Terror in Brüssel

    "Toleranz schlägt manchmal in Gleichgültigkeit um"

    Rettungskräfte in Brüssel (22.3.2016)
    Nach Terroranschlägen herrscht in Brüssel Ausnahmezustand. © dpa / picture-alliance / Nicolas Maeterlink
    Moderation: André Zantow · 22.03.2016
    Der Terror erschüttert Belgiens Hauptstadt Brüssel. Für manche Kenner der örtlichen Verhältnisse kommt das nicht überraschend. Wir sprechen mit den Journalisten Alois Berger und Jürgen Heck.
    Mehr als 30 Menschen starben bei den Terroranschlägen auf den Flughafen und eine U-Bahn-Station in Brüssel. Kenner der belgischen Hauptstadt hatten mit derartigen Attacken bereits gerechnet. "Man hat immer darauf gewartet, wann der Anschlag kommen wird", sagte der Journalist Alois Berger, der viele Jahre lang aus Brüssel berichtet hat, im Gespräch mit Deutschlandradio Kultur.

    "In Belgien leben viele Leute aneinander vorbei"

    In Belgien habe der Salafismus mit seiner radikalen Islam-Auslegung starken Einfluss erlangen können, so Berger. Dies hänge auch mit der Toleranz der belgischen Gesellschaft zusammen, die bisweilen in Gleichgültigkeit umgeschlagen sei.
    "In Belgien leben viele Leute aneinander vorbei." Insbesondere in Brüssel hätten salafistische "Rattenfänger" lange Zeit frei agieren können, sagte Berger. Unterstützt worden seien diese zum Teil durch Gelder aus Saudi-Arabien, mit denen Moscheen, Jugendzentren und Bibliotheken finanziert worden seien.
    Über die Frage, wie sich soziale Brennpunkte wie im Brüsseler Stadtviertel Molenbeek entschärfen ließen, habe man sich zu wenig Gedanken gemacht, so Berger. Erst in jüngerer Zeit setze man verstärkt auf Prävention.

    "In Molenbeek ist die soziale Mischung nicht da"

    In Belgien hat man vor den Problemen zu lange die Augen verschlossen – so sieht es auch Jürgen Heck von der deutschsprachigen belgischen Tageszeitung "Grenzecho". "Es gibt einen übertriebenen Respekt vor der Privatsphäre des Anderen", sagte Heck. Vor allem Molenbeek habe sich zu einem sozialen Brennpunkt mit 30 Prozent Arbeitslosigkeit entwickelt. Die Besserverdienenden seien in Brüssels grünen Speckgürtel gezogen. "Und in die Freiräume sind vornehmlich Maghrebiner eingezogen. Die soziale Mischung, wie sie eine Großstadt benötigt, ist nicht da."
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