Gigafactory in Grünheide

Wasserknappheit wegen Tesla?

10:57 Minuten
Die Lauftaufnahme mit einer Drohne zeigt eine große Baustelle. Im Vordergrund sind über hundert Autos geparkt, dann kommen Container, dahinter erhebt sich das Fabrikgebäude.
Die Baustelle der Tesla Gigafactory im brandenburgischen Grünheide. Die endgültige Genehmigung für die Fabrik durch die Behörden steht noch aus. © picture alliance/ dpa-Zentralbild / Patrick Pleul
Von Christoph Richter |
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Das Tesla-Werk in Brandenburg soll so viel Wasser wie eine 40.000-Einwohner-Stadt benötigen, mitten in einer der trockensten Regionen Deutschlands. Bald muss ein Gericht entscheiden, ob diese zusätzliche Wassermenge tatsächlich gefördert werden darf.
"Die Mehrheit der Bevölkerung hat Sorge, dass das Wasser knapp werden könnte", sagt eine Anwohnerin im Januar auf dem Marktplatz in Grünheide. Grünheide ist eine 9000-Einwohner-Gemeinde im Berliner Speckgürtel, die nun weltweit in den Schlagzeilen ist. Denn in direkter Nachbarschaft der brandenburgischen Kommune entsteht das europaweit erste Autowerk des US-Milliardärs Elon Musk.
Der immens hohe Wasserverbrauch, den der US-Autobauer Tesla für seine Gigafactory angemeldet hat, ist immer wieder der Aufreger im Ort. Viele Anwohner sind in Sorge, dass es bald nur noch aus dem Wasserhahn tröpfelt.
Die Stimmung ist gereizt. Dass am Rand des idyllischen Berliner Urstromtals, in einer wald- und seenreichen Gegend und in einem Wasserschutzgebiet, eine Autofabrik gebaut wird, stört hier viele Anwohner.
„Ick habe Befürchtungen, dass ich bald gar kein Wasser mehr habe“, sagt ein erboster Mittfünfziger, der – wie alle anderen Anwohner auch – seinen Namen nicht nennen will. Im vergangenen Jahr habe er erlebt, dass der Wasserdruck so gering war, dass nicht mal mehr die Klospülung funktioniert habe, erzählt er. Und bringt seine Sicht direkt und ungeschönt auf den Punkt. „Scheiß-Tesla.“
Andere schütteln bei der Wortwahl heftig mit dem Kopf und sehen den hohen Wasserverbrauch weniger problematisch. „Quatsch. Ich seh das nicht so, dass Tesla irgendein Problem bringt. Ich find das gut. Ich find das albern, dass sich da alle immer so aufregen.“

Klage gegen das Landesamt für Umwelt

In den Genehmigungsunterlagen ist von einem jährlichen Spitzenverbrauch von 1,4 Millionen Kubikmetern Wasser die Rede. Das entspricht etwa dem Jahresbedarf einer Stadt mit 40.000 Einwohnern. Benötigt wird das Wasser vor allem für das Presswerk, die Lackiererei, die Batteriefertigung und auch für Löschwasser, falls es im Werk mal brennen sollte.
Zwei Umweltverbände haben jedoch im Sommer letzten Jahres Klage gegen das Landesamt für Umwelt eingereicht. Der Grund: 2020 hatte das Amt eine Erhöhung der Fördermenge für das Wasserwerk Eggersdorf genehmigt, von dem unter anderem auch Tesla Wasser beziehen würde.

Umweltrechtliche Prüfung

Allerdings ohne diese einer umweltrechtlichen Prüfung zu unterziehen, was gesetzlich vorgeschrieben sei, moniert Christiane Schröder, Geschäftsführerin des Nabu in Brandenburg.
„Uns geht es darum, dass die Umweltauswirkungen, die durch die Wasserentnahme in Eggersdorf hervorgerufen werden können, vollumfänglich, gut und gründlich untersucht werden, bevor es zu einer maßgeblichen Erhöhung der Wasserentnahme kommt. Weil das aus unserer Sicht ganz viele Beeinträchtigungen hervorrufen kann für einen sowieso schon nachhaltig beeinträchtigten Wasserhaushalt", erklärt Schröder.
Es gehe "darum, dass es hier eine vernünftige, offene Untersuchung gibt, welche Auswirkung das haben kann – um wirklich nachhaltig, langfristig auch die Trinkwasserversorgung für die Bevölkerung vor Ort zu sichern.“
Aus ihrer Sicht und der der beiden Kläger hat das Land Brandenburg diese Fördererlaubnis aber einfach ohne die erforderliche Prüfung erhöht. Nur so hätte der Wasserverband Strausberg-Erkner dem neuen Großkunden Tesla den angemeldeten Wasserbedarf zusichern können.

Eine der trockensten Regionen Deutschlands

Deshalb schauen nun alle Beteiligten im Tesla-Genehmigungsverfahren mit Spannung nach Frankfurt an der Oder. Dort wird demnächst das Verwaltungsgericht über die Höhe der Wasserförderung verhandeln.
Der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner, kurz WSE, warnt: Wenn die Genehmigung gekippt werde, komme man in Schwierigkeiten, Tesla die zugesagte Wassermenge zu liefern.
Auf der Webseite des WSE heißt es: „Wenn durch das Handeln der zuständigen Landesbehörde die erteilte Genehmigung […] in Frage steht, dann fehlen dem Verband rund 4 Mio. m³ Grundwasser-Entnahmemengen. Damit wird die öffentliche Trinkwasserversorgung für 170.000 Menschen im Verbandsgebiet gefährdet. Kurz gesagt: Kein Wasser, kein Tesla!"
Die Gegend entlang der Spree – also genau da, wo auch Grünheide liegt – gehört zu den trockensten und wärmsten Regionen in Deutschland, so das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau.

Nicht genug Wasser für ein Rechenzentrum

Eine stabile Wasserversorgung in der Region werde daher zunehmend zu einem Problem, sagen Wasserexperten wie beispielsweise vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei.
Deutlich macht das der Fall der brandenburgischen Gemeinde Neuenhagen. Sie liegt nur 20 Autominuten von der neuen, noch immer nicht genehmigten Tesla-Autofabrik entfernt. Dort hatte nach Angaben des Landkreises das US-Tech-Unternehmen Google ursprünglich geplant, ein Rechenzentrum zu bauen. Der angegebene jährliche Wasserverbrauch: 1,4 Millionen Kubikmeter.
Nach Tesla sollte es die zweite große Ansiedlung in der Region werden. Daraus wird nun nichts. Der Wasserverband Strausberg-Erkner kann die geforderte Wassermenge nicht bereitstellen.
„Da muss man sehen, ob man mit möglichst wenig Emotionen die Sachen fachgerecht abwickelt. Und dann nach neuen Lösungen sucht“, kommentierte kürzlich die Stellvertreterin des Bürgermeisters von Neuenhagen, Christiane Fälker, die Entscheidung. Gerne hätte man das Unternehmen Google in Neuenhagen gehabt, ergänzte sie noch.

Angewiesen auf stabile Wasserversorgung

Der Zugang zu Wasser wird künftig ein entscheidendes Kriterium sein, ob sich in Zukunft überhaupt noch Unternehmen in der Region ansiedeln, die viel Wasser verbrauchen.
Mit Verantwortlichen mittelständischer Unternehmen in Ostbrandenburg ins Gespräch zu kommen, um über die aktuelle – die angespannte – Wassersituation zu sprechen, ist nahezu unmöglich. Anfragen werden selten beantwortet. Nicht so beim international agierenden Unternehmen Prefere Resins, einem der führenden europäischen Phenolharzhersteller, mit Sitz in Erkner, einem Nachbarort von Grünheide.
Phenolharze seien letztlich industrielle Hochleistungskleber, erklärt Elmar Boeke, der CEO des Unternehmens. Eine Art Superkleber, den man etwa bei der Herstellung von Furnierschichtholz, für Dämmstoffe, für Bremsbeläge oder Schleifmittel benötigt. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen den Innovationspreis des Landes Brandenburg verliehen bekommen.
Man sei auf eine stabile Wasser-Versorgung angewiesen, erklärt Physiker Boeke. Diese sei insbesondere aus Sicherheitsgründen unerlässlich. Wenn der Wasserdruck abfällt, müsse man sofort die gesamte Produktion runterfahren. „Letztes Jahr hatten wir ein Beispiel, wo der Wasserdruck mal abgefallen war. Da haben wir hart gekämpft. Wir konnten die Industrieproduktion aufrechterhalten. Wir hängen schon davon ab, dass der Wasserdruck entsprechend da ist, dass unsere Produktion laufen kann.“
Viel mehr möchte Boeke dazu nicht sagen. Der zuständige Landrat will sich im Moment gar nicht zur Wasserproblematik äußern.

Fernwasserleitung von der Ostsee?

Anders Gernot Schmidt vom Nachbarlandkreis Märkisch-Oderland. Der Sozialdemokrat ist sich der angespannten Wassersituation bewusst. „Wir sind genau an dem Punkt, dass wir in unserer Region keine großen Industriegebiete mehr ausweisen können, weil wir nicht die Wassermengen haben. Dann wird es schwer mit der Moderne.“
Gernot Schmidt ist ein Mann der Tat. Den Wassermangel müsse man in den Griff bekommen, sagt er. Es gebe Überlegungen zum Bau eines Wasserwerks in Oder-Nähe. Auch eine Fernwasserleitung von der Ostsee müsse man andenken.
Falls das Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder in seinem Urteil zum Schluss kommt, die zusätzlich genehmigte Wasserförderung sei nicht rechtens – dann würde Landrat Schmidt wohl zum Äußersten greifen. „Dann werde ich kommunalrechtlich einschreiten. Bestimmte Fördermengen sind in der Daseinsvorsorge zu erbringen.“

Technologisch nachsteuern

Der Wasserverbrauch von Tesla, er birgt Konfliktstoff. Aber vielleicht auch neue Lösungen. Klar, die Wassersituation in der Region sei angespannt, betont Hydrogeologin Irina Engelhardt von der Technischen Universität Berlin. Sie forscht zu Regionen mit extremer Wasserarmut wie dem Mittelmeerraum.
Jetzt beschäftigt sich Engelhardt mit der Tesla-Region rings um Grünheide. Die Grundwasserneubildung sei dort mit 82 Millimeter im Jahr sehr gering, die Situation sei deutschlandweit nur in Sachsen-Anhalt noch angespannter. Das sei aber kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken, meint die Wissenschaftlerin: „Jetzt kann ich künstlich nachsteuern. Ich kann im Winter/Herbst Starkniederschlag auffangen, ihn gezielt in den Grundwasserleiter injizieren und im Sommer abpumpen.“

Potenzial Abwasser

Diese technologische Möglichkeit werde andernorts in der Welt bereits praktiziert und mache auch für Ostbrandenburg Sinn, sagt Engelhardt.
„Sehr am Herzen liegt mir ja die Wiederverwertung von Abwasser", nennt die Hydrogeologin eine weitere Möglichkeit. "Das macht man auf der Erde schon. Das ist eine sehr sinnvolle Technik, weil ich da Wasser in großem Maße bereitstellen kann.“
Gemeint ist die Einleitung gereinigten Abwassers in das Grundwasser. Doch diese Umsetzung brauche seine Zeit.

Zurückhaltung in der Politik

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) ist einer derjenigen, die das Projekt Tesla in Brandenburg entscheidend mit vorantreiben. Zu einem möglichen Urteil möchte er sich derzeit nicht öffentlich äußern. Ebenso wenig Umweltminister Axel Vogel (Grüne).
Stattdessen heißt es in einer E-Mail: „Die Landesregierung geht davon aus, dass ausreichend Wasserreserven für die erste Ausbaustufe Tesla und die weitere Trinkwasserversorgung zur Verfügung stehen.“
Wenn man an der Grünen-Basis nachfragt, um über Tesla und die Umweltauswirkungen zu sprechen, stößt man auf Schweigen. Selbst die Jugendorganisation der Grünen ist seltsam leise. Tammo Westphal, der Co-Vorsitzende der Grünen Jugend in Brandenburg, formuliert es so: „Wir lehnen Tesla nicht ab. Wir als Grüne Jugend haben größtes Vertrauen in den Minister. Und in seine Aussagen, dass die Wasserversorgung vor Ort gesichert ist.“

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