Nachdenken über das Mensch-Sein
Nach der Doppel-Uraufführung in Berlin und Frankfurt am Main feierte "Terror" nun am Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere. Das Debüt von Ferdinand von Schirach beleuchtet die Zerbrechlichkeit unserer Demokratie - und entließ das Publikum spürbar aufgewühlt.
"Terror", das Debüt von Ferndinand von Schirach als Stück-Autor, ist schon jetzt das neue deutsche Theaterstück der Saison: Nach der Doppel-Uraufführung in Berlin und in Frankfurt/ Main haben vierzehn weitere Bühnen Inszenierungen angekündigt. In Kassel und Baden-Baden kam das Stück Ende voriger Woche heraus, am Sonntagabend im Schauspielhaus Düsseldorf.
Am Ende der Premiere gab's von dem für seine Reserviertheit berüchtigten Düsseldorfer Publikum Jubel und Bravo-Rufe und Standing Ovations. Zu Recht: die Aufführung überzeugt und fesselt in jeder Hinsicht – das Stück selbst, die Regie, die Ausstattung, das Schauspiel. Nach der Doppel-Uraufführung in Berlin und Frankfurt/Main war vielfach zu lesen und zu hören, Ferdinand von Schirach habe einen interessanten Text aber kein gutes Theaterstück vorgelegt. Dieser Eindruck hat sich in Düsseldorf nicht bestätigt. Zu erleben ist ein packender Theaterabend von durchweg großer Spannung.
Die im Zentrum des Stückes – einer Gerichtsverhandlung – gestellte Frage, ob Menschenleben gegen Menschenleben aufgewogen werden kann, wenn es darum geht, einige Hundert zu töten, um Tausende zu retten, weitet sich zu einer Auseinandersetzung mit der Fragilität von Sprache, Moral- und Rechtsauffassungen unserer Demokratie an sich. Der Sog dabei ist enorm. So gab es denn auch während der Aufführung einzelne Zwischenrufe von aufgeregten Zuschauern, die ja hier zu Richtern werden, die am Ende über "schuldig" und "nicht schuldig" entscheiden müssen, es gab oft Szenenbeifall und am Ende, als das Urteil – Freispruch für den Angeklagten – verkündet wurde, gar Bravo-Rufe und Buhs heftiger Stärke.
Kleine Gesten, große Emotionalität
Die Qualität der Aufführung resultiert aus der klugen Inszenierung, die auf die Wirkungskraft (und Vieldeutigkeit!) der Sprache setzt und auf Schauspielkunst. In Frankfurt am Main dominierte kühle Sachlichkeit, in Berlin Effekthascherei, etwa durch Videoeinspielungen, in Düsseldorf Emotionalität. Die ergibt sich aber nicht durch Äußerlichkeiten, nicht durch Sentimentalität, sondern dadurch, dass die Figuren, die in den Dialogen und Monologen viele Gedanken zu transportieren haben, eine spürbare Entwicklung durchlaufen, was über kleine Gesten, knappe mimische Momente verdeutlicht wird. Ferdinand von Schirachs Stück wird dadurch zum großen Wurf. Der mit Intelligenz brillierende Text, der die Fragilität unserer Demokratie beleuchtet, bekommt in Düsseldorf durch Inszenierung und Schauspiel geradezu die Wucht des klassischen antiken Theaters. Denn hier wird durch Schauspielkunst tatsächlich über das Mensch-Sein nachgedacht.
Von den durchweg exzellenten Akteuren sei Nicole Heesters hervorgehoben. Sie zeigt die Staatsanwältin nicht allein als kühle Analytikerin, sondern als Frau, die den verhandelten Fall dazu nutzt, über den Zustand unserer Gesellschaft an sich nachzudenken. Heesters gelingt es, das Denken dieser Frau zu zeigen, ihr Zweifeln, ihr Suchen danach, wie jede Einzelne und jeder Einzelne diese Gesellschaft sicherer machen kann. Dazu braucht sie keine ausufernden Gesten, keine Gefühlsduselei, keine lauten Momente. Scharf im Duktus, beredt in der Mimik, lässt sie die Zuschauer an der Entwicklung der Juristin teilhaben. Große Schauspielkunst – an einem Abend, der das Publikum spürbar aufgewühlt entlassen hat – mit vielen Fragen an sich selbst.