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Der Kampf ums Wasser

28:51 Minuten
Die Baustelle der Tesla Gigafactory am frühen Morgen kurz nach Sonnenaufgang (Luftaufnahme mit einer Drohne).
In einem Wasserschutzgebiet errichtet Tesla seine Gigafactory. Das ruft Bürgerinnen und Bürger auf den Plan, die sich Sorgen um die Umweltbelastung machen. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
Von Manuel Waltz · 01.02.2022
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In Deutschland wird das Grundwasser knapp. Gleichzeitig steigt der Wasserbedarf: in der Landwirtschaft, in neuen Industrien wie bei Tesla in Grünheide – oder in der Lausitz, wo Tagebaulöcher zu Seen werden sollen. Doch der Protest dagegen nimmt zu.
„Wir pumpen gerade 19,3 Liter pro Sekunde", erklärt Markus Schmitz. Er leitet die „Wasserversorgung Mittlere Vils“, die die Region rund um das bayerische Landshut mit Trinkwasser versorgt. In dem neuen Tiefbrunnen fiepst eine Pumpe. Seit etwa Jahren fördert sie Wasser. Umbaut von einer unscheinbaren Holzhütte und mitten im Wald - keine Landwirtschaft, keine Autos, keine Industrie –, ist das Grundwasser hier gut geschützt.
„Wir haben ja doch ein noch etwas älteres Wasserwerk, das wir jetzt generalsanieren“, sagt Schmitz. „Da ist auch eine Aufbereitungsanlage drin. Und da wird das Wasser wieder enteisent, ent-mangant. Das sieht man jetzt ja hier, das ist das Rohwasser, rotbraun. Da wird es mit Sauerstoff aufbereitet.“

Fast überall fällt der Grundwasserspiegel

Dass das Wasser Eisen und Mangan enthält, ist ganz normal. Es davon zu reinigen, ist nicht sehr aufwendig. Das Wasser hier kommt aus bis zu 100 Metern Tiefe. Dort unten hat es sich vor Hunderten, vielleicht Tausenden Jahren gebildet. Heute ist es bestes Trinkwasser.
Die Region an den Ausläufern der Alpen ist sehr wasserreich, vom Gebirge her fließt das Wasser unterirdisch Richtung Landshut. Dennoch fallen auch hier wie fast überall in Deutschland seit einigen Jahren die Grundwasserpegel.
Das System im Untergrund ist träge. Es dauert lange, bis Wasser versickert ist und dann unterirdisch weiterfließt. Ein trockenes Jahr verändert erst einmal nicht viel. Andersherum ist das auch der Fall. In der Vergangenheit, so erzählt Markus Schmitz, ist der Pegel in einem Jahr mal gefallen, dann wieder gestiegen. Seit ein paar Jahren aber fällt er nur noch, das macht ihm ernsthafte Sorgen.

Auch 2021 eher unterdurchschnittliche Niederschläge

Das Jahr 2021 war endlich kein Dürrejahr mehr. Grund zur Entwarnung gebe es dennoch nicht, sagt Jörg Rechenberg, der im Umweltbundesamt (UBA) das Fachgebiet II "Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden“ leitet:
„Das Jahr 2021 war in der Summe kein feuchtes Jahr. Wenn man sich die Monatsberichte des Deutschen Wetterdienstes genauer anschaut, hat die Mehrzahl der Monate gegenüber dem langjährigen Mittel eher unterdurchschnittliche Niederschläge gehabt. Lediglich die Sommermonate waren überdurchschnittlich.
Und in den Sommermonaten ist das Wasser auch, das haben wir alle leidvoll erfahren, als Starkregen niedergegangen. Das heißt, es hat zur Grundwasserneubildung eigentlich wenig beigetragen. Denn Starkregen fließt oberflächlich und schnell ab und versickert eben nicht langsam in das Grundwasser.“
Für die Landwirtschaft und auch für die Wälder bedeutete der Sommer 2021 allerdings eine Verschnaufpause. Auch der Wald, in dem die Holzhütte von Markus Schmitz mit dem Tiefbrunnen steht, hatte das Wasser nötig. Für das Grundwasser sind aber die Wintermonate entscheidend, denn dann versickert das Wasser und wird nicht von den Pflanzen aufgenommen.

Kürzere Winter sind für das Grundwasser ein Problem

Diese Versickerungsphase ist kürzer geworden, denn durch den Klimawandel wird diese Wachstumsphase der Pflanzen länger. Der Winter endet früher und fängt später an. Das ist ein Grund für die fallenden Pegel. Schmitz geht davon aus, dass der Trend weitergeht und dass man sich darauf vorbereiten muss.
„In der Fläche oder beziehungsweise im gesamten Grundwasserleiter ist das schon bedenklich, ein bedenklicher Trend, also… Die 20 Zentimeter sind von der Versorgung noch kein Problem. Aber der Trend ist das Problem. Wenn der so weitergeht und das sind ja wirklich Ressourcen, wo man sagt, da sind wir schon ziemlich weit. Also hundert Meter, 98 Meter sind es jetzt konkret wo wir stehen. Also da zapft man schon Ressourcen an, die eigentlich schon für Generationen eigentlich gedacht sind.“
Schmitz und seine Leute mussten so tief bohren, weil das Wasser weiter oben mit den Resten von Pflanzenschutzmitteln verseucht ist. In den alten Brunnen, die nicht so tief waren, wurde ein Abbauprodukt eines Pestizids nachgewiesen, mit dem man vor 30 Jahren den Mais behandelt hat.

Immer mehr Anträge auf Tiefenwasser werden abgelehnt

Die Grenzwerte wurden zwar noch eingehalten, aber man wollte kein Risiko eingehen und hat das obere Wasser ausgesperrt, wie er sagt. Jetzt wird nur das tiefe reine Wasser gefördert. Schmitz ist froh, dass er diesen Brunnen hier bauen durfte, denn die bayerischen Wasserbehörden sind in den vergangenen Jahren immer restriktiver geworden und lehnen Anträge auf Tiefenwasser auch mal ab.
„Aber es kommt vielleicht eine Situation, wo man sagt, genehmigt man dem oder genehmigt man dem? Wer hat jetzt eigentlich das Recht auf so einem Tiefbrunnen? Der Mineralbrunnen? Oder mehr der öffentliche Wasserversorger? Das sind Sachen, die die Politik natürlich klären muss. Aber irgendwie steuert man auf so was zu, glaube ich.“
Auf einem eingezäunten Gelände in der Nähe einer Baumgruppe stehen Baumaschinen und runde blaue Tanks.
Ein unscheinbar aussehendes Projekt sorgt für Ärger in Lüneburg: Coca-Colas Probestelle für einen neuen Brunnen zur Mineralwassergewinnung.© picture alliance
Am anderen Ende der Republik, in Lüneburg, gibt es schon heute so einen Konflikt. Coca-Cola fördert hier aus zwei Tiefbrunnen Wasser und verkauft es als Mineralwasser. Anfang 2021 hat das Unternehmen mit Testbohrungen für einen dritten Brunnen begonnen, mit dem Ziel, jährlich bis zu 350 Millionen Liter Wasser aus 195 Metern Tiefe zu fördern. Das entspricht einer Verdopplung der bisherigen Menge. Um das zu verhindern, hat sich 2020 die Bürgerinitiative „Unser Wasser in Lüneburg“ gegründet. Karsten Riggert und Marianne Temmesfeld sind Mitglieder. Die beiden stehen vor dem Werk am Rande von Lüneburg.
„Hier wird das Tiefengrundwasser in Plastikflaschen gefüllt und für x-tausendfachen Gewinn, angeblich nur in Deutschland, gesehen aber weltweit, verkauft“, sagt Marianne Temmesfeld.

Hat Daseinsvorsorge immer Vorrang?

Für einen Kubikmeter Wasser zahlt der Konzern 18 Cent. Ein Kubikmeter sind 1000 Liter, also 2000 kleine Halbliterflaschen Wasser, die dann in Geschäften verkauft werden.
„Aber die Daseinsvorsorge, die durch die Trinkwassergewinnung und durch die Landwirtschaft zuallererst gewährleistet werden müssen, steht natürlich im Gegensatz zu dieser kommerziellen Nutzung und auch zu diesen gigantischen Profiten, die mit unserem Wasser, das ja ein Allgemeingut ist und nicht eigentumsfähig ist, gemacht wird. Das kann so nicht akzeptiert werden.“
Temmesfeld verweist auf das Wasserhaushaltsgesetz, das in Paragraf 4 festschreibt: „Wasser eines fließenden oberirdischen Gewässers und Grundwasser sind nicht eigentumsfähig“.
Damit ist das Grundwasser keine Ware und darf nicht gehandelt werden. Aber es gibt auch andere Gesetze, die dazu im Widerspruch stehen. Die Mineralwasserverordnung zum Beispiel. Sie regelt, wie Wasser beschaffen sein, gefördert und abgefüllt werden muss, um anschließend als Mineralwasser verkauft werden zu dürfen. Auch andere können sich Wasserrechte sichern, die Landwirtschaft etwa oder die Industrie.

Auch die Landwirtschaft braucht mehr Wasser

Das Umweltbundesamt hat für das Umweltministerium im vergangenen Sommer eine Wasserstrategie erarbeitet. Sie soll die Grundlage für eine künftige Strategie der Bundesregierung sein. Jörg Rechenberg und seine Kollegen im UBA wollen Deutschland damit in Sachen Wasserversorgung zukunftsfest machen. Denn solche Konflikte wie in Lüneburg werden häufiger, wie Rechenberg erklärt:
„Insbesondere in den Sommermonaten – das hat die Trockenheit 2018 bis 2020 gezeigt – spitzt sich das zu, wenn als neuer Akteur die Landwirtschaft auf den Plan tritt und Bewässerungswasser benötigt. Das hat sie nämlich bisher praktisch nicht. Da waren die Notwendigkeiten bisher gering, weil der Regen auskömmlich war. Das ist jetzt aber im Sommer in einigen Jahren nicht mehr gewesen, sodass es eben verstärkt Überlegungen vonseiten der Landwirtschaft gibt, künstlich zu bewässern.“
Wenn es im Sommer sehr heiß ist, wollen alle Wasser und die maximal genehmigten Fördermengen ausschöpfen. Und das bringt Probleme. In manchen Regionen wurde der Verbrauch in den Dürresommern schon rationiert.
„Das ist natürlich genau in der Jahreszeit, wo die Ökosysteme ohnehin schon unter Trockenheitsstress leiden. Und wenn ihnen dann noch zusätzlich das Grundwasser entzogen wird, haben wir ein Problem. Und genau diese saisonalen regionalen Trockenheiten abzubilden und dort eine Hierarchie festzulegen: Wer bekommt unter Dürre-Gesichtspunkten wie viel Wasser? Das ist die Kunst, die die Wasserstrategie jetzt angehen will – mit Leitlinien, mit Indikatoren, mit Hinweisen, wie man priorisieren muss.“

Statt Mineralwasser lieber Leitungswasser trinken

Wenn alle so viel fördern wie möglich, droht in Lüneburg Gefahr für das ganze Grundwasser, befürchten Marianne Temmesfeld und Karsten Riggert. Denn hier gibt es Salzstöcke im Boden – die sind nicht fest als Kristall, sondern gallertartig – auch in der Nähe des Grundwasserleiters. Wenn alle Brunnen auf voller Kraft Wasser fördern, dann befürchten sie, dass dieser starke Sog Salz aus den Salzstöcken ins Grundwasser zieht und es versalzt. Für die beiden steht fest, wer im Konfliktfall als erstes reduzieren soll: die Mineralbrunnen. Denn in ihren Augen ist das Geschäft mit dem Wasser schädlich. Mineralwasser habe zwar durchaus seine Daseinsberechtigung, sagt auch Kartsten Riggert. Aber nur in wenigen Ausnahmefällen, für Säuglingsnahrung beispielsweise. Nicht aber als Massenware:
„Die CO2-Belastung, die durch die Produktion und Abfüllung von Mineralwasser entsteht, ist etwa 580-mal so groß wie die von Leitungswasser bei gleicher Qualität hier. Das heißt, jeder und jede, die einen Beitrag leisten möchte zur CO2-Minimierung, sollte auch als erste Maßnahme, die auch noch sehr viel Geld spart, Mineralwasser meiden und Leitungswasser trinken.“
Auf einem Parkplatz vor dem Coca-Cola-Werk in Lüneburg stehen ein Mann und eine Frau.
Marianne Temmesfeld und Karsten Riggert - zwei Lüneburger, die gegen den neuen Brunnen von Coca-Cola kämpfen.© Deutschlandradio / Manuel Waltz
Das Wasser, das hier abgefüllt wird, landet vor allem in Einwegflaschen aus Plastik – und die haben eine sehr schlechte CO2-Bilanz. Außerdem vergrößern sie das Müllproblem. Riggerts Rechnung lautet daher, mehr Wasser durch den neuen Brunnen, mehr CO2, mehr LKW-Verkehr und mehr Müll. Das will er mit der Bürgerinitiative verhindern:
„Diese Ausweitung der Entnahmemenge wird natürlich begründet mit einem Antrag, und da heißt es dann eben so schön: Zur Sicherung der qualitativen und quantitativen Versorgungssicherheit wäre das nötig. Zunächst einmal muss man da über den Begriff 'Versorgung' stolpern, denn die Mineralwasser Konzerne versorgen hier niemanden. Der Versorgungsauftrag mit Trinkwasser obliegt den Kommunen per Grundgesetz, und den erfüllen sie auch zuverlässig. Die Mineralwasser-Konzerne bieten ein Luxusgetränk zu einem erhöhten Preis an.“

Entscheidungen auf Basis veralteter Daten

Wenn ein Unternehmen Wasser fördern will, muss es nachweisen, dass das Feuchtgebiete oder Flüssen nicht schädigt. Und dass man nur so viel Grundwasser entnimmt, wie sich wieder neu bildet. Dazu bedient man sich langer Zeitreihen, um jährliche Schwankungen auszuschließen. Man schaut also, wie viel Grundwasser sich in einem Zeitraum von 30 Jahren jährlich neu bildet und vergleicht das mit der Menge, die entnommen werden soll. So sieht das der Grundwasser-Bewirtschaftungserlass vor. Diese Daten sind allerdings alt und überholt, Veränderungen durch den Klimawandel sind nicht berücksichtigt. Das ist ein Problem, findet auch Jens Böther, Landrat in Lüneburg. Seine Behörde entscheidet, wer wieviel Wasser bekommt.
„Dieser Grundwasser-Bewirtschaftungserlass greift in der derzeitigen Gültigkeit auf Werte von 1960 bis 1990 zurück“, sagt Böther. „Und ein Kritikpunkt, der an uns herangetragen wurde und den wir auch durchaus mittragen, ist: Sind diese Zeitreihen noch eine gute Grundlage, um heute eine wasserrechtliche Erlaubnis dann letztendlich auch zu erteilen?“

Coca-Cola verzichtet vorerst auf den neuen Brunnen

Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das nicht der Fall ist. Die Grundwasserpegel fallen seit etwa 2013 fast überall in Deutschland. Wegen der veralteten Datenreihen spielt das aber bei den Wasserbehörden noch keine Rolle, sie enden 1990. Doch durch den Druck der Bürgerinitiative ändert sich hier in Lüneburg nun etwas.
„Da haben wir mit dem Land auch mit dem Land Niedersachsen, das ist unsere Fachaufsichtsbehörde, auch eine Verständigung dahingehend erreicht, dass das Land Niedersachsen an einer Aktualisierung dieses Erlasses arbeitet und auch eine Prognose in die Zukunft mit eingebaut werden soll“, so der Landrat.
Coca-Cola hat Mitte Januar verkündet, vorerst auf einen dritten Brunnen zu verzichten. Der Markt für Mineralwasser sei rückläufig, der dritte Brunnen erst einmal nicht nötig. Die Bürgerinitiative um Marianne Temmesfeld und Karsten Riggert freut sich über die Entscheidung, will aber weiterkämpfen, bis die Absage endgültig und nicht nur vorläufig ist. Sie wollen das Grundwasser unter Lüneburg für künftige Generationen erhalten und verhindern, dass zu viel gefördert wird.
Blick über den Rand des ehemaligen Braunkohletagebaus Cottbus-Nord auf das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde, wo Wasserdampf aus dem Kühltürmen steigt.
Ein riesiger künstlicher See soll hier in der Lausitz bis 2025 entstehen. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild / Patrick Pleul
Solche Fragen spielen in der Lausitz dagegen überhaupt keine Rolle. René Schuster von der Grünen Liga wäre froh, wenn er sich nur damit befassen müsste. Er steht am Rand von Cottbus an einem großen Loch, das zum Teil mit Wasser gefüllt ist. Dahinter sieht man Kühltürme, aus denen Dampfwolken steigen.
„Das ist das Kraftwerk Jänschwalde und davor ist jetzt diese riesige Fläche, die mal der Seeboden werden soll. Wo das Wasser schon steht, ist nur der tiefe Bereich, dieser sogenannte Rand-Schlauch. Der ist bis zu 50 Meter tief. Der größte Teil des Sees soll aber praktisch eine Flachwasserzone sein. Wo man also diese Tagebau-Kippen mit zwei bis drei Metern Wasser überstauen will.“

Tagebaurestlöcher fluten ist billiger als rekultivieren

Das Loch war einmal der Braunkohle-Tagebau Cottbus-Nord. Jetzt soll er zu einem See werden. 126 Millionen Kubikmeter Wasser plant man dafür ein - dazu noch einmal so viel, um die entwässerte Erde wieder aufzufüllen. Insgesamt 256 Millionen Kubikmeter. 80 Prozent davon sollen aus der Spree abgezweigt werden, die restlichen 20 Prozent soll nachfließendes Grundwasser liefern. In einer Region, die ohnehin schon trocken ist und immer trockener wird:
„Das ist offensichtlich auch die billigste Variante für den Tagebaubetreiber, ein Loch zu hinterlassen, was man mit Wasser volllaufen lassen kann, solange das Wasser kommt und nichts kostet“, so Schuster.
„Und das ist so, wenn man in das brandenburgische Wassergesetz guckt. Und in Sachsen ist es nicht groß anders geregelt. Dann ist also das Abpumpen des Grundwassers praktisch kostenlos, wenn man es in die Spree leitet, und verbilligt, wenn man es für die Kühltürme benutzt. Und das Wasser, was man der Spree wieder entnimmt und Tagebaurestlöcher zu fluten, das ist auch kostenlos. Deswegen ist natürlich ein Hektar geflutete Fläche für die LEAG billiger als ein Hektar rekultivierte Fläche, wo sie also meliorieren müssten, wo sie Standsicherheit herstellen müssten.“

Eingriff in den Wasserhaushalt der Region

Wasser ist in der gesamten Laufzeit eines Tagebaus ein wichtiger Faktor. Die Kohle liegt meist in einer Tiefe zwischen 50 und 100 Metern. Hier waren es etwa 50 Meter. So tief muss der Betreiber das Grundwasser absenken, damit die Bagger im Trockenen stehen. Wenn man die Erde aufschneiden würde, sähe der Grundwasserpegel dann wie ein Trichter aus: Die tiefste Stelle in der Mitte ist der Tagebau, von den Seiten her fließt Wasser nach und muss abgepumpt werden: Jahrzehnte lang, Millionen von Kubikmeter. Ein schwerwiegender Eingriff in den Wasserhaushalt der Region, der sogar noch subventioniert wird, beklagt René Schuster.
„Ein normales Wasserwerk in Brandenburg, ein kommunales Wasserwerk, das Trinkwasser herstellt, zahlt etwa zehn Cent pro Kubikmeter Grundwasser, den es aus der Erde nimmt. Und es nimmt auch nur so viel aus der Erde, wie in dem entsprechenden Wasserkörper neu gebildet wird. Der Tagebau pumpt das Grundwasser, was da ist, einfach weg. Also die statischen Grundwasservorräte werden in Anspruch genommen. Und dafür zahlen die auch noch weniger als die, die weniger Schaden machen. Das ist schwer zu verstehen, ist aber seit den 90er-Jahren immer so gewesen.“
Lange Zeit haben die Betreiber der Gruben damit geworben, dass Strom aus Braunkohle frei von Subventionen sei. Das sei nicht die Wahrheit gewesen, sagt René Schuster. Denn gerade beim Wasser, aber auch bei anderen Regelungen werde den Konzernen Kosten erlassen.
„Es wäre wahrscheinlich nie wirtschaftlich gewesen, wenn man alle Ressourcenkosten eingepreist hätte. Wenn das abgepumpte Grundwasser auch zehn Cent pro Kubikmeter gekostet hätte, hätte es in Brandenburg dem Land immer um die 20 Millionen Euro pro Jahr gebracht, weil das immer so die Größenordnung 200 Millionen Kubikmeter war. Jetzt nimmt es ja langsam ab.“

Die Chemie der Böden ist gestört

Der Kohleausstieg und das Ende der Tagebaue rücken näher. Damit entstehen aber wieder neue Probleme. Der ganze Wasserhaushalt ist für Jahrhunderte gestört, prophezeit René Schuster von der Grünen Liga:
„Der Bodenschatz Grundwasser wird praktisch zerstört. Denn das, was hinterher hier ist, ist chemisch verändert durch den Bergbau, durch die Tagebau-Kippen. Versauerung, hohe Eisen- und Sulfat-Anteile sind dann die Regel.“
Das könne man an den Stellen in der Region beobachten, in denen die Tagebaue schon stillgelegt sind. Das Grundwasser fließt langsam wieder nach und füllt die trockenen Räume unter der Erde. Allerdings ist die gesamte Chemie der Böden dann gestört, weil alles umgegraben wurde und Luft an Stellen kam, die eigentlich luftdicht verschlossen waren. Dadurch lösen sich Eisen und Sulfat, die das Wasser auswäscht.
„Beim aktiven Tagebau schickt man dieses abgepumpte Grundwasser durch Reinigungsanlagen. Da kann man das Eisen sehr gut entfernen, das Sulfat allerdings nicht. Deswegen stammt die Sulfatbelastung in der Spree überwiegend aus den aktiven Tagebauen. Und wenn die dann irgendwann mal stillgelegt werden und das Grundwasser wieder angestiegen sein wird – das ist dann Jahrzehnte nach der Stilllegung – dann drückt das sozusagen als diffuse Quelle, das sickert einfach von der Seite ins Gewässerbett. Und es gibt nicht den einen Punkt, wo man es durch eine Rohrleitung und eine Reinigungsanlage führen könnte. Dann kommt also auch aus den jetzt aktiven Tagebauen das Eisen zwangsläufig in den Fließgewässern an.“
Der Cottbuser Ostsee
Der Wasserstand steigt langsam im ehemaligen Braunkohletagebau Cottbus-Nord, dem künftigen Cottbuser Ostsee (Luftaufnahme mit einer Drohne).© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild
Die hohe Sulfatbelastung macht das Wasser sauer. Das Eisen führt zur sogenannten Verockerung. Das heißt, eine braune, schlammige Masse setzt sich am Grund ab und legt sich über alles. Die Pflanzen sterben ab, weil sie kein Licht mehr bekommen. Man versucht dessen Herr zu werden, in dem man das Wasser der Spree staut, dann steht es für eine gewisse Zeit, das Eisen flockt aus und sinkt auf den Boden. In regelmäßigen Abständen wird es dann aus dem Staubecken abgebaggert und entsorgt. Die Verschmutzung sei jedoch nur das eine, sagt René Schuster. Das andere der Verbrauch: Denn man benötige sehr viel Wasser, um so ein Loch, wie das des künftigen Cottbuser Ostsees zu füllen.
„Und das erzeugt dann, wenn es mal irgendwann voll ist, eine riesige Verdunstungsfläche. Das ist alles Wasser, was in heißen Sommern dann hier praktisch verloren geht und nicht in der Spree ankommt. Man hat ja ein Einzugsgebiet, aus dem sich das Wasser der Spree speist. Also der Anteil des Einzugsgebietes, der vorher durch einen Cottbuser See kommt, da wird das Wasser reduziert, bevor es in der Spree ankommt.“

Seen, die immer wieder nachgefüllt werden müssen

Dieser See soll laut Planung der LEAG Mitte der 2020er-Jahre voll sein. Dann folgen noch weitere in den jetzt aktiven Tagebauen. Diese Seen sollen noch deutlich größer werden als der Ostsee. Das werde nicht klappen, sagt Schuster. Das Wasser dafür gebe es schlicht nicht mehr. Und selbst wenn, schaffe das wieder neue Probleme.
„Diese Seen sind von vornherein als Wasser-Zehrgebiete konzipiert. Das heißt, man hat bei der Planung in Kauf genommen, dass sie Verdunstungsverluste haben und dass man sie praktisch immer wieder nachfüllen muss, entweder aus dem Grundwasser oder aus der Spree. Und das werden wir uns in der Form nicht mehr leisten können."
Schuster fordert daher, die Seen viel kleiner und tiefer zu machen, um die Verdunstung zu reduzieren, und die Tagebaue schneller stillzulegen als bisher geplant. Dadurch würden die Löcher nicht noch größer und es würden weniger Schadstoffe ausgespült. Jeder weitere Tag Tagebau vergrößere die Wasserprobleme in der Lausitz, sagt Schuster. Und nicht nur hier. Auch in Berlin, denn die Stadt bezieht ein Drittel ihres Trinkwassers durch Uferfiltrat aus dem Müggelsee, den die Spree durchfließt. Schon heute kämpfen die Wasserwerke Berlin mit der hohen Sulfatbelastung aus der Lausitz.

Was passiert, wenn die Pumpen abgestellt werden?

Ein weiteres Problem, darauf weist Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt hin, ist, dass ein beachtlicher Teil des Wassers der Spree Grubenwasser aus der Lausitz ist. Also Grundwasser, das der Betreiber der Tagebaue abpumpt und dann in die Spree leitet. Der Anteil beträgt an manchen Tagen 70 Prozent.
„Da muss man eben sehen, dass diese Sümpfungen, diese Grundwasserentnahmen das Abpumpen des Grundwassers ja im Moment durchaus der Spree und den umliegenden Gewässern zugutekommen und dort einen Teil des Bedarfes dort darstellen, sicherstellen“, so Rechenberg. „Wir müssen uns überlegen: Was passiert eigentlich, wenn die Pumpen eines Tages abgestellt werden? Und da laufen derzeit großangelegte Forschungsvorhaben, die versuchen, das zu modellieren.“
Die Spree fließt über Gebiete, in denen das Grundwasser abgesenkt wurde, sie liegt dann nicht mehr auf dem Grundwasser. Dadurch versickert ein erheblicher Teil ihres Wassers im Boden. Wenn jetzt in wenigen Jahren kein Grundwasser mehr in die Spree geleitet wird, ist nicht sicher, ob es die Spree überhaupt bis nach Berlin schafft.
„Wir hatten ja schon in trockenen Jahren durchaus die Tendenz, dass sie teilweise rückwärts geströmt ist“, sagt Rechenberg. „In einer Kombination von Trockenjahren und nachlassender Grundwasser-Sümpfung muss man sich von daher schon Gedanken machen, wie man den Spreewasserhaushalt aufrechterhält.“
«Wasser-Schutzgebiet» steht auf auf einem Schild zur Zufahrt zum Baugelände der Tesla Gigafactory östlich von Berlin.
Auch beim Bau der Tesla Gigafactory in Grünheide östlich Berlin gibt es große Konflikte ums Wasser.© picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild / Patrick Pleul
Das neue Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin ist Schauplatz eines weiteren Konflikts ums Wasser. Manuela Hoyer vom Verein für Natur und Landschaft in Brandenburg hält die Ansiedelung hier aus zwei Gründen für einen Fehler: Erstens sei das ein Wasserschutzgebiet und zweitens sei die Region zwar ein gewässerreiches, aber dennoch wasserarmes Land. In den Sommermonaten verdunstet manchmal mehr als nachkommt. Das sei eigentlich das Kriterium für einen Wüstenstatus, betont Manuela Hoyer.
„Die Bevölkerung hier wird seit Jahren aufgefordert, Wasser zu sparen, weil nicht genug Wasser da ist, gerade auch in den Dürresommern. Da kommt dann der reichste Mann der Welt, und der kriegt Wasser ohne Ende? Das kann ja nicht sein."

Ein Wasserschutzgebiet mit hohen Auflagen

Der Wasserverband Strausberg-Erkner will zur Versorgung des Werks eine Millionen Kubikmeter Wasser zusätzlich fördern. Das wurde Tesla zugesagt, ohne dass es dafür eine Genehmigung gibt. Das viele Wasser ist nötig, weil das Werk keinen geschlossenen Wasserkreislauf hat, bei dem das verbrauchte Wasser gereinigt und wiederverwendet wird – eigentlich der Stand der Technik.
Außerdem liegt das Werk in einem Wasserschutzgebiet, für das hohe Auflagen gelten. Denn unter der Fabrik fließt ein Grundwasserleiter, aus dem auch Berlin versorgt wird. Die Folgen eines Unfalls, durch den chemische Stoffe in den Boden gelangen, wären fatal, fürchtet Hoyer.
„Es ist letztlich eine Chemiefabrik, weil da werden Stoffe verwendet, die wir noch gar nicht alle kennen, weil die nämlich in den Antragsunterlagen geschwärzt sind, mit dem Hinweis auf Betriebsgeheimnis. Unsere Angst besteht darin, dass letztlich Schadstoffe in den Boden gelangen, weil die auch keine Sicherheitsstufen eingebaut haben.
Also zum Beispiel unter der Lackiererei, dass dort irgendwelche Dioden angebracht sind oder Folien, die sofort Alarm schlagen, wenn Giftstoffe in den Boden gelangen. Das haben die nicht gemacht, dafür haben die auch keine Auflagen gekriegt. Ich verstehe nicht, wie so mit der mit der Umwelt umgegangen wird.“

Für die Wirtschaft alle Augen zugedrückt

Das Werk wurde mit vorläufigen Genehmigungen gebaut, auch das ist ein Kritikpunkt der Umweltaktivistin. Denn die Fabrik solle um jeden Preis eine wirtschaftspolitische Erfolgsgeschichte für die brandenburgische Landesregierung werden. Dafür habe man alle Augen zugedrückt.
„Es gibt eine Trinkwasserschutzverordnung. In dieser Trinkwasserschutzverordnung steht drin, dass es verboten ist, Pfähle in den Boden zu rammen. Es ist verboten! Es wird alles gemacht. Es ist verboten, in einem Trinkwasserschutzgebiet Bomben zu sprengen. Die ganzen Bomben, die sie da gefunden haben, haben sie vor Ort gesprengt. Ich frage mich manchmal: Warum haben wir eigentlich Gesetze, wenn die Politik sie nicht einhält?“

Nitrat und Pflanzenschutzmittel im Grundwasser

Bei chemischen Stoffen in einem Grundwasserleiter kann Markus Schmitz im bayerischen Landshut auch mitreden. Er ist in seinen Wagen gestiegen und fährt durch den Wald zurück. Die meisten seiner Kollegen kämpfen mit zu viel Nitrat im Grundwasser vom übermäßigen Düngen. Bei ihm sind es die Reste von Pflanzenschutzmitteln.
„Tja, wir haben jetzt halt drei neue Brunnen gebohrt und tiefer gebohrt. Es gibt da die Möglichkeit das aufzubereiten, aber das ist halt einfach ja wieder eine Kostenfrage“, sagt Schmitz. „Du brauchst extra eine Aufbereitungsanlage mit Aktivkohle, und diese Aktivkohle kann solche Stoffe herausfiltern. Aber die Aktivkohle muss dann wieder regeneriert werden. Das heißt, man hat laufende Kosten: Die wird dann ausgebrannt. So nennt man das. Das heißt, wenn die beladen ist mit Stoffen, dann muss die wieder irgendwo abgeholt werden, eine neue gebracht werden. Es ist alles nicht so einfach.
Dann musst du, wenn man eine Aktivkohleanlage hat, um einfach kein Keimrisiko - es können sich auf der porösen Fläche Keime bilden - eine UV-Anlage gleich hinterher also mit ultraviolettem Licht, dass man das wieder abgetötet kriegt, falls da Keime drin sind. Also man merkt: In dem Moment, wenn man im Zeitalter des Anthropozän, wenn man da etwas einbringt, hat man auf alle Fälle keine Kontrolle mehr, sondern muss irgendwie schauen, dass man es dann wieder hinbiegt. Das wird teuer und es wird kompliziert. Also hoffentlich brauchen wir so etwas nicht.“

Die Zeche zahlen die Verbraucher

Teuer wird es dann vor allem für die Verbraucher. Die öffentlichen Wasserversorger arbeiten nicht gewinnorientiert, müssen die Wasserpreise aber kostendeckend kalkulieren. Wenn sie verunreinigtes Wasser aufwendig reinigen müssen, legen sie die Kosten dafür auf dem Wasserpreis um. Eigentlich gilt das Verursacherprinzip. Wer das Grundwasser verunreinigt, müsste das dann auch bezahlen. Das ist aber in vielen Fällen kaum umzusetzen.
„Vor über 30 Jahren, habe ich mir sagen lassen, ist das Mais-Herbizid Atrazin verboten worden. Aber Wasser hat ein langes Gedächtnis. Das hat sich mittlerweile zum Desethylatrazin abgebaut, und dann ist es schon langsam durchgesetzt. Also befindet sich da in diesem oberflächennahen Grundwasser-Leiter drin. Wenn es drin ist, ist es drin, da kann ich es nur, ja, mit Technik wieder versuchen rauszubringen. Aber wir sollten jetzt schauen - jetzt bin ich wieder bei dem Stichwort Politik - dass man es erst gar nicht so weit kommen lassen, dass man so gewisse Sachen runterziehen lässt, in das Grundwasser.“
Die Wasserversorger fordern schon lange, das Verursacherprinzip besser durchzusetzen und vor allem besser zu untersuchen, welche Stoffe ins Grundwasser gelangen können und was dann passiert. Wegen kurzfristiger Interessen passiert das leider oft nicht. Denn es verursacht Kosten, die sich aber in der Zukunft auszahlen, so sieht das Markus Schmitz.
„Unser Wasser müsste es uns allen wert sein, denn es ist eine nicht unendliche Ressource. Wir haben nur diesen Schatz. Und wenn der mal nicht mehr da wäre, dann… klar, muss man da Geld in die Hand nehmen. Aber ich meine, da geht es um das Elementarste, was wir halt brauchen zum Leben.“

Mitwirkende
Sprecher: Rosario Boner
Ton: Martin Eichberg
Regie: Stefanie Lazai
Redaktion: Martin Hartwig

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