Die Entwaffnung Rechtsextremer bleibt schwierig
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In Sachsen besitzen knapp hundert Rechtsextreme Waffen, doch erst sechs von ihnen mussten sie abgeben. Seit März gilt nun ein verschärftes Waffenrecht, um Terror zu verhindern. Doch die Entwaffnung bleibt problematisch.
Fünf Autominuten vom Stadtzentrum in Chemnitz entfernt, befindet sich im Keller eines Hotels der Schießstand eines Schützenvereins. "Gastschützen sind bei uns willkommen", heißt es auf der Homepage.
"Nicht preiswert, aber in Anbetracht der Zukunftsprognosen eine durchaus lohnende Investition", schreibt ein Führungsmitglied der später verbotenen Neonazi-Organisation "Nationale Sozialisten Chemnitz" in einem Chat.
Damals zählen laut Ermittlungsbehörden 14 Personen zum harten Kern der Gruppe. Unter anderen Gruppennamen treten Mitglieder auch öffentlich in Erscheinung, sie organisieren Gedenkfeiern zur Bombardierung von Chemnitz im Zweiten Weltkrieg und Proteste gegen Asylbewerbereinrichtungen. Über die Menschen, die dort leben, schreibt 2013 ein anderes Führungsmitglied:
"Die sollen das Viehzeug dort oben einfach abknallen und dann ist eh gut."
Laut Verbotsverfügung des sächsischen Innenministeriums bereiteten sich die Mitglieder der Nazigruppe auch auf den bewaffneten Kampf vor. Mit Kampfsporttraining und Schusswaffen.
Mindestens vier Mitglieder trainieren ab 2011 regelmäßig am Schießstand des Schützenvereins im Keller des Chemnitzer Hotels. Mindestens zwei Anhänger der später verbotenen Organisation werden Mitglieder des Vereins, mit dem Ziel, eine Sachkundeprüfung abzulegen. Eine der gesetzlichen Voraussetzungen, um eine Waffenbesitzkarte zu bekommen. 2014 verbietet das sächsische Innenministerium die Vereinigung, bei Durchsuchungen werden auch Waffen gefunden.
Hat der örtliche Schützenverein Konsequenzen gezogen? Inwiefern sehen sich die Verantwortlichen in der Pflicht, darauf zu achten, nicht den Falschen das Schießen beizubringen? Und inwiefern ist solch ein Anspruch überhaupt realistisch?
Ein Interviewtermin kommt trotz mehrmaliger Anfrage nicht zustande. Miko Runkel, Ordnungsbürgermeister in Chemnitz, sagt:
"Mit den rechtlichen Möglichkeiten schauen wir da jetzt auf jeden Fall näher hin."
Der Entzug der Erlaubnis ist juristisch kompliziert
Seit März gelten neue Regeln, um den Missbrauch von Schusswaffen einzudämmen. Die Novellierung geht auf eine EU-Richtlinie zurück, die nach den Anschlägen von Paris und Brüssel beschlossen wurde. Wer Mitglied in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung ist, dem soll jetzt der Waffenbesitz verweigert werden. Nach wie vor prüft die örtliche Waffenbehörde, ob die Person vorbestraft ist - neu dazu kommt eine Regelabfrage beim Verfassungsschutz für neue Anträge.
"Die Novellierung ist schon sinnvoll, inwiefern die Informationen des Verfassungsschutzes dann tatsächlich reichen, das ist immer schwierig" erklärt Runkel. "Bei der Neuerteilung ist es etwas einfacher zu sagen, wir lassen es an der Zuverlässigkeit scheitern: dass Leute eben nicht auf der Basis des Grundgesetzes stehen." Der Entzug einer einmal erteilten Erlaubnis sei schwieriger.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte angekündigt, Rechtsextreme zu entwaffnen, Runkel will das auch. Grundsätzlich sei der Entzug der Waffenerlaubnis juristisch kompliziert, sagt der ehemalige Richter. Wenn eine fragwürdige Person mit Waffenerlaubnis beim Verfassungsschutz nicht als rechtsextrem gelistet ist, hält Runkel eine Entwaffnung für aussichtslos.
"Ich habe zum Beispiel hier in Chemnitz eine Bürgerbewegung, die nennt sich Pro Chemnitz, die steht schon unter Beobachtung, aber nicht mit dem entsprechenden Status." So habe jemand einen Waffenschein, der für die Bürgerbewegung kandidiert hatte. "Das dürfte wahrscheinlich insgesamt nicht ausreichen für den Entzug des Waffenscheins", erklärt Runkel.
Die Chemnitzer Ordnungsbehörde prüft derzeit bei vier Personen, die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft werden, ob man ihnen die waffenrechtliche Erlaubnis entziehen kann. Insgesamt zählt das sächsische Innenministerium im Februar knapp hundert bewaffnete Rechtsextremisten, das sind zwanzig mehr als im Vorjahr, plus zwanzig Reichsbürger.
Appell an Schützenvereine und Schießstände
Sprecher Andreas Kunze-Gubsch sagt, im rechtsextremistischen Bereich sei bereits sechs Mal die Erlaubnis entzogen worden. 21 Verfahren liefen noch. Nur 17 seien bisher negativ beschieden worden. In den restlichen 41 Fällen seien keine "Informationsübermittlungen" an die Waffenbehörden erfolgt. "Das heißt, es waren keine hinreichend stark begründeten Fälle", erklärt Kunze-Gubsch.
All diese Informationen kommen vom Verfassungsschutz, doch in knapp der Hälfte der Fälle hat er die Informationen nicht an die örtlichen Waffenbehörden weitergeleitet.
Das sei zu erwarten gewesen, sagt Kerstin Köditz, innenpolitische Sprecherin der Partei Die Linke im sächsischen Landtag. Sie sieht sich bestätigt: "Dieser Geheimdienst arbeitet mit nachrichtendienstlichen Mitteln, also Informationen, die dazu führen, dass jemand als rechtsextrem beim Geheimdienst erfasst wird." Diese Informationen könnten sich auch auf Spitzelaussagen beziehen und das Landesamt für Verfassungsschutz möchte die Quellen nicht preisgeben. "Insofern wird an der Stelle ein gerichtsverwertbares Verfahren überhaupt nicht möglich sein."
Andreas Kunze-Gubsch, Sprecher des sächsischen Innenministeriums, sagt, das alles sei auch für den Verfassungsschutz neu - und es werde "sicherlich noch ein bisschen dauern, bis sich das eingespielt hat". Doch sicher ist schon jetzt: Der Schießsport in Sachsen erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Die Zahl der beantragten Waffenerlaubnisse steigt, mehr als 30.000 Personen haben eine Waffenerlaubnis.
Im Innenministerium geht man davon aus, dass die Zahl der Sportschützen und damit die Zahl der Waffen in Privatbesitz weiter ansteigen wird. Deshalb appelliert das Innenministerium an Schützenvereine und kommerzielle Schießstände, künftig genau hinzugucken, wer Mitglied werden will.