Angst im Inselparadies
26:18 Minuten
Nach mehr als einem Vierteljahrhundert Bürgerkrieg hat in Sri Lanka zehn Jahre lang Frieden geherrscht. Doch am Ostersonntag töteten mehrere Selbstmordattentäter über 250 Menschen. Was bedeuten die Terroranschläge für die Bürger auf der Insel?
"Wir leben nun in Angst", sagt Mazook Lebbe vom Verband der Muslime in Sri Lanka.
"Ein neues Trauma ist aufgebrochen, es gibt eine neue Bedrohung im Land" sagt die Tamilin Silvie Manoher.
Der buddhistische Mönch Sangaratne ist entsetzt, dass sich religiöser Terror derart hat Bahn brechen können in Sri Lanka
"Wir spüren einen großen Schmerz."
Und der Christ Pradeep ist am Boden zerstört. Er hat bei den Anschlägen seine Familie verloren:
"Ich vertraue diesem Land nicht mehr. In Sri Lanka ist es nicht sicher."
Egal, woran die Menschen in Sri Lanka glauben oder zu welcher Volksgruppe sie gehören: Sie sind schockiert, traurig, fassungslos. Christen und Muslime, buddhistische Singhalesen und Tamilen. Nach zehn Jahren Frieden – wieder Terror in ihrem Land.
Drei Wochen nach den Anschlägen haben die Christen in Sri Lanka die ersten Sonntagsgottesdienste gefeiert.
"Wir spüren immer noch die Angst in uns, aber als ich in die Kirche hereingetreten bin, war ich sehr glücklich. Das Glücksgefühl ist gerade größer als die Angst."
Lucia Fernando und ihre Nichte sitzen alleine auf einer Bank in der St. Philip Kirche in Colombo, weniger als die Hälfte der Bänke sind überhaupt besetzt. Viele Katholiken scheinen sich noch nicht wieder in ihr Gotteshaus zu trauen. Mehr als 250 Menschen sind ums Leben gekommen bei den Anschlägen, darunter 45 Kinder, mehr als 500 Menschen wurden verletzt. Opfer gab es in drei Hotels in der Hauptstadt Colombo, aber die meisten hat es in den Kirchen in Sri Lanka getroffen, an einem der höchsten Feiertage der Christen, am Ostersonntag. Lucia Fernando kannte die Opfer nicht persönlich, aber sie trauert um ihre christlichen Schwestern und Brüder, der Gottesdienst spende ihr Trost.
"Meine Kinder, alle tot"
Den kann Pradeep Thushantha seit Ostersonntag nicht mehr finden. Der TukTuk-Fahrer lebt in Negombo, rund 40 Kilometer von der Hauptstadt Colombo entfernt. Auch hier hat sich einer der Attentäter in die Luft gesprengt, in der St. Sebastian-Kirche. Der Dachstuhl ist komplett zerborsten, alle Fenster zerbrochen, nur die Wände und der Boden der Kirche stehen noch, zerfetzt von der Wucht der Explosion.
In der Osternacht hatte Pradeep Thushantha Nachtdienst und war zu spät dran für den Gottesdienst. Als er seine Familie von der Kirche abholen wollte, hörte er einen lauten Knall.
"Die Leute sind überall kreuz und quer aus der Kirche herausgelaufen. Ich hatte nur einen Gedanken: Ich muss meine Familie finden. Ich bin in die Kirche rein und überall lagen Körper auf dem Boden. Dann kam mir der eine Gedanke: Meine Frau hatte mir am Abend zuvor ihr Kleid gezeigt, dass sie tragen wollte. Es ist das Gleiche, das sie auch zu Weihnachten getragen hatte. So habe ich sie gefunden. Sie hat noch geatmet. Mein Sohn und meine beiden Töchter lagen neben ihr. Meine Kinder, alle tot. Ich habe sie nacheinander umarmt und laut gerufen: Oh Gott, wie konnte es nur innerhalb weniger Sekunden geschehen, dass alle meine Kinder nicht mehr am Leben sind?"
Pradeep Thushantha sitzt in einem Park vor einem kleinen Schuppen. Wenn er kein Tuktuk fährt, arbeitet er hier als Nachtwächter. Der kleine Aufenthaltsraum ist nun sein Zuhause geworden, in sein Haus will er nicht mehr zurück. Völlig traumatisiert erzählt er, wie er seine Frau ins Krankenhaus gebracht hat, das völlig überfüllt war. Sein Blick geht stur geradeaus auf den Boden. Nur einen Tag später ist auch sie an ihren Verletzungen gestorben.
"Wir sind nicht wütend auf die Muslime"
Innerhalb kürzester Zeit hat der Christ Pradeep Thushantha seine gesamte Familie verloren. Dafür verantwortlich: ein Muslim.
"Wir sind nicht wütend auf die Muslime. Wenn wir unserem Zorn freien Lauf ließen, gäbe es einen Krieg hier. Es gibt so viele muslimische Läden in Negombo. Wir kaufen bei ihnen ein, wir essen in ihren Lokalen, wir leben hier zusammen. Wir Christen hatten nie was gegen sie gehabt, aber die Muslime, die hatten eine versteckte Agenda in ihren Herzen. Ich kann ihnen vergeben, aber es ist schwer, ich fühle einen so unglaublich großen Schmerz in mir."
Um Tumulte zu vermeiden, hat die Regierung in Sri Lanka den Ausnahmezustand verhängt. Und dennoch konnte sie weitere Tote und Verletzte nicht vermeiden.
Ein Dutzend junger Muslime kehrt Scherben zusammen. In ihrem Gemeindezentrum in Negombo sind alle Fensterscheiben herausgebrochen. Tische, Stühle, Drucker liegen zerfetzt auf dem Boden. Der 20-jährige Mohammed Silmi war auch an dem Abend hier, als Christen auf sie zu gestürmt seien:
"Es waren erst nur zehn Leute, die kamen hier rein und haben alles zerschlagen. Dann kamen immer mehr dazu, wir waren nachher 300 Muslime und rund 600 Christen."
"Jetzt habe ich immer Angst"
Vor den Anschlägen am Ostersonntag habe es in seiner Stadt nie Probleme zwischen Muslimen und Christen gegeben, erzählt Mohammed Silmi.
"Jetzt habe ich immer Angst."
Anthony Joshob erzählt die Geschichte genau andersherum. Jugendliche Christen hätten am Strand baden wollen, dann wären Muslime gekommen, hätten sie angepöbelt und auf sie eingeschlagen. Der Fischer ist gerade mit seinem Fahrrad an dem Gemeindezentrum vorbeigefahren und stoppt einige Meter weiter. Auch er sei bei den Prügeleien dabei gewesen:
"Ich habe persönlich nichts gegen Muslime, wissen Sie, aber wir Christen, wir haben Frieden in unseren Kirchen, die Muslime, die haben Schwerter dort."
Sicherheitskräfte und nächtliche Ausgangssperre
Seit den Anschlägen stehen, wie hier in Negombo, auf der gesamten Insel Sicherheitskräfte vor allen Gotteshäusern und Tempeln. Damit sich die Stimmung unter den Menschen nicht weiter aufheizt, gab es erst vereinzelt, dann im gesamten Land nächtliche Ausgangssperren. Außerdem war der Zugang zu sozialen Netzwerken immer wieder unterbrochen. Die Hassbotschaften dort würden noch mehr Unruhe unter die Leute bringen, sagte die Regierung von Sri Lanka. In der Stadt Chilaw, im Westen von Sri Lanka, soll ein muslimischer Ladenbesitzer gepostet haben:
"Hört auf zu lachen, eines Tages werdet ihr weinen."
Das sei eine Drohung gewesen, ein nächster Anschlag stehe bevor, dachten die Christen aus dem Ort und haben daraufhin Geschäfte attackiert und in einer Moschee randaliert. In Negombo sind in den letzten Tagen Mobs vor den Häusern von muslimischen Flüchtlingen aufmarschiert. Einige Vermieter haben die Flüchtlinge vor die Tür gesetzt, sie haben Angst vor weiteren Ausschreitungen oder vor Razzien durch die Sicherheitskräfte. Die Gefahr weiterer Anschläge sei aber fast ausgeschlossen, sagte der Armeechef von Sri Lanka:
"Wir haben die Situation unter Kontrolle. Die Menschen in Sri Lanka müssen sich keine Sorgen mehr machen. Die meisten Unterstützer des islamistischen Terrors hier im Land haben wir bereits verhaftet. Jetzt untersuchen wir noch in weiteren Kreisen, wie es zu den Anschlägen hat kommen können. Wir kümmern uns. Die Menschen in Sri Lanka können wieder zurück in ihr normales Leben."
"Wir sind alle Bewohner von Sri Lanka"
Normal fühlt sich das Leben der Menschen in Sri Lanka noch nicht an. Aber von allen Seiten wird versucht, Ruhe ins Land zu bringen, erzählt auch Mohamed Silmi aus Negombo:
"Unser Imam sagt, greift niemanden an, wir sind alle Bewohner von Sri Lanka!"
Mitte Mai hätten die Menschen in Sri Lanka eigentlich feiern sollen: Zehn Jahre war es her, dass der blutige Bürgerkrieg auf der Insel ein Ende genommen hatte.
Früher spielte Religion keine Rolle
Obwohl der Konflikt damals ein ganz anderer war als der heute. Mehr als 25 Jahre haben Tamilen auf der Insel mit Gewalt um ihre Unabhängigkeit gekämpft. Singhalesen, die mit 75 Prozent die Mehrheit in Sri Lanka bilden, haben sie brutal davon abgehalten. Auch wenn Tamilen und Singhalesen unterschiedlichen Glaubens sind, spielte damals die Religion keine Rolle. Die verfeindeten Gruppen gehörten verschiedenen Bevölkerungsgruppen an, sie sprechen unterschiedliche Sprachen. Die Tamilen gehören zur Minderheit und machen rund elf Prozent der Bevölkerung in Sri Lanka aus. Der Krieg fand vor allem im Norden und Osten des Landes statt, wo die meisten Tamilen auf der Insel leben.
Die Anschläge am Ostersonntag haben vor allem an drei Orten stattgefunden: in Kirchen und Hotels in der Hauptstadt Colombo, in der St. Sebastian-Kirche in Negombo, rund vierzig Kilometer nördlich der Hauptstadt und in Batticaloa. Das ist der einzige Ort, der weit außerhalb von Colombo liegt, rund 300 Kilometer entfernt, an der Ostküste von Sri Lanka. Es ist die Heimat des mutmaßlichen Drahtziehers der Attentate am Ostersonntag.
Neun Stunden dauert die Fahrt mit dem Zug vom Westen in den Osten des Landes, durch die idyllische Insel, die in Form einer Träne im Indischen Ozean liegt. Am Zugfenster rauscht die Landschaft in verschiedenen Grüntönen vorbei: Reisfelder, Palmen, Chashew-Bäume.
Der Zug endet in Batticaloa, während des Bürgerkriegs eine Frontstadt, hier gab es Massaker, Folter und Hinrichtungen. Bilder aus ihrer Kindheit, die sie eigentlich vergessen wollte, sagt Silvie Manoher. Zehn Jahre nach Kriegsende hat sich in ihrer Stadt wieder ein Mensch in die Luft gesprengt, vor der Zionskirche in Batticaloa:
"Überall war Blut und überall lagen Fleischreste rum. Und dann zu meinen Füßen, dieses kleine Mädchen, erst anderthalb Jahre alt, tot. Ich bin auch Mutter. Wie können sie nur so viele Unschuldige umbringen."
Ein neuer Spalt zwischen den Menschen in Sri Lanka
Silvie Monohers Augen füllen sich mit Tränen. Sie ist eine Tamilin und ging noch zur Schule, als die Tamil Tigers, die selbsternannte Befreiungsarmee der Tamilen, hier gegen Soldaten der Regierung gekämpft hat. Drei ihrer Geschwister sind damals ums Leben gekommen:
"Zwei Brüder und eine Schwester. Meine jüngere Schwester hatte morgens ihre Schuluniform angezogen, dann war sie verschwunden, genau wie meine Brüder. Einer von ihnen war auch ein Selbstmordattentäter."
Die Kämpfer der Tamil Tigers haben diese Art des Terrors auf der Insel etabliert. Schon in den Achtzigerjahren haben sie sich Sprengstoff um den Leib gebunden und sich mit ihren Feinden selbst umgebracht. Silvies Kinder sind erst fünf und zwölf Jahre alt, sie kennen keinen Krieg. Seit zehn Jahren herrschte quasi Frieden auf Sri Lanka, nachdem die Singhalesen die Tamilen militärisch besiegt hatten. Mehr als 100.000 Menschen sind in dem Jahrzehnte langen Krieg umgekommen, Tausende werden noch immer vermisst und viele Hunderttausende Tamilen sind aus ihrer Heimat geflohen.
Die Muslime in Sri Lanka standen damals zwischen den Fronten, sie sehen sich als eine eigene Bevölkerungsgruppe, obwohl ihre Muttersprache Tamilisch ist. Jetzt, sagt Silvie, breche ein neuer Spalt auf zwischen den Menschen in Sri Lanka, dieses Mal zwischen den Religionen auf der Insel:
"Viele Läden hier gehören Muslimen. Jetzt trauen meine Leute den Muslimen nicht mehr. Keiner geht mehr bei ihnen einkaufen. Wir haben doch schon so viel durchgemacht. Jetzt kommt ein weiteres Trauma dazu."
Nur wenige Kilometer von Batticaloa entfernt liegt die Stadt Kattankudy. Hier leben fast nur Muslime, auch Zahran Hashim wurde hier geboren. Er hat sich in einem Hotel in Colombo in die Luft gesprengt und gilt als mutmaßlicher Kopf hinter den Anschlägen von Ostersonntag. Es sei eine Schande, sagt Mazook Lebbe, vom Verband der Muslime, dass seine Stadt nun mit diesen grausamen Attacken in Verbindung gebracht werde:
"Wir leben nun in ständiger Angst. Dabei verabscheuen wir diesen Terror. Was diese Leute jetzt am Ostersonntag in den Kirchen getan haben, widerspricht komplett den Grundsätzen des Islams."
Mazook Lebbe ist schockiert darüber, dass seine muslimischen Brüder solche blutigen Taten verüben konnten. Genau wie alle anderen im Ort kannte auch er Zahran Hashim:
"Er war lange Zeit sehr beliebt hier. Zahran kannte sich gut aus im Islam und war ein guter Prediger. Die Leute mochten seine Reden. Aber dann ist er ins Ausland gegangen und er kam ganz verändert zurück. Er hat unseren Leuten vorgeworfen, nicht den wahren Islam zu leben. Hier leben viel Ungebildete unter uns, die lassen sich von so einem, der im Ausland studiert hat, leicht manipulieren. Einige waren beeindruckt von seinem Geld und seinen Reden und wollten wie er auch Dschihadist werden."
Kontakt mit dem Islamischen Staat?
Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Muslimen in Kattankuddy. Zahran Hashim wurde immer radikaler.
Als er aus dem Ausland zurückkam, hat er die radikale Gruppe NTJ gegründet, die auch mit ausländischen Islamistengruppen zusammengearbeitet haben soll. Er sei ein Unruhstifter gewesen, sagt Shibly Farook, der für den Gemeinderat der Muslime in Kattankuddy arbeitet. Mitte 2017 sei die Lage eskaliert, Zahran Hashim habe sich mit anderen Predigern überworfen und sei daraufhin plötzlich aus seiner Heimatstadt verschwunden.
Die Regierung geht davon aus, dass Zahran Hashim danach möglicherweise Kontakt mit der Terrororganisation Islamischer Staat aufgenommen habe. In Videos und vor neuen Mitgliedern seiner Terrorgruppe hatte er davon gesprochen, Instruktionen aus Syrien zu erhalten. Der Islamische Staat hatte zwei Tage nach den Anschlägen mitgeteilt, für die Attacken am Ostersonntag verantwortlich zu sein. Dass sich einige Muslime in ihrer Gemeinde radikalisieren, darüber hätten sie die Behörden und auch die Regierung in Sri Lanka informiert, sagt Shibly Farook.
"Aus unserer Gemeinde gehen viele Menschen ins Ausland, um Geschäfte zu machen. Aber einige kommen zurück und sind wie ausgetauscht. So wie Zahran predigen sie dann hier, man müsse Ungläubige töten. Das haben wir dann unserem Gemeindevorsteher gemeldet und der hat die Informationen an die Regierung und an den Staatsminister weitergegeben."
In der Tat standen die radikale Gruppe NTJ, sowie weitere extremistische Vereinigungen in Sri Lanka unter Beobachtung. Monate vor den Anschlägen hatte die Polizei auf einer Kokosnussplantage große Mengen von Sprengstoff aufgespürt. Der Hauptverdächtige damals kam frei, nun musste die Regierung zugeben, dass er einer der Attentäter von Ostersonntag war.
Es gab konkrete Hinweise auf die Oster-Attentate
Hinweise auf die Oster-Attentate hatte es ziemlich konkret gegeben, wohl auch vom indischen Geheimdienst. Nur wenige Tage vor den Anschlägen stand in einem internen Polizeirundschreiben:
"Warnung vor dem Plan einiger Radikaler, Selbstmordattentate unter der Führerschaft von Mohammed Zahran Hashim vom NTJ durchzuführen."
Der Kabinettsminister Harin Fernando hat das Papier im Nachhinein über Twitter verbreitet, darin stehen nicht nur die Namen der Attentäter, sondern auch deren Adressen und Telefonnummern. Sowohl der Präsident als auch der Premierminister von Sri Lanka behaupten, von diesem Papier nichts gewusst zu haben. Im Verteidigungsministerium und im Polizeiapparat mussten einige nach den Anschlägen ihre Posten räumen, die Staatsoberhäupter sind noch im Amt, obwohl es von allen Seiten Kritik hagelt. Der ehemalige Armeechef Daya Ratnayake erhebt schwere Vorwürfe gegen die Regierungschefs:
"Wir hätten das verhindern können. Es gab genügend Informationen, um die Attacken zu vereiteln. Aufgrund der groben Fahrlässigkeit unserer Regierungsführer mussten wir diese schlimmen Anschläge im Land erleben. Davon bin ich komplett überzeugt."
Auch wenn Ratnayake zurecht darauf hinweist, dass der Präsident und der Premier von Sri Lanka sich mehr um ihren eigenen Zwist kümmern als um die Menschen im Land, war der Ex-Armeechef von Anfang an nicht gut auf die Regierung, die seit 2015 im Amt ist, zu sprechen. Denn zeitgleich hatte er seinen Posten als Armeechef räumen müssen. Nun empfängt er in zivil in seinem Wohnzimmer, in Vitrinen und an den Wänden aber glitzern Orden und militärische Abzeichen. Sowohl er selbst als auch viele andere im Land hätten durchaus von der Radikalisierung einiger Muslime im Land gewusst.
"Es ist doch keine neues Phänomen. Da kann man doch nicht einfach sagen, wir haben von der Bedrohung nichts gewusst. Gerade hier in unserem Land haben wir doch fast 30 Jahre lang die schlimmsten Erfahrungen mit Extremismus gemacht. Sobald wir da was Neues heranwachsen sehen, müssten doch gerade wir die Besten darin sein, diese Anzeichen zu analysieren. Also warum konnte es dennoch geschehen?"
Waren eigentlich Buddhisten das Ziel?
Auch Ratnayake, der ehemalige Armeechef, nimmt an, dass die Terroristen mit ausländischen Terrorgruppen in Kontakt gestanden haben. Bei Razzien nach den Anschlägen sind in Wohnungen im ganzen Land Sprengstoff und Waffen gefunden worden. In einem Haus haben die Ermittler auch weiße Roben entdeckt, wie sie eigentlich buddhistische Frauen tragen, wenn sie in den Tempel gehen. Dieser Fund wirft die Frage auf, ob eigentlich Buddhisten ursprünglich das Ziel der Attentäter waren und externe Kräfte aus dem Ausland die Anschlagsziele umgelenkt hätten. Nach wie vor gibt es viele Spekulationen, die Untersuchungen sind noch lange nicht abgeschlossen. Wichtig sei aber, sagt auch der ehemalige Armeechef, zwischen den islamistischen Terroristen und den Muslimen in Sri Lanka zu unterscheiden:
"Wäre ich Muslim, gäbe es für mich hier keinen Grund, mich in die Luft zu jagen, um für irgendwelche Rechte zu kämpfen. Darum ging es den Attentätern von Ostern ja auch nicht, anders als bei dem Konflikt während des Bürgerkrieges. Die muslimische Gemeinde im Land steht gut da, es geht ihnen besser als anderen im Land."
Fast alle acht Attentäter studierten im Ausland
Viele Muslime in Sri Lanka sind Geschäftsleute und im Gegensatz zu den Tamilen bekleiden sie hohe Ämter in der Regierung und in der Armee. Auch die Attentäter stammen alle aus gutem Haus: Zwei Brüder waren die Söhne eines angesehenen Millionärs aus Colombo, der mit Gewürzen handelt. Einer von ihnen soll die Terrorattentate finanziert haben. Seine Frau hat sich nach den Anschlägen bei einer Polizeirazzia in ihrem Haus in die Luft gesprengt, sie war schwanger und hat ihre zwei weiteren Kindern und drei Polizisten mit in den Tod gerissen.
Fast alle der acht männlichen Attentäter hatten im Ausland studiert, in London, Australien oder Indien. Ein Anwalt war darunter, ein Raumfahrt-Ingenieur, ein Technologe. Gerade mit den drei Attacken auf Luxus-Etablissements in Colombo haben die Extremisten fast zu einhundert Prozent den Tourismus im Land lahm gelegt, von dem auch die Muslime im Land stark profitieren. Dennoch kann man nicht leugnen, dass es Probleme zwischen den Religionsgemeinschaften gibt in Sri Lanka. Seit Jahren werden Angriffe auf christliche Zentren und deren Gläubige gemeldet.
Letztes Jahr sind radikale Buddhisten auf Muslime losgegangen, sogar Mönche waren darunter. Propaganda-Videos gegen Muslime hatten so zugenommen, dass die Regierung für einige Zeit die Sozialen Netzwerke hat sperren lassen. Umgekehrt hatten radikale Muslime Ende des letzten Jahres Dutzende buddhistische Statuen zerstört. Vielleicht war auch hier der mutmaßliche Drahtzieher der Oster-Attentate, Zahran Hashim, involviert. Als Profilbild auf seiner Facebook-Seite im Jahr 2018 hatte er einen Text hochgeladen, in arabischer Schrift, der übersetzt bedeutet:
"Wir werden uns gegen eure Statuen verschwören."
Dem Hass auf Muslime freien Lauf lassen
Nach den Anschlägen am Ostersonntag wurden muslimische Geschäfte angezündet und geplündert. Von Christen, aber auch von kriminellen Banden, so sagt es die Regierung von Sri Lanka, die gezielt Unruhe stiften wollten und ihrem Hass auf Muslime freien Lauf ließen. Auch der Mönch Sangaratne aus Batticaloa hat das Gefühl, dass die Kluft zwischen den Religionen in seinem Land größer werde:
"Der Grund ist, dass einige Menschen glauben, dass ihre Religion besser sei als andere. So darf niemand denken, du kannst deine eigene Religion hinterfragen, aber nicht den Glauben der anderen Menschen."
Damit spielt Sangaratne klar auf die Muslime an. Wie bei buddhistischen Mönchen üblich ist sein Körper in eine orangefarbene Robe gehüllt. Sein Kopf ist kahl rasiert. Er äußert sich nicht zu der Frage, was er darüber denke, dass einige seiner Glaubensbrüder Muslime angreifen. Lieber will er über die aktuellen Anschläge sprechen, verurteilt sie aufs Schärfste und meint zu wissen, wer dafür die Verantwortung trage:
"Die muslimischen Politiker und Führer der Gemeinden tragen aus meiner Sicht die Schuld. Sie haben nie versucht, die Schuldigen unter ihnen zu finden. Stattdessen klammern sie sich an ihre Macht und spielen diese politischen Spielchen."
Immer noch ein Land im Ausnahmezustand
Rund einhundert Verdächtige hat die Polizei im Land verhaftet, wegen angeblicher Verbindungen zu den Terroranschlägen am Ostersonntag. Sie stehen derzeit unter der Aufsicht der Kriminalpolizei und der Abteilung für Terrorismusuntersuchungen. Noch immer befindet sich das Land im Ausnahmezustand. Und das, so meint Jehan Perera, auch im übertragenen Sinne. Er leitet den Nationalen Friedensrat von Sri Lanka:
"Es gibt in der gesamten Bevölkerung eine Menge Wut, die Medien zeigen viele versteckte Waffen in den Moscheen, vor allem Messer und Schwerter. Und natürlich gibt es nun die Angst, dass es hier deswegen zu Unruhen kommt zwischen den verschiedenen Religionsgruppen. Jetzt sind die Muslime zur Zielscheibe geworden. Die Beziehung zwischen den Tamilen und Singhalesen im Land hat sich definitiv verbessert in den letzten zehn Jahren, aber jetzt, wo die Beziehung zu den Muslimen so Schaden genommen hat, müssen wir leider sagen, dass der Versöhnungsprozess hier in Sri Lanka einen derben Rückschlag erlitten hat. Was die Versöhung im Land angeht stehen wir schlechter da als vor zehn Jahren."
Bestes Reiseziel für Lonley Planet
Die Tropeninsel Sri Lanka ist in diesem Jahr vom Reiseführer Lonely Planet zum besten Reiseziel gekürt worden. Wenn es nach Silvie Manoher geht, der Lokalpolitikerin aus Batticaloa, soll das auch so bleiben. Sie versucht auf lokaler Ebene mit ihrer Politik alles zu tun, um die Schatten der Vergangenheit nicht wieder groß werden zu lassen:
"Mein Traum ist es, dass Extremismus keinen Platz hat auf unserer Insel. Uns geht es doch jetzt gut. Als Kinder hatten wir so viel Angst. Alles was wir jetzt brauchen ist doch Frieden und Freiheit."
Pradeep Thushantha, der Tuktuk-Fahrer, der seine ganze Familie binnen Sekunden verloren hat, hat keine Träume mehr:
"Ich habe kein Vertrauen mehr in dieses Land. Ich kann hier eigentlich nicht mehr bleiben. Meine gesamte Familie ist einfach ausgelöscht worden. Ich zähle gerade die Tage, die mir in diesem Leben noch bleiben."
Der Armeechef von Sri Lanka hat angekündigt, dass das Militär nun wieder hart durchgreifen werde auf der Insel und dabei notfalls "maximale Gewalt" anwende. Mit Gewalt Gewalt unterdrücken. So endete auch der Krieg vor zehn Jahren.