Berliner Teufelsberg
Der aktuelle Pächter des Areals, auf dem die frühere Abhörstation steht, möchte den Charakter des Ortes zwischen Lost Place und Streetart erhalten. © Wolf-Sören Treusch
Zukunft gesucht für eine frühere Abhörstation
09:22 Minuten
Auf dem Teufelsberg im Berliner Westen haben Briten und Amerikaner in den 1950er-Jahren eine Abhörstation gebaut. Seit dem Mauerfall verfällt sie und zieht Abenteuerlustige und Street-Art-Künstler an. Daran wollen die jetzigen Eigentümer verdienen.
Wenige Meter unterhalb der gigantischen Abhöranlage, die US-Amerikaner und Briten seit 1955 viele Jahre lang auf dem Teufelsberg – der höchste Punkt im früheren Westteil Berlins – erbauen ließen, startet die Führung von Chris McLarren. Er ist Amerikaner und hat hier von 1973 bis 1975 als Soldat gearbeitet.
Bis zu 1500 Leute waren im Drei-Schicht-Betrieb damit beschäftigt, den Funkverkehr des Warschauer Pakts abzufangen. Die Signale kamen über Radarantennen, die sich in vier großen Kuppeln drehten. Wenn auch mit Graffitis auf dem unteren Teil der verschlissenen Planen, sind die weißen Kuppeln gut sichtbar. Bis heute sind sie das Wahrzeichen der alten Abhörstation.
Außer den Kuppeln und etlichen baufälligen Gebäuden hat eine riesige Schredderanlage überlebt. In ihr wurde tonnenweise Papier vernichtet – jeden Tag. Nur die wenigsten der protokollierten Funksprüche waren für den Geheimdienst von Bedeutung. „Wir hatten Soldaten, die hier gestanden haben, bei dem Schredder, und stundenlang Papiere geschreddert haben“, erzählt McLarren.
Street-Art ist die Hauptattraktion
Auch der Teufelsberg selbst ist im Grunde genommen ein Haufen Schutt. Errichtet auf dem Rohbau eines alten Nazi-Gebäudes, aufgetürmt aus den Trümmern der Häuser, die im Zweiten Weltkrieg von den Bombenangriffen der Alliierten zerstört worden waren.
Etwa 25 Millionen Kubikmeter Trümmerschutt ist mitten im Grunewald gelandet. Die Gegend rund um den auf 120 Meter angewachsenen Teufelsberg entwickelt sich tatsächlich zu einem beliebten Ausflugsziel. Ganz oben jedoch ist alles top secret, befindet sich der letzte Horchposten des Kalten Krieges.
Bis zum Fall der Mauer. 1992 ziehen sich Briten und US-Amerikaner zurück, die Anlage geht über in Landesbesitz. Obwohl der damalige Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer schon ahnt: „Es sind nur wenige Nutzungen an diesem Ort denkbar, denn wir stehen hier mitten im Wald.“
Viele Jahre lang ist die Frage, wie es weiter geht mit der Abhörstation auf dem Teufelsberg, eine Geschichte des Scheiterns. Berlin ist klamm, verkauft die Anlage 1996 an private Investoren. Die wollen Luxuswohnungen und ein Hotel errichten, ihnen wird die Baugenehmigung entzogen. Berlin ändert den Flächennutzungsplan, erklärt den Berg zu Wald. Die Gebäude der alten Abhörstation verfallen, Vandalismus macht sich breit, Diebe nehmen mit, was sie kriegen können.
Aber auch Street-Art-Künstlerinnen und -Künstler erobern damals den frei gewordenen Raum. Wo auch immer sich auf dem Gelände eine Betonwand zum Bemalen findet, bemalen sie sie: grell, provokativ, auch mal obszön. Ihre Werke sind mittlerweile die Hauptattraktion auf dem Teufelsberg.
Ausstellung mit Werken von Pete Doherty
Seit 2016 hat Marvin Schütte das Gelände gepachtet. Er ist der Sohn eines der drei Eigentümer. Wenn Wetter und Corona mitspielen, erklimmen mehrere Zehntausend Gäste im Jahr den Teufelsberg. Daran wollen die Eigentümer ein bisschen mitverdienen, also verpachten sie das Areal. Immer für ein Jahr, bis es irgendwann einmal mit lukrativeren Projekten vorangeht. Marvin Schütte weiß um die Bedeutung der Street-Art auf dem Gelände und will die Kunst weiter fördern.
„Ich würde gern Werkstätten etablieren, Galerien etablieren, ich würde gern Kunst, die in Berlin keinen Platz mehr findet aufgrund steigender Mieten oder Investorenwünschen, eine Fläche geben, die das darstellt, was die Künstler darstellen wollen.“
Wenn daraus eine Win-Win-Situation entstehe und der Platz erhalten bleibe und vorangetrieben werde, sei das in seinem Sinne.
Anna Borowy gehört zu den Künstlerinnen, denen der Pächter gern mehr Raum für ihre Kreativität geben würde. Gerade hat sie in der alten Kantine der Abhörstation eine viel beachtete Ausstellung kuratiert – unter anderem mit Werken des früheren Skandal-Rockers Pete Doherty und von Schauspieler Lars Eidinger. Sie habe den Künstlern in der Ausstellung vorgeschlagen, hier einmal gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten und das dann auszustellen.
„Ich liebe diese Lost Places, irgendwelche Orte, wo man das Gefühl hat: Da ist die Zeit stehen geblieben.“ Der Teufelsberg sei der letzte solcher Ort in Berlin.
„Für mich hat das ganz viel Kreatives, Inspirierendes, wenn man hier ist.“ Die Räumlichkeiten seien fantastisch. „Irgendwie finde ich, das müsste noch mehr belebt werden mit kulturellen Dingen.“
Der Wunsch nach Gastronomie
Der Spielraum für Nutzungskonzepte ist eng. Der Teufelsberg liegt nicht nur im Wald, seit Herbst 2018 steht er auch unter Denkmalschutz. Der gilt nicht nur für die ehemalige Spionagestation, sondern für die ganze künstliche Erhebung. Neubauten sind nicht erlaubt.
Fabian Schmitz-Grethlein ist der zuständige Baustadtrat im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Er berichtet, die Investorengesellschaft, der das Gelände seit 1996 gehört, wolle gern verschiedene Nutzungen bis hin zur Gastronomie unterbringen.
„Es gab eine Bauvoranfrage, die aber deutlich über das hinausgeht, was wir zulassen können.“ Es könne nur um eine sehr behutsame Entwicklung des Bestandes mit einer denkmalgerechten Nutzung gehen. „Eben nicht nur eine Eventlocation, sondern auch etwas, was dem Denkmal und dem Charakter gerecht wird.“
Hartmut Gruhl, einer der drei Gesellschafter der Investorengesellschaft Teufelsberg Berlin IGTB sagt, die Vorgaben seien in Ordnung. Es sehe gut aus, dass aus dem Teufelsberg noch etwas wird. Konkreter wird er nicht.
"Ein Hauch Zauber auf dem Berg"
Der Berliner Senat würde das historische Gelände gern zurückkaufen. Aber er hat kein Geld, zumal eine Grundschuld in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags auf dem Areal liegt. Was Berlin bleibt, ist das Planungsrecht.
„Wir haben natürlich ein Interesse daran, die Bauten, die ja zunehmend verfallen auf dem Gelände, zu sichern“, sagt Fabian Schmitz-Grethlein, der zuständige Baustadtrat im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf. Das werde auch die Anforderung an jeden sein, die dort was realisieren möchten.
„Ein Geschichtsdenkmal muss immer im Mittelpunkt jeder Nutzung stehen. „Man kann sich darüber hinaus natürlich vorstellen – weil wir auch wissen, dass sich solche Dinge in irgendeiner Art und Weise tragen müssen – dass man Veranstaltungen, Ausstellungen, andere temporäre Nutzungen zulässt, vielleicht auch einzelne Büros oder Ateliers.“
Der ehemalige US-Soldat Chris McLarren sagt am Ende seiner Führung: „Ich finde es schön, wie es ist, weil: Obwohl es eine Ruine ist, es liegt irgendwie ein Hauch Zauber auf diesem Berg.“
Die Geschichten über den Alltag der Spionageabwehr in Zeiten des Kalten Krieges würde er gerne weiterhin noch eine Weile erzählen. In den letzten Jahrzehnten im Frieden habe man gedacht, dass man solche militärischen Probleme nie wieder haben würde. „Und jetzt merkt man: Ups, so ist es nicht.“
Mit den Geschichten wolle er die Leute daran erinnern: „Nicht nur in der Ukraine muss man aufpassen.“