Teresa Präauer: "Oh Schimmi"
Wallstein Verlag, Göttingen 2016
204 Seiten, 19,90 Euro
Verspielt, kalauernd und einfallsreich
Beim letztjährigen Bachmannpreis wurde Teresa Präauers "Oh Schimmi" bereits euphorisch gefeiert: In ihrem dritten Roman macht sich ein Teenager zum Affen. Dabei greift die Autorin auf Skurrilitäten aller Art zurück.
Groß ist da die Versuchung, von einem "affengeilen" Roman zu sprechen und dessen Autorin für das prächtige "Affentheater" zu danken, das sie für uns inszeniert. Denn "Oh Schimmi" ist ein Buch, in dem die Grenzlinien zwischen Menschen und Affen nicht scharf gezogen und Vokabeln (wie "beg-affen" oder "Aff-aff-affäre") ständig danach abgeklopft werden, was sie an affenmäßigen Bestandteilen aufzuweisen haben.
Die in Wien lebende Teresa Präauer greift in ihrem dritten Roman auf Skurrilitäten aller Art zurück und entwirft einen Plot, den nach realistischen Maßstäben zu beurteilen noch sinnloser ist, als einen Pudding an die Wand zu nageln.
Marshmallows statt Vitamine
Schimmi, so nennt Präauer ihren absonderlichen, unfallgeschädigten Helden im Teenageralter, der eigentlich Jimmy heißt, mit seiner in Blaufuchsfell gewandeten Mutter in einem von Autobahnen umgebenen Hochhausapartment lebt, das Geld für TV-Sexhotlinenummern verprasst, statt Vitaminen lieber Marshmallows zu sich nimmt, die Mitarbeiterin eines Nagelstudios gefesselt unter seinem Bett versteckt, von der mexikanischen Zugehfrau Guadelupe differenzierte sexuelle Aufklärung erfährt und sich grenzenlos in eine Frau namens Ninni verliebt, die fernab in einem anderen Hochhaustower wohnt.
Das alles wird, von Leitmotiven zusammengehalten, assoziativ erzählt, meist aus der Ich-Perspektive Schimmis, und ist – in guter österreichischer Tradition – prall gefüllt mit Sprachspielen und (kursiv gedruckten) Abschweifungen, die dem Text einen betörend-flirrenden Rhythmus geben.
So verspielt, kalauernd und einfallsreich "Oh Schimmi" einherkommt – unter seiner Oberfläche schlummert eine Leidensgeschichte, aus deren Elementen dem Realismus verpflichtete amerikanische Autoren gleich mehrere opulente Familiensagas gemacht hätten. Denn Schimmis Vater, Rodeoreiter Sam, ließ seine Kleinfamilie einst im Stich, einen paradoxen Abschiedsbrief hinterlassend. Ob der Bananen strikt ablehnende Schimmi deshalb so wurde, wie ihn Teresa Präauer zeigt, lässt sich im Kontext dieses Romans nicht schlüssig beantworten.
Mit plumpen Psychologismen ist hier nicht zu argumentieren – wie es sich für eine gestandene "Anti-Inhaltistin" (so Präauers Selbstcharakteristik in einem Interview) gehört.
Wenn sich Männer gern zum Affen machen
Immerhin bleibt Vater Sam nicht der Böse, der sich aus dem Staub gemacht hat. Dank der Vermittlung von Schimmis kreditkartenhöriger Hotlinebekanntschaft Zindi taucht dieser nämlich wie ein Deus ex Machina wieder auf und versorgt seinen liebeshungrigen Sohn mit Ninnis Telefonnummer.
Jetzt endlich, so scheint es, wird es diesem gelingen, Ninni nicht nur per Fernrohr in Augenschein zu nehmen, doch alle Versuche, die Angeschmachtete zu überzeugen, scheitern – selbst ein Auftritt im knapp geratenen King-Kong-Kostüm offenbart lediglich, dass Männer sich gern und peinlicherweise zum Affen machen.
Mit diesem Finale brillierte Teresa Präauer 2015 beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb, ohne dafür einen Preis einzuheimsen – eine Affenschande das!