Texte von "erschreckender Professionalität"
Handwerkliche Perfektion, viel Innerlichkeit und wenig Politisches beim 19. "Open Mike"-Literaturwettbewerb in Berlin. Die Preise gingen an die Prosa-Autoren Christina Böhm und Joseph Felix Ernst und den Dichter Sebastian Unger.
"Der Text besticht durch sein Tempo, er besticht durch seinen Witz und vor allem durch seinen spielerischen Umgang mit höchst existenziellen Fragen. Ich bitte unsere Publikumspreisträgerin nochmal auf die Bühne."
so Jury-Mitglied Felicitas Hoppe. Die Österreicherin Christina Böhm war die Abräumerin des Abends. Neben dem Preis der Jury bekam die 35 Jahre alte studierte Juristin auch den Publikumspreis. Das passte, denn ihr zynisch- rasanter Text "Platzanweisung" hatte Böhm schlagartig in die Rolle der Favoritin des "Open Mike" 2011 katapultiert.
Damit gewinnt ausgerechnet ein Text einen der wichtigsten Nachwuchspreise der deutschsprachigen Literatur, der beschreibt, wie mühsam es für junge Autoren ist, einen Platz im Kulturbetrieb zu finden.
"Ich glaub ja, dass mein Text im Grunde nicht wahnsinnig positiv ist, auch wenn ihn die Leute sehr lustig gefunden haben, was mich sehr bedenklich stimmt: Ich hab ihn eigentlich relativ ernst gemeint. Es ist auch wahrscheinlich ein ganz schlechtes Omen, weil man natürlich sagt, das trifft irgendwo den Nerv. Ich hoffe, das wird nicht als billig verstanden. Oder als Anbiederung an irgendwelche Befindlichkeiten."
700 Autoren hatten sich auch in diesem Jahr wieder beim "Open Mike" beworben, 23 wurden eingeladen zur öffentlichen Lesung, drei fanden Gnade vor den Augen der Jury. Der zweite Prosa-Preis ging an den Bayern Joseph Felix Ernst, der am Samstagmittag die undankbare Aufgabe gehabt hatte, den Wettbewerb zu beginnen.
Ein experimenteller Text über Franz Kafka? Dessen Zwiespalt und Krisen hätten ihn fasziniert, sagte Ernst im Anschluss an die Preisverleihung. Ernst sitzt derzeit an seinem ersten Roman. Er malt auch seit Jahren, doch für den zwischenmenschlichen Austausch sei das Schreiben zu bevorzugen.
"Das Intensivste an Kommunikation, was möglich ist für den Menschen, ist einfach in der Literatur, wo soll man es denn sonst los werden? Es sind ja doch sehr intensive Themen, kräftige Themen, die einen da beschäftigen. Und der kommunikative Akt beim Menschen ist das Wichtigste im Leben, um irgendwas zu verarbeiten, und das geht am besten auf diese Weise."
Die Autoren-Jury, bestehend aus Felicitas Hoppe, Kathrin Schmidt und Tilmann Rammstedt, habe sich ganz bewusst für Werke entschieden, die nicht mit erschreckender Professionalität gemacht sind, um in den Rahmen allgemeiner Gefälligkeit zu passen, betonte Hoppe. Angesichts eines handwerklich starken Jahrgangs, der sich perfekt zu präsentieren wusste, warnte sie die Nachwuchs-Autoren davor, zu sehr für Wettbewerbe zu schreiben und auf Vermarktungschancen zu schielen.
"Das Formbewusstsein, das ist uns aufgefallen, das ist sehr groß. Die Perfektion in der Textperformance ist ganz erstaunlich. Und manchmal hätten wir uns gewünscht: Brechen Sie da ruhig mal aus!"
In der Preisentscheidung zeigte sich: Die Jury war froh über jeden Text, der etwas wagte.
"Ich hätte gern noch einen Satz hinzugefügt, das fiel mir aber erst ein, als ich wieder auf meinem Platz saß, der gelautet hätte: Versuchen Sie niemals, sich vorzustellen, was im Kopf eines Lektors vorgeht, der eines Tages Ihren Text lesen könnte. Da fängt das Problem eigentlich an."
Tatsächlich wirkte der "Open Mike" der Literaturwerkstatt Berlin in diesem Jahr wie eine gut geölte Maschinerie. Handwerklich erstaunlich reife Texte, die meist um schwergewichtige Themen kreisten: Betrachtungen eines einsamen Ichs, Krankheit und Tod der Eltern, traumatisierte Familien. Viel Innerlichkeit, wenig Politisches. Erstaunlich wenig auch zum Thema Internet und virtuelle Realität. Einzige Ausnahme in der Prosa: die erst 22–Jährige Ann-Kathrin Roth.
Weil in früheren Jahren die Lyrik oft zu kurz kam, gibt es beim "Open Mike" nun eine eigene Auszeichnung für die jungen Dichter. Sie ging diesmal an den schüchternen Blondschopf Sebastian Unger. Der Lyriker hat wie rund ein Drittel der Finalisten am Deutschen Literaturinstitut Leipzig studiert. In seiner von Borges inspirierten Metaphorik verwischt er die Grenzen zwischen Tier und Pflanze.
Im Publikum drängten sich Lektoren, Literaturagenten und Talent-Scouts zu Dutzenden. Diejenigen, die ohne Preis nach Hause gehen mussten, können sich daher trotzdem zu den Gewinnern zählen. Im 19. Jahr seines Bestehens reicht oft schon die Teilnahme am "Open Mike", um eine literarische Karriere zu beflügeln.
so Jury-Mitglied Felicitas Hoppe. Die Österreicherin Christina Böhm war die Abräumerin des Abends. Neben dem Preis der Jury bekam die 35 Jahre alte studierte Juristin auch den Publikumspreis. Das passte, denn ihr zynisch- rasanter Text "Platzanweisung" hatte Böhm schlagartig in die Rolle der Favoritin des "Open Mike" 2011 katapultiert.
Damit gewinnt ausgerechnet ein Text einen der wichtigsten Nachwuchspreise der deutschsprachigen Literatur, der beschreibt, wie mühsam es für junge Autoren ist, einen Platz im Kulturbetrieb zu finden.
"Ich glaub ja, dass mein Text im Grunde nicht wahnsinnig positiv ist, auch wenn ihn die Leute sehr lustig gefunden haben, was mich sehr bedenklich stimmt: Ich hab ihn eigentlich relativ ernst gemeint. Es ist auch wahrscheinlich ein ganz schlechtes Omen, weil man natürlich sagt, das trifft irgendwo den Nerv. Ich hoffe, das wird nicht als billig verstanden. Oder als Anbiederung an irgendwelche Befindlichkeiten."
700 Autoren hatten sich auch in diesem Jahr wieder beim "Open Mike" beworben, 23 wurden eingeladen zur öffentlichen Lesung, drei fanden Gnade vor den Augen der Jury. Der zweite Prosa-Preis ging an den Bayern Joseph Felix Ernst, der am Samstagmittag die undankbare Aufgabe gehabt hatte, den Wettbewerb zu beginnen.
Ein experimenteller Text über Franz Kafka? Dessen Zwiespalt und Krisen hätten ihn fasziniert, sagte Ernst im Anschluss an die Preisverleihung. Ernst sitzt derzeit an seinem ersten Roman. Er malt auch seit Jahren, doch für den zwischenmenschlichen Austausch sei das Schreiben zu bevorzugen.
"Das Intensivste an Kommunikation, was möglich ist für den Menschen, ist einfach in der Literatur, wo soll man es denn sonst los werden? Es sind ja doch sehr intensive Themen, kräftige Themen, die einen da beschäftigen. Und der kommunikative Akt beim Menschen ist das Wichtigste im Leben, um irgendwas zu verarbeiten, und das geht am besten auf diese Weise."
Die Autoren-Jury, bestehend aus Felicitas Hoppe, Kathrin Schmidt und Tilmann Rammstedt, habe sich ganz bewusst für Werke entschieden, die nicht mit erschreckender Professionalität gemacht sind, um in den Rahmen allgemeiner Gefälligkeit zu passen, betonte Hoppe. Angesichts eines handwerklich starken Jahrgangs, der sich perfekt zu präsentieren wusste, warnte sie die Nachwuchs-Autoren davor, zu sehr für Wettbewerbe zu schreiben und auf Vermarktungschancen zu schielen.
"Das Formbewusstsein, das ist uns aufgefallen, das ist sehr groß. Die Perfektion in der Textperformance ist ganz erstaunlich. Und manchmal hätten wir uns gewünscht: Brechen Sie da ruhig mal aus!"
In der Preisentscheidung zeigte sich: Die Jury war froh über jeden Text, der etwas wagte.
"Ich hätte gern noch einen Satz hinzugefügt, das fiel mir aber erst ein, als ich wieder auf meinem Platz saß, der gelautet hätte: Versuchen Sie niemals, sich vorzustellen, was im Kopf eines Lektors vorgeht, der eines Tages Ihren Text lesen könnte. Da fängt das Problem eigentlich an."
Tatsächlich wirkte der "Open Mike" der Literaturwerkstatt Berlin in diesem Jahr wie eine gut geölte Maschinerie. Handwerklich erstaunlich reife Texte, die meist um schwergewichtige Themen kreisten: Betrachtungen eines einsamen Ichs, Krankheit und Tod der Eltern, traumatisierte Familien. Viel Innerlichkeit, wenig Politisches. Erstaunlich wenig auch zum Thema Internet und virtuelle Realität. Einzige Ausnahme in der Prosa: die erst 22–Jährige Ann-Kathrin Roth.
Weil in früheren Jahren die Lyrik oft zu kurz kam, gibt es beim "Open Mike" nun eine eigene Auszeichnung für die jungen Dichter. Sie ging diesmal an den schüchternen Blondschopf Sebastian Unger. Der Lyriker hat wie rund ein Drittel der Finalisten am Deutschen Literaturinstitut Leipzig studiert. In seiner von Borges inspirierten Metaphorik verwischt er die Grenzen zwischen Tier und Pflanze.
Im Publikum drängten sich Lektoren, Literaturagenten und Talent-Scouts zu Dutzenden. Diejenigen, die ohne Preis nach Hause gehen mussten, können sich daher trotzdem zu den Gewinnern zählen. Im 19. Jahr seines Bestehens reicht oft schon die Teilnahme am "Open Mike", um eine literarische Karriere zu beflügeln.