Unterwegs im Roboterauto
3.500 Verkehrstote im Jahr sind allein in Deutschland zu beklagen, 90 Prozent aller Autounfälle gehen auf menschliches Versagen zurück: Autonomes Fahren werde für mehr Sicherheit sorgen und die Zahl der Unfälle reduzieren, sagen Wissenschaftler.
"Während dieser Fahrt betätige ich kein Gas und keine Bremse, ich lenke quasi nur."
"Wir sehen, der Ampelzustand ist grün, jetzt schaltet er auf Rot um, das Fahrzeug merkt: Oh, es wird rot bei Erreichen – und bremst dann automatisiert bei der Ampel ab."
"Wir sehen, der Ampelzustand ist grün, jetzt schaltet er auf Rot um, das Fahrzeug merkt: Oh, es wird rot bei Erreichen – und bremst dann automatisiert bei der Ampel ab."
Claus Kaschwich lächelt zufrieden: Sanft und auf den Punkt genau ist das Versuchsfahrzeug vor der Ampel-Kreuzung zum Stehen gekommen. Der speziell ausgerüstete VW-E-Golf kann eigenständig beschleunigen und bremsen. Eine digitale Karte im Bordcomputer, Funksignale der Ampelanlage sowie zahlreiche ins Auto eingebaute Sensoren machen es möglich.
Während sein Kollege zumindest die Hände noch am Lenkrad hält und angespannt durch die Scheiben späht, verfolgt Kaschwich die Manöver auf dem Bildschirm seines Laptops.
"Jetzt war die Information, Sie können jetzt weiterfahren, weil nämlich die Ampel jetzt grün ist…"
Kaschwich ist Wissenschaftler am Institut für Verkehrssystemtechnik am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, kurz DLR, in Braunschweig. Sein Forschungsgebiet: das automatisierte und vernetzte Fahren. Das wird in der Löwenstadt intensiv erprobt.
Fahrten über schnurgerade Autobahnen mögen für Roboter-Autos bereits weitgehend beherrschbar sein. Sicher durch den Schilderwald einer Metropole zu navigieren, vorbei an wild kreuzenden Fußgängern und Radfahrern, das ist eine viel komplexere Aufgabe. Der Mensch reagiert auf solche Zustände intuitiv, sagt Kaschwich.
Niedersachsen will die Entwicklung beschleunigen
"Für uns besonders interessant, zu erfahren, wie das Fahrzeug reagieren muss, dass es für den Fahrer angenehm ist. Soll es ganz kurz vor der Ampel stark herunterbremsen, oder schon bei 50, 100 Metern anfangen, die Geschwindigkeit herunterzuregeln?"
Doch es geht nicht nur um mehr Komfort für den Menschen. Wenn er nicht mehr selbst fährt, geht es vor allem um Sicherheit. Nach der Vision der Automobilindustrie sollen die ersten selbstfahrenden Serienfahrzeuge bereits in wenigen Jahren auf den Markt kommen. Zumindest auf den Autobahnen wird automatisiertes Fahren dann möglich sein.
Das Land Niedersachsen, die DLR und die beiden Industriepartner Volkswagen und Continental wollen die Entwicklung rasant beschleunigen. Dazu soll es nun raus der Stadt und zusätzlich rauf auf eine insgesamt 280 Kilometer lange Teststrecke rund um das Braunschweiger Stadtgebiet gehen.
Karsten Lemmer, Vorstand für Energie und Verkehr im DLR, spricht von einem weltweit einzigartigen Testfeld:
"Wir haben in der Ost-West-Magistrale halt eben 'ne Autobahn, die sehr stark belastet ist, wo auch relativ viel Transit-LKW-Verkehr da ist, wir haben mit der Stadtautobahn auch noch mal eine besondere Situation mit sehr vielen Auf- und Abfahrten - und es geht eigentlich darum, diese vielfältigen verschiedenen Verkehrssituationen möglichst gut abzubilden."
Die letzte Verantwortung liegt beim Fahrer
Von den Testfahrten auf den Autobahnen 2, 7 und 39 werden andere Verkehrsteilnehmer kaum etwas mitbekommen, prophezeit Lemmer. Die komplizierte Technik verbirgt sich im Roboter-Auto nämlich zum Großteil im Kofferraum. Am Lenkrad sitzen Testfahrer, sie können im Notfall sofort eingreifen.
"Und Sie sehen jetzt das Angebot, dass das Auto automatisch fahren kann…"
So ganz ausschalten darf der Mensch sich nicht, die letzte Verantwortung liegt beim Fahrer. Für den Fall, dass das System an seine technischen Grenzen stößt, wird er durch allerhand optische und akustische Signale aufgefordert, bald wieder die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen.
In ihrem Braunschweiger Institut setzen Psychologen ausgewählte Probanden im geschützten Raum eines Fahrsimulators kritischen Situationen aus. Wie gehen die Fahrer damit um?
Zwei von drei Deutschen blicken mit Argwohn auf autonom fahrende Autos, Busse und Lastwagen. Das ist das Fazit einer Umfrage des Emnid-Instituts im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung.
90 Prozent aller Autounfälle gehen auf menschliches Versagen zurück
"Wir Menschen sind gut, wenn wir nicht überlastet sind und nicht unterlastet sind. Beim technischen System ist es so, das System ist recht konstant und die Technik ist viel schneller. Und dadurch gewinnt man halt wertvolle Meter, die dann den Unfall vermeiden können."
Dreieinhalbtausend Verkehrstote im Jahr sind allein in Deutschland zu beklagen, 90 Prozent aller Autounfälle gehen auf menschliches Versagen zurück: Ohne Frage werde autonomes Fahren für mehr Sicherheit sorgen und die Zahl der Unfälle reduzieren, sagt Forschungschef Lemmer voraus.
Präzisere Karten wird es brauchen auf dem Weg zur Mobilität der Zukunft, mehr Rechnerleistung, vor allem aber einen gesellschaftlichen Diskurs und eine klare Gesetzgebung: Vor dem Hintergrund der vielen ungeklärten Fragen rechnen die Forscher in Braunschweig damit, dass sich der Übergang vom assistierten zum vollautonomen Fahren noch ein ganzes Weilchen hinziehen wird.