Opferangehörige verklagen Facebook
Angehörige von Opfern eines Anschlags in Israel haben Facebook verklagt. Sie sehen eine Mitverantwortung des Sozialen Netzwerks für die Gewalt im Nahen Osten, denn: Terrororganisationen dürften dort ungehindert ihre Hassbotschaften verbreiten.
Im Oktober 2014 rast ein Palästinenser mit dem Auto in Passanten, an einer Haltestelle in Jerusalem – ein drei Monate altes Baby stirbt bei dem Terroranschlag. Der Attentäter will zu Fuß fliehen, wird dabei angeschossen und stirbt wenige Stunden später.
Die Eltern des Babys klagen jetzt auf Schmerzensgeld, und zwar gegen das soziale Netzwerk Facebook. Gemeinsam mit Angehörigen von weiteren vier Anschlagsopfern verlangen sie eine Milliarde Dollar vom Internetriesen. Die Anwältin Nitzana Darshan – Leitner vertritt die Kläger:
"Facebook erlaubt Terrororganisationen, ihre Plattform zu nutzen, um Anhänger zu werben. Facebook erlaubt das dem Islamischen Staat, dem Islamischen Dschihad und der Hamas. Wir wollen Facebook dazu bringen, diese Unterstützung aufzugeben. Facebook steht nicht über dem Gesetz. Es darf Terrorbanden keine Unterstützung bieten."
Die Kläger sind US-amerikanische Bürger, die ganz oder zum Teil in Israel leben. Sie klagen vor einem New Yorker Gericht und argumentieren, Facebook verstoße gegen die Antiterror-Gesetzgebung der USA. Die Anwältin Darshan-Leitner sagt, dies sei die erste Klage dieser Art gegen Facebook, es werden viele folgen:
"Diese Unternehmen können nicht in ihren Firmenzentralen sitzen und zusehen, wie auf den Straßen von Jerusalem und Tel Aviv Blut vergossen wird. Sie sind soziale Medien, die soziale Verantwortung haben. Und sie müssen alles unternehmen, um diese Hetze zu stoppen."
Facebook als Monster
In Israel wird seit Monaten diskutiert, welche Einfluss soziale Medien auf potenzielle Attentäter haben. Zum Teil war schon von der "Facebook Intifada" die Rede. Der israelische Minister für innere Sicherheit Gilad Erdan macht Facebook für die Gewalt im Nahen Osten verantwortlich.
"Facebook hat eine fantastische, positive Revolution in die Welt gebracht, aber zu meinem großen Bedauern verwandelte sich Facebook seit dem Aufstieg des IS und seit Ausbruch der letzten Terrorwelle zu einem Monster. Auf der Plattform von Facebook postet die junge palästinensische Generation Debatten, Hetze und Lügen, und zieht letztendlich los, um zu morden."
Ende Juni erstach der 19-Jähriger Palästinenser Muhammad Tarayrah die 13-jährige Hallel Ariel in der Siedlung Kiryat Alba im Westjordanland. Der Täter hatte zuvor auf Facebook geschrieben, er wolle als Märtyrer sterben, berichten israelische Medien. Das Blut von Hallel klebe an den Händen von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, wird Minister Erdan seitdem überall zitiert.
Die Regierung arbeitet jetzt an einem Gesetz, das Facebook zwingen soll, Inhalte zu löschen. Auf freiwilliger Basis funktioniere das nicht immer, sagt Justizministerin Ayelet Shaked.
"Das Gesetz hilft bei Extremfällen, bei Fällen bei denen wir denken, dass der Inhalt entfernt werden muss und Facebook oder andere Unternehmen weigern sich dies zu tun. Dann können wir mit einer Rechtsverordnung den Inhalt entfernen lassen."
Kritiker sprechen von Scheindebatte
Regierungskritiker und Vertreter der Opposition halten die Initiative der Regierung für eine Scheindebatte, ein Ablenkungsmanöver. Michal Rozin von der Oppositionspartei Meretz wurde sehr emotional in ihrer Rede vor der Knesset.
"Wir stehen vor einer mörderischen Terrorwelle, die tobt und auf die die Regierung keine Antwort hat. Mit der Aussage, das Blut der Opfer würde an den Händen Mark Zuckerbergs kleben, hat er einen Schuldigen gefunden, einen Schuldigen, dem er die Schuld für alles in die Schuhe schieben kann. Hören Sie auf mit dem Blödsinn."
Asher Schechter von der liberalen israelischen Zeitung "Haaretz" merkt an, die Regierung würde alles tun, um von der Ursache des Terrors abzulenken: die ausweglose Situation der Menschen im von Israel militärisch besetzen Westjordanland. Wegen dieser sehr emotionalen Debatte wird der Ausgang des Verfahrens in New York in Israel mit großer Spannung erwartet.