: Bis zur übernächsten Saison ist Currentzis auch Chef des SWR Symphonieorchesters. Dort möchte man sich zu ihm überhaupt nicht mehr äußern. In der Kölner Philharmonie wäre er übrigens mit eben jenem Orchester aufgetreten. Es scheint im Moment völlig unklar, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Vor allem, ob der Dirigent über die Grenzüberschreitungen und Haltungen einiger seiner Musiker schweigen kann, erscheint fraglich.