Terror in Westafrika

Leben mit der Angst

Menschen in Nigeria fliehen vor dem Terror von Boko Haram.
Keine andere Terrorgruppe hat binnen weniger Jahre so viele Menschen getötet wie Boko Haram. Millionen sind auf der Flucht oder sitzen in der Falle – und fürchten um ihr Leben. © dpa / picture-alliance / Str
Von Alexander Göbel |
Sie haben dem IS die Treue geschworen und terrorisieren Nord- und Westafrika: die Verbrecher von Boko Haram aus Nigeria. Auch in Tunesien, das bereits mehrfach Ziel terroristischer Anschläge war, und in Marokko wird die Islamisten-Miliz gefürchtet.
In Mohameds Café in Rabat ist die Stimmung gedrückt. Auf dem großen Flachbildschirm läuft der französische Info-Kanal France 24 – mit dem Horror von Paris in Endlosschleife. Mohamed sieht nicht hin.
"Wir haben wirklich Angst – der Terror richtet sich nicht mehr nur gegen bestimmte Gruppen, so wie im Frühjahr gegen die Journalisten von Charlie Hebdo – jetzt wissen und spüren wir, dass es wirklich jeden Menschen treffen kann, auch uns hier in Marokko, hier im Café."
"Der Terror rückt näher - und er betrifft auch uns!"
Marokkos Zeitungen sind schon lange voll von Meldungen rund um das Thema Terror. Kaum ein Monat vergeht, ohne dass marokkanische Geheimdienste mutmaßliche Terrorzellen im Land ausheben, sichergestellte Waffen, Mobiltelefone und Sprengstoff präsentieren. "Wir sind auch bedroht", sagt Mohameds Freund Khalid:
"Auch, wenn es bei uns seit Jahren keine Anschläge mehr gegeben hat, das muss nicht so bleiben - der Terror rückt näher und er betrifft auch uns!"
Die Sicherheitsstufe in Marokko ist seit Paris noch einmal erhöht worden – in den Touristenzentren wie Marrakesch, rund um Verwaltungsgebäude, an Bahnhöfen und Flughäfen. Dabei sind die Behörden schon lange nervös. Denn Daesh, der Islamische Staat, soll auch in Marokko Hunderte, wenn nicht mehrere Tausend junge Kämpfer rekrutiert haben. Die Menschen fühlen sich bedroht von IS-Anhängern, die nach Hause zurückkehren – oder gleich in der Heimat Attentate verüben könnten. So wie etwas weiter östlich - in Tunesien.
Tunesiens Krieg gegen den Terror
"Tunesien, das uns allen am Herzen liegt, leidet unter schwierigen Umständen."
Das sagte Tunesiens Präsident Essebsi im Sommer. Und rief den Krieg gegen den Terror aus – mitten in einem wirtschaftlich, touristisch und politisch schwarzen Jahr für Tunesien. Erst im März das Attentat auf das Bardo-Museum in Tunis mit 21 erschossenen Touristen, dann im Juni das Massaker am Strand eines Ferienhotels nahe der Stadt Sousse – wo ein Student 38 Ausländer ermordete. In beiden Fällen bekannte sich der Islamische Staat zu den Taten.
"Ich sage es mit aller Deutlichkeit: Wenn sich so etwas wie in Sousse wiederholt, dann geht das Land unter."
Beinahe hätte Sousse sich tatsächlich wiederholt: Die tunesischen Sicherheitskräfte haben nach eigenen Angaben gerade erst einen großen Anschlag in Tunis verhindert - offenbar nur in letzter Minute. Eine Terrorzelle habe noch für November Attentate auf Hotels vorbereitet. Einige der festgenommenen Verdächtigen seien in Libyen und Syrien ausgebildet worden, heißt es im Innenministerium in Tunis.
17.000 Opfer, über 2,5 Millionen Flüchtlinge
Sie haben dem Islamischen Staat die Treue geschworen – und führen ganz Nord- und Westafrika jeden Tag vor, was absoluter Terror bedeutet: die Islamisten von Boko Haram in Nigeria. Seit mehr als sechs Jahren überziehen sie vor allem den Nordosten des Landes mit Gewalt, die Menschen leben in permanenter Gefahr.
Der Alltag muss weitergehen, irgendwie – auch wenn ganze Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, Tausende Schulen und Moscheen zerstört, Hunderte Frauen und Kinder entführt werden. Viele werden vergewaltigt oder mit Sprengstoffgürteln wieder unter die Bewohner geschickt. 17.000 Opfer, und das sind vorsichtige Schätzungen: Keine andere Terrorgruppe hat binnen weniger Jahre so viele Menschen getötet wie Boko Haram. Mehr als 2,5 Millionen Menschen wurden vertrieben.
Menschen wie Falmata Tija – sie versucht, mit ihren drei kleinen Kindern in der Stadt Maiduguri zu überleben. Falmatas Dorf haben die Islamisten zerstört, sie weiß nicht, wohin und muss ausgerechnet in der Stadt Schutz suchen, die regelmäßig von Boko Haram angegriffen wird. Wie Zehntausende andere auch sitzt Falmata in der Falle – und zittert um ihr Leben, und das ihrer Kinder:
"Wenn wir hier einfach nur sitzen, uns verstecken – dann kommen sie und schlachten Menschen ab. Wenn wir essen, nehmen sie uns alles weg. Ich habe solche bösen Menschen noch nie gesehen."
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