Texas im Öl- und Gasrausch
Gut zehn Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases stammt aus heimischer Produktion. Mit einer neuen Fördermethode, dem sogenannten Fracking, könnte der Anteil stark steigen, denn sie kann das in Schiefer und Kohle fest eingeschlossene Gas herauslösen.
Bis zu 25 Jahre könnten wir damit unseren gesamten Bedarf decken. Doch die neue Fördertechnik hat Risiken und Nebenwirkungen. Das zeigt der Blick nach Texas. Dort wird bereits seit einigen Jahren in großem Stil gefrackt.
An der Ecke von Goldenrod und Horseshoe Drive mitten in Gardendale, einem 220-Einwohner-Örtchen im Westen von Texas. 50 Meter links steht ein Haus, 50 Meter rechts steht auch ein Haus und genau dazwischen ragt ein Bohrturm in den Himmel. Das Gestänge quietscht rund um die Uhr, ein Generator läuft auf Hochtouren, Trucks liefern Wasser und Material. Gleich gegenüber wohnt Joe Paul Wood.
"Ich höre es jede Nacht. Heute Morgen bin ich aufgewacht und konnte die Dieselschwaden über meinem Haus riechen. Vor einigen Wochen habe ich Gase aus dem Bohrloch abbekommen, ich bekam Kopfschmerzen, der Bauch tat mir weh und der Hals kratzte. Kontrolleure kamen her. Bevor sie zurückfuhren sagten sie: Wir haben wirklich nichts gerochen, Sie machen Witze."
Seit drei Jahren geht das jetzt so. Zuvor hatte niemand daran geglaubt, dass es jemals lukrativ werden könnte, mitten zwischen all den Häusern, Ställen und Gärten nach Öl und Gas zu bohren. Doch dann wurde das Hydraulic Fracturing, kurz Fracking erfunden.
Dabei wird das Schiefergestein, das die fossile Energie in über einem Kilometer Tiefe enthält, mit hohem Wasserdruck aufgesprengt. Quarzsand und chemische Zusatzstoffe sorgen dafür, dass die haarfeinen, Dutzende Meter langen Risse über Jahrzehnte offen bleiben.
Damit dieser Prozess an vielen Stellen wiederholt werden kann, muss die Bohrung tief in der Erde um 90 Grad abknicken und horizontal durch das Gestein gefräst werden. Die dafür nötige Bohrtechnik gibt es erst seit wenigen Jahren.
Doch kaum war sie verfügbar, tauchten in Gardendale schon die Mitarbeiter von Ölfirmen auf. Alle paar hundert Meter markierten sie ihre Bohrlöcher – und fast über Nacht verwandelte sich das verschlafene Nest in ein geschäftiges Ölfeld. Auch Debbie Leverett lebt dort.
"Schon als wir unser Haus kauften, wussten wir, dass darunter Bodenschätze lagen. Aber es gab keine Technik, um an sie heran zu kommen – dachten wir jedenfalls. Aber die Unternehmen wussten schon 2003, dass die Technik kommen würde und begannen, Förderrechte aufzukaufen, die in Texas von den Grundstücken getrennt gehandelt werden.
In jedem Gerichtsgebäude sah man sie mit Leuten zusammen sitzen, denen sie die Rechte billig abkauften. Ja, sie wussten schon lange was kommt. Und jetzt rücken sie uns mit ihren Bohrtürmen auf die Pelle. 50 Meter von dem kleinen Haus da, und von dem da und dem da. Das ist doch nicht in Ordnung. Aber es passiert überall, in Montana, in Wyoming, in Pennsylvania."
Schiefergestein-Fracking hat die Energiewirtschaft der USA in einen Rausch versetzt, in 29 der 50 Bundesstaaten wird es praktiziert. Die Folge: Erdgas wird das Land schon bald ex- statt importieren und beim Erdöl könnten die USA um 2030 herum zum Selbstversorger werden, schätzt die Internationale Energieagentur. In 25.000 amerikanischen Bohrlöchern ist das Fracking bereits eingesetzt worden. Und täglich kommen neue hinzu.
Zum Beispiel hier, am Rand von Gardendale. Der Chef auf dem Bohrturm heißt Wylie Stokes. Seit 20 Jahren arbeitet der Kalifornier auf den texanischen Ölfeldern, Dreck und Gestank, sagt er, machen ihm nichts aus.
"Ich lasse jedes Jahr einen Gesundheits-Check machen und noch nie hat mir irgendwas, womit ich hier draußen hantiere, geschadet. Heute ist die Arbeit sicherer als damals, als ich nach dem Militärdienst hier angefangen habe.
Und außerdem viel besser bezahlt. Wahrscheinlich ist es der einzige Job in der Gegend, den ein Kerl ohne Ausbildung machen und dabei so viel Geld verdienen kann. Ich habe zwei 18-Jährige und ein 14-jähriges Kind. Die beiden älteren machen dieses Jahr Abitur und weil es dieses Ölfeld gibt, konnte meine Frau bei ihnen zu Hause bleiben. Es verschafft uns wirklich ein gutes Auskommen."
Direkt hinter dem Bohrturm sprudelt das Abwasser in offene, mit Plastikfolie ausgekleidete Gruben. Bis zum Ende des Fracking-Prozesses werden weit über zehn Millionen Liter in das Bohrloch gepresst. Der Rückfluss enthält neben den zugesetzten Chemikalien auch Schwermetalle und radioaktive Stoffe aus den tiefen Gesteinsschichten. Ben Shepperd sieht darin kein Umweltproblem. Er ist Präsident des lokalen Ölunternehmer-Verbands.
"Das sind Open-Air-Gruben, in denen das Wasser zurückbleibt und verdunstet. Hier passiert das innerhalb eines Monats. Wenn wir viel Regen haben, kann es auch mal bis zu sechs Monate dauern. Aber dann bleiben nur diese trockenen Gesteinsbrocken zurück.
Wir vergraben sie unter einer Erdschicht – ungefähr so wie die Füllung in einer zugeklappten Tortilla – in drei bis vier Metern Tiefe. So eine Grube ist wirklich keine Giftkippe. Sie ist nicht gerade als Spielplatz geeignet, aber mit der Zeit zersetzt der Boden die Chemikalien und verdünnt sie."
Bislang betrachten die Bohrunternehmen den Chemikalien-Mix, den sie dem Bohrwasser beimischen, als Betriebsgeheimnis. Kein Gesetz verlangt, dass sie es offen legen. Shane Leverett hat sein ganzes Leben in Gardendale verbracht und wollte wissen, welche Rückstände die Ölfirma nach Abschluss der Bohrarbeiten auf seinem Grundstück zurückgelassen hat. Er arbeitet selber im Ölgeschäft, doch das Analyseergebnis war trotzdem ein Schock für ihn.
"Bei meinem Nachbarn waren die Benzol-Grenzwerte um das Achtfache überschritten, auf meinem Grundstück sogar um das 40fache."
Benzol ist krebserregend, als Lösungs- und Reinigungsmittel ist es deshalb verboten. Gerät der aromatische Kohlenwasserstoff ins Grundwasser, darf es nicht mehr genutzt werden.
"Diese Grube ist ungefähr 10 bis 12 Meter tief. Und die Oberkante des Grundwassers liegt hier in rund 25 Metern Tiefe. Das Benzol ist also gerade mal 13 bis 15 Meter von meinem Grundwasser entfernt. Und nicht nur von meinem, es ist ja unser aller Trinkwasser. Müssen wir wirklich erst darauf warten, dass es hineinsickert bevor sie etwas tun?"
Die Verzweiflung ist groß in Gardendale – und mit dem Eingreifen behördlicher Kontrolleure ist nicht zu rechnen. In Texas gibt es für die Überprüfung von 250.000 Öl- und Gasquellen ganze 400 Inspektoren. Wylie Stokes hat an seinem Bohrturm noch nie einen zu Gesicht bekommen.
"Ein Inspektor? Auf meinem Bohrturm? Nein, hier ist nie jemand gekommen."
In Gardendale, Texas, trägt der Wilde Westen seinen Namen noch zu recht. Es gilt das Recht des Stärkeren, drill baby, drill, ist sein Motto. Wylie Stokes arbeitet für Wes Perry. Dessen Firma hat das Bohrloch gepachtet. Schon in drei Wochen sind die Vorbereitungen abgeschlossen, dann wird es über Jahrzehnte Öl und Gas im Wert von vier Millionen Dollar im Monat produzieren. Drei Millionen gehen an den Besitzer der Bodenschätze, eine Million bekommt Perry. Nebenbei ist er Bürgermeister von Midland, der nächstgelegenen Großstadt und Heimat von Ex-Präsident George W. Bush.
"Okay, wir sind eine Energie-Stadt, wie, um Herrgott Willen, können wir da das Bohren verbieten? Im Norden der Stadt gibt es ein Viertel, und all diese Leute arbeiten im Ölgeschäft. Sie wissen also, dass es ihr Lebenselixier ist. Dann kommt diese Ölfirma und markiert überall Bohrlöcher.
Und die Leute gehen an die Decke. Ich habe selber eine Ölpumpe auf meinem Grundstück, ich weiß wie das ist. Es war eine Riesendebatte und die Leute, die das Bohren bei uns in der Stadt verhindern wollten, forderten einen Mindestabstand von 700 Metern. Aber das bedeutet ja praktisch: Bohren verboten. Da hat der Stadtrat gesagt: das geht zu weit. Die Ölfirmen wollten 30 Meter, sie wollten wirklich bei den Leuten im Hinterhof bohren."
Am Ende hat der Stadtrat einen Mindestabstand von 150 Metern – und damit deutlich mehr als im benachbarten kleinen Gardendale – zum nächsten Wohnhaus beschlossen. Schon seit über 100 Jahren leben die Menschen in Westtexas zwischen quietschenden Pumpen und stinkenden Gaslöchern. Trotzdem hat das Fracking vieles verändert, sagt Amy Mall. Sie beschäftigt sich seit vier Jahren für eine Umweltorganisation in Washington D.C. ausschließlich mit diesem Thema.
"Der Unterschied liegt in der Intensität. Es werden viel mehr Chemikalien gebraucht, es wird viel mehr Abfall erzeugt, und der kann ziemlich giftig sein. Der Druck in den Bohrlöchern wird erhöht und der erhöhte Druck bleibt über längere Zeit bestehen.
Die Risiken werden auf verschiedene Art und Weise vergrößert. Es gibt viel mehr LKW-Verkehr. Denn viel mehr Chemikalien und Abfall müssen transportiert werden. Alles ist eine Nummer größer."
Das gilt auch für die Klimafolgen des neuen Öl- und Gasrauschs. Zwar sinken die CO2-Emissionen um die Hälfte, wenn Kraftwerke mit Erdgas statt mit Kohle befeuert werden. Beim CO2-Ausstoß haben die USA deshalb den niedrigsten Wert seit 30 Jahren erreicht.
Doch gleichzeitig gelangt durch das Fracking immer mehr Methan in die Atmosphäre. Und das hat einen über 30 Mal so starken Treibhauseffekt wie CO2. Der Umweltingenieur Anthony Ingraffea hat die gesamte Klimawirkung des Frackings hochgerechnet.
"Die Öl- und Gasindustrie ist zur größten Quelle für Methanemissionen in den USA geworden. Noch vor ein paar Jahren war das die Landwirtschaft. Jetzt stammen 49 Prozent der Methanemissionen aus Lecks bei der Öl- und Gasförderung.
Wenn nur zwei bis drei Prozent bei der Produktion verloren gehen, dann verdoppelt das den Treibhauseffekt der Erdgasverbrennung. Gibt es also einen Gewinn für den Klimaschutz? Auf Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Daten, die wir bisher haben, ist es im besten Fall ein Nullsummenspiel. Es gibt keinen Vorteil."
Doch mit dieser Erkenntnis findet Anthony Ingraffea in den USA bisher kaum mehr Gehör als die Bewohner von Gardendale mit der Verzweiflung über die Bohrtürme in ihren Gärten.
"Für die Öl- und Gasindustrie ist das eine phantastische Chance. Aber es geht auf unsere Kosten. Öl und Gas kann geben, aber es kann auch nehmen. Es hat uns unser Leben und einen Großteil unseres Landes weggenommen."
An der Ecke von Goldenrod und Horseshoe Drive mitten in Gardendale, einem 220-Einwohner-Örtchen im Westen von Texas. 50 Meter links steht ein Haus, 50 Meter rechts steht auch ein Haus und genau dazwischen ragt ein Bohrturm in den Himmel. Das Gestänge quietscht rund um die Uhr, ein Generator läuft auf Hochtouren, Trucks liefern Wasser und Material. Gleich gegenüber wohnt Joe Paul Wood.
"Ich höre es jede Nacht. Heute Morgen bin ich aufgewacht und konnte die Dieselschwaden über meinem Haus riechen. Vor einigen Wochen habe ich Gase aus dem Bohrloch abbekommen, ich bekam Kopfschmerzen, der Bauch tat mir weh und der Hals kratzte. Kontrolleure kamen her. Bevor sie zurückfuhren sagten sie: Wir haben wirklich nichts gerochen, Sie machen Witze."
Seit drei Jahren geht das jetzt so. Zuvor hatte niemand daran geglaubt, dass es jemals lukrativ werden könnte, mitten zwischen all den Häusern, Ställen und Gärten nach Öl und Gas zu bohren. Doch dann wurde das Hydraulic Fracturing, kurz Fracking erfunden.
Dabei wird das Schiefergestein, das die fossile Energie in über einem Kilometer Tiefe enthält, mit hohem Wasserdruck aufgesprengt. Quarzsand und chemische Zusatzstoffe sorgen dafür, dass die haarfeinen, Dutzende Meter langen Risse über Jahrzehnte offen bleiben.
Damit dieser Prozess an vielen Stellen wiederholt werden kann, muss die Bohrung tief in der Erde um 90 Grad abknicken und horizontal durch das Gestein gefräst werden. Die dafür nötige Bohrtechnik gibt es erst seit wenigen Jahren.
Doch kaum war sie verfügbar, tauchten in Gardendale schon die Mitarbeiter von Ölfirmen auf. Alle paar hundert Meter markierten sie ihre Bohrlöcher – und fast über Nacht verwandelte sich das verschlafene Nest in ein geschäftiges Ölfeld. Auch Debbie Leverett lebt dort.
"Schon als wir unser Haus kauften, wussten wir, dass darunter Bodenschätze lagen. Aber es gab keine Technik, um an sie heran zu kommen – dachten wir jedenfalls. Aber die Unternehmen wussten schon 2003, dass die Technik kommen würde und begannen, Förderrechte aufzukaufen, die in Texas von den Grundstücken getrennt gehandelt werden.
In jedem Gerichtsgebäude sah man sie mit Leuten zusammen sitzen, denen sie die Rechte billig abkauften. Ja, sie wussten schon lange was kommt. Und jetzt rücken sie uns mit ihren Bohrtürmen auf die Pelle. 50 Meter von dem kleinen Haus da, und von dem da und dem da. Das ist doch nicht in Ordnung. Aber es passiert überall, in Montana, in Wyoming, in Pennsylvania."
Schiefergestein-Fracking hat die Energiewirtschaft der USA in einen Rausch versetzt, in 29 der 50 Bundesstaaten wird es praktiziert. Die Folge: Erdgas wird das Land schon bald ex- statt importieren und beim Erdöl könnten die USA um 2030 herum zum Selbstversorger werden, schätzt die Internationale Energieagentur. In 25.000 amerikanischen Bohrlöchern ist das Fracking bereits eingesetzt worden. Und täglich kommen neue hinzu.
Zum Beispiel hier, am Rand von Gardendale. Der Chef auf dem Bohrturm heißt Wylie Stokes. Seit 20 Jahren arbeitet der Kalifornier auf den texanischen Ölfeldern, Dreck und Gestank, sagt er, machen ihm nichts aus.
"Ich lasse jedes Jahr einen Gesundheits-Check machen und noch nie hat mir irgendwas, womit ich hier draußen hantiere, geschadet. Heute ist die Arbeit sicherer als damals, als ich nach dem Militärdienst hier angefangen habe.
Und außerdem viel besser bezahlt. Wahrscheinlich ist es der einzige Job in der Gegend, den ein Kerl ohne Ausbildung machen und dabei so viel Geld verdienen kann. Ich habe zwei 18-Jährige und ein 14-jähriges Kind. Die beiden älteren machen dieses Jahr Abitur und weil es dieses Ölfeld gibt, konnte meine Frau bei ihnen zu Hause bleiben. Es verschafft uns wirklich ein gutes Auskommen."
Direkt hinter dem Bohrturm sprudelt das Abwasser in offene, mit Plastikfolie ausgekleidete Gruben. Bis zum Ende des Fracking-Prozesses werden weit über zehn Millionen Liter in das Bohrloch gepresst. Der Rückfluss enthält neben den zugesetzten Chemikalien auch Schwermetalle und radioaktive Stoffe aus den tiefen Gesteinsschichten. Ben Shepperd sieht darin kein Umweltproblem. Er ist Präsident des lokalen Ölunternehmer-Verbands.
"Das sind Open-Air-Gruben, in denen das Wasser zurückbleibt und verdunstet. Hier passiert das innerhalb eines Monats. Wenn wir viel Regen haben, kann es auch mal bis zu sechs Monate dauern. Aber dann bleiben nur diese trockenen Gesteinsbrocken zurück.
Wir vergraben sie unter einer Erdschicht – ungefähr so wie die Füllung in einer zugeklappten Tortilla – in drei bis vier Metern Tiefe. So eine Grube ist wirklich keine Giftkippe. Sie ist nicht gerade als Spielplatz geeignet, aber mit der Zeit zersetzt der Boden die Chemikalien und verdünnt sie."
Bislang betrachten die Bohrunternehmen den Chemikalien-Mix, den sie dem Bohrwasser beimischen, als Betriebsgeheimnis. Kein Gesetz verlangt, dass sie es offen legen. Shane Leverett hat sein ganzes Leben in Gardendale verbracht und wollte wissen, welche Rückstände die Ölfirma nach Abschluss der Bohrarbeiten auf seinem Grundstück zurückgelassen hat. Er arbeitet selber im Ölgeschäft, doch das Analyseergebnis war trotzdem ein Schock für ihn.
"Bei meinem Nachbarn waren die Benzol-Grenzwerte um das Achtfache überschritten, auf meinem Grundstück sogar um das 40fache."
Benzol ist krebserregend, als Lösungs- und Reinigungsmittel ist es deshalb verboten. Gerät der aromatische Kohlenwasserstoff ins Grundwasser, darf es nicht mehr genutzt werden.
"Diese Grube ist ungefähr 10 bis 12 Meter tief. Und die Oberkante des Grundwassers liegt hier in rund 25 Metern Tiefe. Das Benzol ist also gerade mal 13 bis 15 Meter von meinem Grundwasser entfernt. Und nicht nur von meinem, es ist ja unser aller Trinkwasser. Müssen wir wirklich erst darauf warten, dass es hineinsickert bevor sie etwas tun?"
Die Verzweiflung ist groß in Gardendale – und mit dem Eingreifen behördlicher Kontrolleure ist nicht zu rechnen. In Texas gibt es für die Überprüfung von 250.000 Öl- und Gasquellen ganze 400 Inspektoren. Wylie Stokes hat an seinem Bohrturm noch nie einen zu Gesicht bekommen.
"Ein Inspektor? Auf meinem Bohrturm? Nein, hier ist nie jemand gekommen."
In Gardendale, Texas, trägt der Wilde Westen seinen Namen noch zu recht. Es gilt das Recht des Stärkeren, drill baby, drill, ist sein Motto. Wylie Stokes arbeitet für Wes Perry. Dessen Firma hat das Bohrloch gepachtet. Schon in drei Wochen sind die Vorbereitungen abgeschlossen, dann wird es über Jahrzehnte Öl und Gas im Wert von vier Millionen Dollar im Monat produzieren. Drei Millionen gehen an den Besitzer der Bodenschätze, eine Million bekommt Perry. Nebenbei ist er Bürgermeister von Midland, der nächstgelegenen Großstadt und Heimat von Ex-Präsident George W. Bush.
"Okay, wir sind eine Energie-Stadt, wie, um Herrgott Willen, können wir da das Bohren verbieten? Im Norden der Stadt gibt es ein Viertel, und all diese Leute arbeiten im Ölgeschäft. Sie wissen also, dass es ihr Lebenselixier ist. Dann kommt diese Ölfirma und markiert überall Bohrlöcher.
Und die Leute gehen an die Decke. Ich habe selber eine Ölpumpe auf meinem Grundstück, ich weiß wie das ist. Es war eine Riesendebatte und die Leute, die das Bohren bei uns in der Stadt verhindern wollten, forderten einen Mindestabstand von 700 Metern. Aber das bedeutet ja praktisch: Bohren verboten. Da hat der Stadtrat gesagt: das geht zu weit. Die Ölfirmen wollten 30 Meter, sie wollten wirklich bei den Leuten im Hinterhof bohren."
Am Ende hat der Stadtrat einen Mindestabstand von 150 Metern – und damit deutlich mehr als im benachbarten kleinen Gardendale – zum nächsten Wohnhaus beschlossen. Schon seit über 100 Jahren leben die Menschen in Westtexas zwischen quietschenden Pumpen und stinkenden Gaslöchern. Trotzdem hat das Fracking vieles verändert, sagt Amy Mall. Sie beschäftigt sich seit vier Jahren für eine Umweltorganisation in Washington D.C. ausschließlich mit diesem Thema.
"Der Unterschied liegt in der Intensität. Es werden viel mehr Chemikalien gebraucht, es wird viel mehr Abfall erzeugt, und der kann ziemlich giftig sein. Der Druck in den Bohrlöchern wird erhöht und der erhöhte Druck bleibt über längere Zeit bestehen.
Die Risiken werden auf verschiedene Art und Weise vergrößert. Es gibt viel mehr LKW-Verkehr. Denn viel mehr Chemikalien und Abfall müssen transportiert werden. Alles ist eine Nummer größer."
Das gilt auch für die Klimafolgen des neuen Öl- und Gasrauschs. Zwar sinken die CO2-Emissionen um die Hälfte, wenn Kraftwerke mit Erdgas statt mit Kohle befeuert werden. Beim CO2-Ausstoß haben die USA deshalb den niedrigsten Wert seit 30 Jahren erreicht.
Doch gleichzeitig gelangt durch das Fracking immer mehr Methan in die Atmosphäre. Und das hat einen über 30 Mal so starken Treibhauseffekt wie CO2. Der Umweltingenieur Anthony Ingraffea hat die gesamte Klimawirkung des Frackings hochgerechnet.
"Die Öl- und Gasindustrie ist zur größten Quelle für Methanemissionen in den USA geworden. Noch vor ein paar Jahren war das die Landwirtschaft. Jetzt stammen 49 Prozent der Methanemissionen aus Lecks bei der Öl- und Gasförderung.
Wenn nur zwei bis drei Prozent bei der Produktion verloren gehen, dann verdoppelt das den Treibhauseffekt der Erdgasverbrennung. Gibt es also einen Gewinn für den Klimaschutz? Auf Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Daten, die wir bisher haben, ist es im besten Fall ein Nullsummenspiel. Es gibt keinen Vorteil."
Doch mit dieser Erkenntnis findet Anthony Ingraffea in den USA bisher kaum mehr Gehör als die Bewohner von Gardendale mit der Verzweiflung über die Bohrtürme in ihren Gärten.
"Für die Öl- und Gasindustrie ist das eine phantastische Chance. Aber es geht auf unsere Kosten. Öl und Gas kann geben, aber es kann auch nehmen. Es hat uns unser Leben und einen Großteil unseres Landes weggenommen."