Terézia Mora über die Wahl in Ungarn

"Die Intellektuellen werden weiter kämpfen müssen"

08:27 Minuten
Die deutsch-ungarische Autorin Terézia Mora
Die Wahlniederlage sei bitter, sagt die deutsch-ungarische Autorin Terézia Mora, denn das Oppostionsbündnis habe sich mehr erhofft. © picture alliance/dpa
Terézia Mora im Gespräch mit Andrea Gerk · 04.04.2022
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Erneut hat Viktor Orbán die Wahl in Ungarn gewonnen. Dies liege auch an den gleichgeschalteten Medien, erläutert die Autorin Terézia Mora. Vor allem auf dem Land glaube man nach zwölf Jahren Propaganda die Lügen über die EU und den Ukraine-Krieg.
Die Autorin Terézia Mora gehört zur deutschsprachigen Minderheit in Ungarn und lebt seit ihrem Studium Anfang der 1990er-Jahre in Deutschland. Den Wahlabend hat sie in ihrer ungarischen Heimat auf dem Land verbracht.

Hoffnungsvolle Opposition wurde enttäuscht

Dass Viktor Orbán wieder so eindeutig die Wahl gewinnen konnte wie vor vier Jahren, damit hätten viele aus der Opposition nicht gerechnet. „Ein trauriger Moment, dass es so deutlich war.“
Weiterhin würden die Wahlen in Ungarn auf dem Land entschieden. Dort hätten die Menschen, anders als in den Städten, fast nur Informationen der staatlichen, von Orbáns Fidesz-Partei gleichgeschalteten Medien.

Propaganda der staatlichen Medien kommt an

„Sie glauben nach zwölf Jahren die Sätze der Propaganda: Wenn sie arm sind, ist Brüssel schuld, oder wenn die Gaspreise steigen – das ist jetzt neu und völlig absurd – ist Wolodymyr Selenski schuld.“

Menschen auf dem Dorf seien nicht zugänglich "für irgendwelche hochnäsigen, besserwisserischen, geschwollen redenden städtischen Intellektuellen". Und genau damit punkte Orbán, denn er verkörpere das Gegenteil: „Sie wählen ihn, weil er, wie sie, ein untersetzter, mäßig attraktiver, ungeschliffener Mann vom Land ist, der weiß, wie man sich da verhält.“

Parallelen zu Russland

Noch immer hingen ungarische Wähler Ideen nach, die mit dem Heute kaum zu tun hätten. Dazu gehöre auch die Niederlage im Ersten Weltkrieg mit dem Ende der ungarisch-österreichischen Monarchie und die Gründung des ungarischen Nationalstaats.
Auch wenn viele betonten, stolze Ungarn zu sein, seien sie immer noch nicht in ihrem Nationalstaat angekommen. Und sie hingen immer noch Ideen nach, die sehr parallel zu dem sei, wie Russland von sich denke.
An der Grenze zu Österreich, wo man am meisten von der EU profitiere, lehne man sie am stärksten ab.
Auch wenn Orbán wie ein kleiner Putin agiere: Immerhin lebe man in Ungarn hier nicht so gefährlich: „Niemand wurde bisher vergiftet.“ Doch als Intellektueller und Künstlerin bleibe die Lage schwierig.

"Die Opposition muss sich etwas ausdenken"

Noch nach jeder verlorenen Wahl würden die Oppositionellen neue Hoffnung schöpfen und überlegen, wie man „das einbetonierte System“ ändern könne. Und dieses Hoffen könne man nicht aufgeben, so Mora.
„Stimmen der Armen kann man auf dem Land für 30€ kaufen. Was sich oppositionelle Politiker ausdenken müssen, ist etwas, um diese Menschen zu erreichen und ihnen Hoffnung zu geben.“
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