Terrorismus

Die Bilder des Schreckens hinterfragen!

Ein Anhänger des IS mit der Flagge der Miliz
Ein Anhänger des Islamischen Staats mit der Flagge der Miliz © afp
Von Uwe Bork |
Bilder sind begehrte Waffen im Kampf um die öffentliche Meinung - auch und gerade bei Terroristen. Denn sie lösen Gefühle aus und schalten das Denken ab. Seien wir uns dessen bewusst, rät der Journalist Uwe Bork.
Machen wir einen kleinen Test: Woran denken Sie spontan, wenn Sie die Abkürzung IS hören? Nun? Ich vermute, bei Ihnen wie bei mir erscheinen vor dem inneren Auge zunächst einmal Bilder, wahrscheinlich dieselben Bilder.
Bilder von bizarren Enthauptungen. Bilder, auf denen kniende Gefangene erschossen werden, Bilder von Pickups voller schwarz gekleideter Kämpfer unter schwarzen Fahnen. Schwarz, die Farbe des Bösen, des Todes und der Bedrohung, hier wird sie zur bewusst gewählten, eindeutigen Botschaft.
Aber: Wissen wir deswegen auch, was die Gruppe mit dem großspurigen Namen Islamischer Staat eigentlich will – außer durch blutigen Terror und billiges Öl Macht zu gewinnen? Macht wozu? Welche religiösen Lehren vertritt sie? Für welchen Islam steht der 'Islamische Staat'?
Hier fehlen uns die Botschaften, die Klarheit schaffen könnten.
Grausame Bilder tauchen nicht zufällig auf
Oder nehmen wir Boko Haram in Nigeria. Ihr Bild wird vornehmlich durch ein Foto bestimmt, auf dem rund zweihundert von der Terrorgruppe entführte Mädchen im afrikanischen Staub sitzen. Auch hier ist die Botschaft eindeutig: Boko Haram hat die Macht über Leben und Tod. Die definitive Macht.
Glaube nur niemand, solche grausamen Bilder seien durch Zufall aufgetaucht. Das hieße, Boko Haram, IS oder al-Qaida sträflich zu unterschätzen. Terroristen und Milizen wissen, sich mittlerweile der digitalen Medien und der sozialen Netzwerke ebenso zu bedienen, wie ihre Gegenspieler im Westen. Gerade der sogenannte Islamische Staat setzt Bilder und Videos zielgruppengenau ein: Da gibt es nicht nur die bekannt blutigen Szenen für das große Publikum, die mit Zeugnissen des täglichen Terrors Angst und Schrecken verbreiten sollen, da gibt es auch die Videos mit den wummernden Bässen und den großmäuligen Worten, die für die YouTube-affinen Kids den Gangsta-Rap zum Mittel der Politik erheben. Und da gibt es schließlich das Magazin "Dabiq", das sich mit digitalem Hochglanz in gepflegtem Englisch an eine wie auch immer geartete intellektuelle Elite wenden will.
Edel-Extremismus und Pöbel-Publikationen
Selbst dieser Edel-Extremismus zielt aber genauso wie die Pöbel-Publikationen zentral auf die Gefühle der Nutzer und Betrachter: Wenn Ausgabe 4 von "Dabiq" etwa mit einer IS-Fahne auf dem Titelblatt protzt, die auf dem Obelisken in der Mitte des Petersplatzes gehisst wurde, hat das mit Information gar nichts, mit Propaganda jedoch sehr viel zu tun. Bilder wie diese sollen den Kopf nicht ein-, sie sollen das Gehirn ausschalten. Sie sollen Reflexe auslösen, keine Reflexionen. Angesprochen werden soll der Bauch; die gezeigten Grausamkeiten sollen ganz real auf den Magen schlagen. Ihre Funktion ist es, Furcht und Schrecken zu verbreiten.
Oft leider mit Erfolg. Der international angesehene Terrorismus-Experte Peter Neumann vom King's College in London attestiert dem IS eine geschickte Strategie: "IS versteht sehr gut, dass der Erfolg eines Terrorakts davon abhängt, ob er effektiv Menschen terrorisieren kann." Die digitale Revolution, die es möglich macht, nahezu von jedem Punkt der Erde per Smartphone und Internet Millionen von Menschen zu erreichen, hat diese perverse Erfolgschance ins Unermessliche gesteigert: Sie macht die ganze Welt zu Zeugen des Terrors. Gerade deshalb sind die Neuen Medien für die Terroristen jeglicher Couleur ja so unschätzbar wichtig.
Überlassen wir ihnen nicht das Feld. Den Kampf um die Köpfe haben sie nur dann gewonnen, wenn es ihnen gelingt, in den Gesellschaften der Aufklärung den bewährten Grundsatz auszuschalten: Erst denken, dann handeln!
Drehen wir diese Reihenfolge nicht um!
Uwe Bork, geboren 1951, ist seit 1998 Leiter der Fernsehredaktion 'Religion, Kirche und Gesellschaft' des Südwestrundfunks in Stuttgart. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet.Außer seinen Filmen hat Uwe Bork auch mehrere Bücher veröffentlicht. In ihnen setzt er sich humorvoll-ironisch mit dem Alltag in deutschen Familien auseinander ("Väter, Söhne und andere Irre"; "Endlich Platz im Nest: Wenn Eltern flügge werden") oder räumt ebenso sachlich wie locker mit Urteilen und Vorurteilen über Religion auf ("Wer soll das alles glauben? Und andere schlaue Fragen an die Bibel"; "Die Christen: Expedition zu einem unbekannten Volk").
Uwe Bork© Deutschlandradio
Uwe Bork, geboren 1951, ist seit 1998 Leiter der Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des Südwestrundfunks in Stuttgart. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zweimal mit dem Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik ausgezeichnet. Außer seinen Filmen hat Uwe Bork auch mehrere Bücher veröffentlicht.
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