Textilforschung

Wenn der Pullover denken kann

In der Textilbranche mischen neue Fasern und Gewebe den Markt auf.
In der Textilbranche mischen neue Fasern und Gewebe den Markt auf. © picture alliance / dpa / Daniel Karmann
Von Katja Bigalke |
Neuartige Stoffe können leuchten, Geräusche machen oder Energie erzeugen. Neue Fasern und Gewebe mischen den Markt auf. Atmungsaktiv und wasserdicht ist längst kein Widerspruch mehr, Wolle und Waschmaschine auch nicht.
"Wenn man sich jetzt vorstellt wie ein Mensch im Biedermeier gelebt hat im engen Korsett im Reifrock. Schwere Kleidung die wog ja zum Teil 40 Kilogramm Wir können uns ja heute ganz anders bewegen. Wir können Turnschuhe tragen, wir können unseren Körper formen wenn wir wollen. Man kann ganz andere Ideen bekommen zu sich und wie man so ist und wirkt als man das wahrscheinlich früher konnte. Früher konnten die Frauen nicht rausgehen. Weil sie hatten Schühchen aus Seide gearbeitet. Und die Straßen waren ja auch nicht wie heute - asphaltiert - und da blieb die Frau einfach zuhause. Plötzlich hatte sie Überschuhe aus Kautschuk und plötzlich konnte sie wandern gehen und das ging vorher einfach mit der Art Schuhe die man hatte nicht. Und so ist das übertragen auf heute mit unsere Kleidung natürlich auch: Bei dem stärksten Regen gehen wir spazieren und kommen zurück und sind nicht krank. Wir sind unabhängiger vom Klima, vom Wetter durch diese ganzen smarten Geschichten, die wir haben. Das ist schon ein Emanzipationsprozess würde ich sagen. Also macht uns sehr frei."
Ist die Entwicklung intelligenter Textilien eine Geschichte der Emanzipation?
"Textil und Mode goes digital" heißt die vom Verband Textil und Mode ausgerichtete Konferenz. Ein Thema: "Die tragbare Zukunft kommt näher."
Es werden Textilien vorgestellt, die in der Regel mehr können als die Kleidung, die der Durchschnittsmensch in seinem Schrank hängen hat.
.. über Drucksender erfasst die Socke Daten über das Laufverhalten ein intelligenter Handschuh, der dem Werker in der Produktion zur Seite stehen soll, der den Mensch im Arbeitsprozess verbindet mit dem Internet der Dinge…
Natürlich findet auch die interaktive Denim-Jacke Erwähnung, die in der Fashiontech-Branche gerade als das neue it piece gehandelt wird
"Die Firma Google und Levis sind in der Entwicklung einer intelligenten Jacke Dort sind leitfähige Fasern eingewebt. Und damit haben Sie interaktive Bereiche, die können sie berühren, um das Smartphone anzusteuern."

Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine

"Project Jacquard" nennt Google das System mit dem Technologie in Stoffe eingewebt werden soll. Der Name spielt auf den französischen Seidenweber und Erfinder Joseph-Marie Jacquard an, der Anfang des 19. Jahrhunderts einen mit Hilfe von Lochkarten "programmierbaren" Webstuhl entwickelte. Googles Neuinterpretation dieser Erfindung, die im nächsten Jahr erstmal in Form einer Jacke auf den Markt kommen soll, versetzt den deutschen Mittelstand schon jetzt mächtig in Aufruhr
"Wenn man an die Google Jacke denkt, da sieht man eigentlich schon was für Killer Applikationen es eigentlich geben kann. Es geht eigentlich darum, dass wir für das Textil etwas finden, was der Konsument wirklich braucht."
So Ingeborg Neumann, Präsidentin des Gesamtverbands Textil und Mode. Eine Einschätzung, die Gesche Joost, Professorin für Designforschung an der Universität der Künste ein bisschen traurig macht.
"Was wir schade ist an dieser Kooperation zwischen Google-Levis ist, dass die einfach auf Youtube ein großartiges Video gepostet haben und damit eigentlich den Bereich smart textiles so für sich erobert haben und dabei ist die Technologie wirklich nicht neu – dabei haben viele Forschungsinstitute in Deutschland diese Prototypen schon ewig im Schrank."
Gesche Joost leitet das Design Research Lab. Ein interaktives Labor, in dem an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine geforscht wird. Textilien spielen in diesem Bereich eine besondere Rolle sagt sie, schon weil sie anschmiegsam sind und sich dem Menschen anpassen können.
"Eigentlich ist es ein neues Interface, eine neue Schnittstelle zwischen Mensch und Computer. Man möchte ja loskommen das wir immer auf dieses Handydisplay starrt und auf diesen kleinen Tasten rumdrückt und somit kann man bestimmte Funktionen einfach an das Textil delegieren."
Sind smarte Textilien also Computer aus Textil?
"Es gibt so verschiedene Begriffe, die so rumgeistern: smart fabrics ist der eine der andere ist wearable Computing also tragbare Computer und die kommen so aus verschiedenen Historien, also smart ist alles das irgendwie eine Art von Zusatzfunktion hat. Das muss vielleicht gar nicht elektronisch gestützt sein und wearable Computing hat einen stärkeren Fokus auf Computer das heißt da ist Elektronik und Digitalisierung mit integriert Heute geht das sehr stark in den Gadgetbereich reicht, wo man smartglasses hat oder Fitnessarmbänder, das ist, was heute an tragbarer Leistung da ist."
Gadgets interessieren Gesche Jost allerdings weniger. Ihre Forschung richtet sich nach den Bedürfnissen von Menschen, die Unterstützung brauchen. Ihnen mehr Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit zu ermöglichen ist das Ziel. Ob sie alt sind, krank, eingeschränkt oder orientierungslos. Die Antworten, nach denen sie mit ihrem Team sucht, sollen alltagstauglich sein. Und das spiegelt sich auch in den Materialien, mit denen sie arbeitet. Die unterscheiden sich zwar von denen einer herkömmlichen Textilwerkstatt, aber das ist erst auf den zweiten Blick sichtbar. Das Garn auf dem Schneidertisch zum Beispiel ist genauso weich und biegsam wie Herkömmliches. Nur der Kupfer-, Gold- oder Silberschimmer verrät die erweiterte Funktion. Und der kleine Magnet, der da an der Garnrolle klebt
"Das ist leitendes Garn, und das funktioniert wie ein Kabel, das überträgt Strom. Am besten ist, wenn sie noch ummantelt sind weil dann rosten sie nicht so schnell. Wenn ich jetzt an der einen Seite eine Batterie habe und einen Minicomputer, der ist so groß wie ein fünf Markstück dann habe ich meine Klamotte schon vernetzt, weil dieser Minicomputer, der kann Bluetooth der kann ganz normal mit meinem Handy sprechen."
Der Lötkolben liegt auf einer Werkbank neben einem Regal mit vielen kleinen Plastikschubladen.
"Wo man auf der linken Seite so die klassischen Kurzwaren sieht – so kleine Druckknöpfe normales Garn und so und auf der rechten Seite, sieht man das was man eigentlich im Elektronikladen bekommt, Platinen und kleine Minicontroller. Und man sieht es schon an dem Regal: Das geht nahtlos ineinander über. Ich mache mal so eine Schublade auf - hier hat man so einen kleinen Mikrocontroller Das LilyPad von Arduino, das kostet 5 Euro. Ist vernähbar und waschbar. Und ist auch noch Open source. Alle Programme, die man braucht um das Ding zu steuern, findet man gratis im Internet. Und das war für uns einer der großen Meilensteine in der Textilforschung. Damit kann man einfach loslegen."
Zum Beispiel florale Schaltkreise auf ein Textil sticken. Oder Druckknöpfe so vernetzen, dass sie sich wie Schalter bedienen lassen. Als Designforscherin macht sich Joost den alltäglichen Umgang mit Textilien zu Nutzen. Knüllen, Knautschen, Dehnen, Streicheln - alles Gesten, die bei den Erfindungen des Design Research Labs mit einer neuen Funktion ausgestattet werden.
"Und hier hat man mit Kupfergarn eine kleine Linie gestrickt und hier hat man das Kupfergarn in den Schalter integriert und wenn ich das Ganze schließe, dann schließt sich der Stromkreis."
Die kleinen weichen Zipfel, die da aus dem Gestrick lugen sind nicht nur dekorativ sondern auch An und Aus-Schalter
"Das sieht aus wie ein Rollo aber das ist ein Rollschalter, ein Rollensensor. D.h. ich rolle ich hier hoch und da wird immer der Widerstand gemessen, der sich verändert."
Und so zum Beispiel den Schal rollen, um die Temperatur im Gewebe zu erhöhen,. Richtig beherzt muss der Griff ins Textil sein, wenn eine außergewöhnliche Aufgabe erfüllt werden soll.
"Hier haben wir einen Knautschsensor, den finde ich auch total prima, auch ist ein gestricktes Gewebe das so ein bisschen fusselig ist, und das muss dann richtig zusammenknautschen und da sehe ich dann, das Ding reagiert darauf."
Wie zum Beispiel einen Notruf abgeben. Das kann die beige Strickjacke, die die Schneiderpuppe in der Ecke des Ateliers trägt.
"Das ist die Notfallstrickjacke. Hier sind wir so vorgegangen, dass wir mit Schlaganfallpatienten zusammen gesessen haben und gefragt haben, was braucht ihr im Alltag, was sind so für Hindernisse. Und da haben die gesagt, wenn ich alleine zuhause leben und so eine Notfallsituation ist, dann soll ich immer so einen großen roten Notfallknopf mit mir rumtragen. Und das sieht total doof aus und ist stigmatisierend. Und ich will ja nicht mit so einem Ding rumlaufen. Und dann haben wir gesagt, nee da habt ihr ja Recht. Lass uns das integrieren in so eine normale Jacke. Und dann haben wir halt diesen kleinen LillyPad genommen und der funkt quasi mit dem Handy wenn eine Notfallsituation da ist. Dann muss ich nur mit dem leitenden Teil auf die Tasche fassen und dann wird der Notruf ausgelöst."
Pulswärmer die auf Überlastungen im Handgelenk hinweisen. Mit Sensoren versehene Handschuhe, die es Taub-Blinden ermöglichen zu kommunizieren. Joost glaubt, dass smarte Textilien vor allem in der Medizin und Reha großflächig zum Einsatz kommen werden. Neben dem Militär und der Weltraumforschung einer der Bereiche, aus denen auch im letzten Jahrhundert die meisten Inspirationen für die Weiterentwicklung herkömmlicher Textilien kamen.
"In der vorindustriellen Zeit – da gibt es Wolle - größtenteils hat man sich mit Wolle gekleidet, mit Leinen und das ist Flachs, oder mit Hanf, das hab ich hier liegen – und das sind alles Fasern die relativ langstaplig sind, das heißt, dass jede Faser schon mehrere Zentimeter hat. Und wenn man dann jetzt ein bisschen so bearbeitet hier sieht man jetzt, da ist die Leinenfaser drin in dem Flach und das wird dann rausgewaschen und die ist mit einem leichten Leim ummantelt und das macht nachher, dass die Faser ganz schön glänzend ist."

Kratzfreie Wolle ist nicht smart

In der Werkstatt eines Kellers der technischen Universität Berlin, hat Josephine Barbe, Dozentin für Modegeschichte und Textiltechnik, eine kleine Ausstellung zusammengestellt. Armlange Hanf- und Flachsstängel ragen aus einer Vase, Baumwollzweige mit wattebauschähnlichen Knospen, Schurwolle von Crossbred- und Merinoschafen häuft sich auf dem Tisch neben den weiß schimmernden Kokons der Seidenraupen. Alles Materialien, aus denen bis vor 150 Jahren ein Großteil unserer Kleidung bestand, sagt Barbe. Alles Materialien, die heute gerne imprägniert werden oder gemischt, mit Chemiefasern wie Elastan oder Polyester.
"Dann wird einfach ein Bad mit einer Chemikalie hergestellt und da wird das durchgezogen und dann ist da ein hauchdünner Film drum rum, das macht sie dann auch nicht filzfähig."
Als smart würde man die nun kratzfreie und waschmaschinenfeste Schafwolle zwar nicht bezeichnen, meint Barbe. Auf jeden Fall aber als praktisch und alltagstauglich. Das Aufkommen von Kunststoffen sei schon die Grundlage für die Entwicklung immer potenterer Textilien.
"Alles, was wir heute so an smart textiles haben, beruht auf dieser Entwicklung und auf der Entwicklung von den ganzen Polygeschichten Polyester aus Erdöl."
Die Erfindung des Viskoseverfahrens, mit Hilfe dessen pflanzliche Zellulose in unterschiedlichen Chemikalien gelöst wurde markiert Ende des 19. Jahrhunderts den Beginn eines Feldzug der Erdöl- oder Erdgasbasierten Synthetikfasern. Fasern, die im Vergleich zu ihren natürlichen Vorgängern eine ganze Menge neue Eigenschaften mitbringen. Sie sind dehnbar, temperaturbeständig, leicht zu waschen und beinahe unverwüstlich. Wie Nylon zum Beispiel - oder das deutsche Pendant Perlon. Diese ersten vollsynthetischen Fasern machten Ende der 1930er Jahre, zunächst als Damenstrümpfe Karriere, bevor sie dann vor allem im Kriegsgerät Verwendung fanden.
"Das war so dass in der Zeit die Seide nicht ankam aber die ganzen Fallschirme waren aus Seide und das hat man dann sofort in Perlon gemacht – also der Krieg hat die Entwicklung vorangebtrieben? Sehr stark auch die Reifen der Panzer wurden aus Perlon gemacht."
Aus Perlon wurden Hochdruckschläuche für Flugzeugreifen gemacht, Seile aller Art und Borsten für die Reinigung von Waffen. Josephine Barbe weist auf den groben Polyesterbrocken auf dem Tisch vor sich. Mit den alten Plastikpullis, in denen man wie verrückt schwitze und beim An- und Ausziehen Funken schlug, haben die neuen Funktions-Gewebe zum Glück nichts mehr gemein.
"Das hier ist Polyester. Das ist erstmal so ein Klotz mehr oder weniger das wird durch Hitze aufgeweicht wird dann flüssig durch dünne Düsen gepresst. Und da muss man gucken wie der Umfang der Düsen ist, wenn die so ganz glatt und nur rund sind, dann hat man das dass man furchtbar drin schwitzt, wenn man aber Hohlräume mit einbaut dann ist das nicht mehr so schlimm. Letztendlich kann man das für die ganzen Sporttextlien wunderbar nutzen dass die Faser keine Schweiß aufnimmt und keine Feuchtigkeit Wenn man sich jetzt einen Fußballspieler vorstellt, der im Baumwoll T-Shirt die WM spielt dann würde der rumlaufen in klatschnassen T-Shirts und die neuen Sporttextilien, die sind ja jetzt auch so, dass doie an den Stellen an denen man besonders schwitzt, an den Achseln, am Rücken oder so, dass die das woanders hinleiten. Durch so Nanoröhrchen, die in das Material eingebaut sind, die das an alle Stellen bringen. Das kommt aus der Weltraumforschung, weil die Menschen die in der Schwerelosigkeit leben, bei denen ist das ja so dass die furchtbar schwitzen. und dass der Schweiß an den Stellen bleibt. Und da muss man gucken wie man das verteilt. Und Man macht sich ja auch so Forschung wie im Militär sehr zu Nutzen um das auch auf uns zu übertragen. Dass wenn wir zum beispiel Bergsteigen, dass wir dann ein Textil anhaben in dem wir weder schwitzen noch frieren, das das alles mitmacht."

Kleidung, die nie dreckig wird

Josephine Barbe findet, es muss nicht unbedingt Strom fließen, damit man eine Faser intelligent nennen kann. Für sie zählen zum Beispiel auch schmutzabweisende Nanofasern zu den smarten Textilien oder Bio Steel - ein neues Material, das die Festigkeit von Spinnenseide imitiert. PET Flaschen tauchen mittlerweile recycelt in Fleece Pullovern auf. Auch aus schnell wachsenden Braunalgen, Bambus oder Chinagras lässt sich mit einem umweltfreundlichen, der Viskoseherstellung ähnlichen Verfahren, Garn mit einer wunderbar weichen und flauschigen Oberflächenstruktur herstellen.
"Wenn man denkt wie die Welt kaputt geht durch die Baumwolle Wir müssen wir umdenken was anderes machen. Mais, Sachen die schnell wachsen, Bambus da kann man ganz wunderbar Stoffe herstellen im Zelluloseverfahren. Ich hab hier mal eins mitgebracht und das ist mit Braunlagen gemacht – die gibt es mehr als genug die werden geerntet, und nach dem Viskoseverfahren hergestellt. Die sidn atmungsaktiv und der Kreislauf der Herstellung ist hier fast credle to credle – alls alles was übrig bleibt wird eingesetzt, es bleibt kein Müll übrig wie bei all den anderen Geschichten. Darum finde ich, ist das ist eine Faser der Zukunft."
Um Fasern der Zukunft geht es auch in den Instituten für Textil- und Faserforschung in Denkendorf bei Stuttgart, dem größten Textilforschungszentrum in Europa. Chemiker, Bauingenieure, Biologen, Textil- und Elektrotechniker arbeiten hier in unterschiedlichen Laboren an Textilien für Spezialanwendungen. Von der Herstellung der Fasern, über das Spinnen bis zum Weben oder Stricken von Geweben sind alle Schritte der Textilproduktion hier an einem Standort versammelt. Mittlerweile eine Seltenheit in Deutschland, wo die Branche, wenn überhaupt vor Ort, sehr zersplittert arbeitet.
"Bevor wir zur Faser kommen, müssen wir erstmal das Polymer herstellen. Das sind die erstmal die Grundbausteine für Polyesterund das sind die Grundbausteine für die Polymere. Wir verschmelzen die und daraus wird dann unter Wasserabspaltung unser Polyamid."

Naturfasern gemischt mit Hightech

Georgios Muggas vom Institut für Chemiefasern und Textilchemie zeigt auf ein paar Flaschen mit salzartigen Krümeln. Er steht vor einer raumgroßen Installation aus Kolben und Röhrchen. Hier wird mit Hilfe unterschiedlicher Reaktoren die sogenannte Polymerschmelze eingeleitet.
"Die Edukte werden wird das hier aufgefüllt und gerührt und dann wird Wasser abdestilliert und so werden die Moleküle quasi verlängert. Das ist wichtig, weil die Eigenschaften des Polyamids hängen im Wesentlichen von der Kettenlänge ab, Nach einer bestimmten Zeit gibt es ein Wasserbad , die Polymerschmelze kühlt dann ab und dann wird so ein Strang - und das wird dann granuliert zu einem Granulat. Hier in dem Fall würden wir das dann wieder schmelzen und dann zur Faser bringen. Das kann man locker zu einem Gewebe machen oder zu einem Textil so verflechten geht auch. In diesem Fall haben sie einem Nomex - ist sehr bekannt als Feuerfeste Materialien ja?"
Eigenschaften wie Flammschutz zum Beispiel erklärt Muggas, werden schon vor der Polymerschmelze mit in den Kunststoff eingebaut, so dass die Faser, die am Ende dabei herauskommt, die Zusatzfunktion gleich mitbringt. Andere Möglichkeiten Textilien auszurüsten, ist das Mischen von Naturfasern mit Hightechfasern oder das Bedrucken und Imprägnieren der jeweiligen Materialien. Es ist das Spezialgebiet von Reinhold Schneider.
"Im Gegensatz zum ursprünglichen Gedanken des Bedruckens, wo also Farbstoffe letztlich für das Bedrucken verwendet werden, verwenden wir hier eben Funktionschemikalien, also Partikel die wir mehr oder weniger auf die Oberfläche von dem Textil ankleben durch den Druckprozess, um so letztlich eine Funktionalisierung zu erreichen."
Im Labor von Reinhold Schneider stehen riesige Drucker und Flaschen mit Tinten, die sich nicht durch ihre Farbeigenschaften sondern durch ihre Funktionen auszeichnen: Wasser- oder ölabweisend- unsichtbare Tinten mit Herstellerinformationen für den Plagiatschutz. Solche die antistatisch, pflegeleicht, heizend oder auch elektrisch leitend sind:
"Ein Material basierend auf Silberpartikeln Hier ist es die Herausforderung wie kann ich die Partikel in der Lösung stabilisieren und gleichzeitig aber nach der Applikation eine hohe Leitfähigkeit erreichen."
Es wird gerade viel geforscht an elektrisch leitfähigen Drucktinten. Sie können Textilien zum Beispiel in Lichtschalter verwandeln. Vorausgesetzt natürlich Lampe und Batterie sind angeschlossen.
"Das ist also hier eine gedruckte Digitalstruktur und wenn Sie das berühren, dann können Sie hier in dem Fall Licht ein- und ausschalten. Das ist ja fantastisch das ist ja ganz feines Material hier… Ja, Sie sehen keine Versteifung Sie brauchen auch keine Angst haben – da geht keine große Spannung drüber. Ist ein Bereich von wenigen Volt."

Der Faden leitet Strom

Gegenüber gedruckten Leiterbahnen hat leitfähiges Garn aber nach wie vor einen Vorteil:
"Damit kann ich einfach diese elektrischen Leitungen anch wie vor sicher realisieren während ich bei den gedruckten elektrischen Leiterbahnen - da gibt es immer noch gewisse Hindernisse. Sie müssen ne relativ hohe Leitfähigkeit haben, dann muss das Ganze knickbruch beständig sein Wasserbeständig. All dieser Herausforderungen das ist gar nicht so einfach, das in die Tat umzusetzen."
Deswegen arbeitet Schneiders Kollege Hansjürgen Horter aus dem Bereich E-Textiles und Sensorik auch nicht mit gedruckten Leiterbahnen sondern mit leitfähigen Garnen. Die verarbeitet er zum Beispiel in Feuerwehrbekleidung.
"Sie haben da drunter ein T-Shirt. Dieses T-Shirt kann EKG zweikanalig erfassen, die Temperatur an der Hautoberfläche. Die Signale werden an die Hauptelektronik in der Schutzbekleidung in der Jacke weitergeleitet. In der Schutzbekleidung haben wir einen Außentemperatursensor und wir haben ne Signalmeldung. D.h. grün - alles ist in Ordnung, gelb – irgendein technischer Defekt weil die Kommunikation unterbrochen ist, oder weil das T-Shirt nicht sauber anliegt - rot Lebensgefahr sei es - die Temperatur außen zu hoch oder das Herz-Kreislauf System überlastet oder was wir noch haben ist ein Ortungssystem, wo von außen erkannt wir, wo sich der Feuerwehrmann befindet, falls er in Not ist, dass er schnell geborgen werden kann."
Intelligente Textilien, die Kommunikationsfunktionen übernehmen, wenn der Mensch der sie trägt, dazu nicht in der Lage ist.
Horters E-Textiles sind für Extremsituationen entwickelt. Nicht für den Alltag. Viele seiner Anzüge sind nach wie vor Prototypen, die es noch nicht zu kaufen gibt - wie etwa der Overall, mit der eingenähten Sensorik, der für Arbeiter gedacht ist, die körperlich besonders belastet sind:
"Da sehen sie nur den Grundanzug, der dient aber dazu, dass wir an den verschiedenen Stellen am Körper Beschleunigungssensoren reinmachen, um die Bewegung zu erfassen oder Haltungsgeschichten. Diese Sensoren, die sind dann am Rücken entlang im Armbereich an verschiedenen Stellen und auch im Beinbereich, so dass man die Gesamtbewegung erfassen kann. Das heißt, es wird jede Stelle ausgewertet, und da brauche ich natürlich entsprechende Elektronik dazu, die die Signale verarbeiten kann."

Selbstversuch mit Tanktop

Ein Besuch bei Antelope in Frankfurt, einem Start Up Unternehmen, das Fitnessanzüge entwickelt, mit denen sich per Elektrostimulation das persönliche Sportprogramm steigern lässt. Im Gegensatz zu den bisherigen EMS Anwendungen unabhängig von Steckdose und Fitnessstudio.
Die Elektronik steckt in der Kleidung, erklärt Antelope Gründer Philip Schwarz. Sie lässt sich jederzeit und überall überstreifen.
Für den Selbstversuch probiere ich ein Tanktop mit Elektroden auf Höhe der Bauchmuskulatur aus. Das fühlt sich an wie ein normales Sportoberteil und sieht auch so aus. Ein enganliegendes ärmelloses Top aus einem Kunstfasergemisch. Demnächst soll es in Serienproduktion gehen. Die letzten Tests laufen gerade und was muss ich jetzt damit tun? Bauch und Rücken muss auf der nackten Haut sein-
Ich stecke den Booster, in dem der Akku und die Elektronik zum Verstärken der Stromstöße steckt, auf die Basisplatte an der unteren rechten Seite meines Shirts.
Du hast ne Impulsphase dann strengst du das an und immer dann wenn du den Impuls spürst machst du die Crunches...
Ein Kribbeln ist im Bauch zu spüren. Das lässt sich einstellen, schwächer und stärker. Je stärker das Kribbeln desto anstrengender die Übungen, erklärt Schwarz. Das merke ich. Nach wenigen Minuten bin ich durchgeschwitzt. Der Muskelkater am nächsten Tag fühlt sich an, als hätte ich mindestens eine halbe Stunde trainiert.

Per Crowdfundig finanziert

Abnehmer für solche Anzüge lassen sich gut vorstellen: Leute, die einen vollen Terminkalender haben und die wenigen Lücken nutzen wollen, um unabhängig von Ort und Zeit möglichst effizient zu trainieren.
"Also jetzt im Moment ist unser Fokus, Leute, die nackt gut aussehen wollen, und zehn gesunde Jahr zusätzlich haben möchten also jeder der sich bewegt ist quasi unser Kunde."
Der Sportsektor ist einer der wichtigsten Anbieter sogenannter Techwear. Alle großen Sportunternehmen forschen in ihren Digital-Abteilungen an Wearables, die etwa Vitalparameter oder Bewegungen ausmessen. Und auch der Curie Chip von Intel - ein neuer Knopfgroßer Minicomputer, wird besonders gerne in Laufschuhen eingesetzt. Auf den Gedanken zu kommen, auch die 60 Jahre alte Elektrostimulationstechnik in Sportbekleidung zu integrieren, scheint in diesem Kontext nicht sehr abwegig. Trotzdem hat das Startup, das sich sein Vorhaben per Crowdfunding finanziert hat, länger gebraucht, als gedacht, um den 1399 Euro teuren Komplettanzug zu entwickeln, den Schwarz nun vor sich auf dem Tisch liegen hat:
"Ziemlich genau 2,5 Jahre. Das ist halt doch komplex: D.h du musst die App entwickeln, die Hardware, das Material, den textilen Aufbau und das dann alles zusammenbringen. Und das hat ziemlich genau 2,5, Jahre gedauert Angefangen im März 2014."
Das Strickgewebe ist aus Polyamid, Polypropylen und Elastan. Die Elektroden sind aus mit Kohlenstoff leitend gemachtem Silikon. Zu den in das Gewebe integrierten Leit-Garnen, will Schwarz nicht viel sagen. Außer, dass sie, um das Ganze elastisch zu machen, nicht die übliche Methode angewandt haben, nämlich eine Kunstfaser mit Leitergarn zu umwinden.
"Und was es ist, möchte ich dir nicht sagen."
Schwarz kann sich noch Einiges für zu Zukunft vorstellen - dass man Funktionen wie Elektrostimulation, Vitalparametermessung und Bewegungskontrolle zum Beispiel kombiniert um beim Training Überanstrengungen vorzubeugen und Fehlhaltungen zu korrigieren. Auch für den Rehabereich hat er einige Visionen. Vor allem aber setzt er auf eine immer bessere Technik.

Kopfschmuck korrespondiert mit Hirn

Die Einladung auf der Website der britischen Designerin Lauren Bowker bringt die Forschungsbemühungen im Bereich e-textiles ziemlich gut auf den Punkt. Auf der einen Seite geht es darum, etwas sichtbar zu machen - wie zum Beispiel Herzschlag, Temperatur oder Bewegungsabläufe. Auf der anderen Seite soll die Technik, die dazu verwendet wird, möglichst unsichtbar sein. Lauren Bowker, die unter anderem für Swarovski Kopfschmuck entworfen hat, der mit der Hirnaktivität seiner Trägerin korrespondiert, oder ein Kleid, das Emotionen farblich widerspiegelt, hat zuletzt eine Accessoire Kollektion für die Kaufhauskette Selfridges kreiert, die auf Licht, Temperatur und Luftdruck reagiert.
"Man kann sich da natürlich fragen warum soll jemand das tragen wollen? Warum sollte ich zeigen wollen was ich fühle. Ich finde aber man sollte sich diese Kreationen mehr unter der Fragestellung anschauen – ist das inspirierend? Und das finde ich schon. Sie inspiriert junge Designer, sich mit der Frage zu beschäftigen, was ist alles möglich mit Technologie?"
Muchaneta Kapfunde beobachtet auf ihrer Webseite Fashnerd seit mittlerweile eineinhalb Jahren technologische Entwicklungen in der Bekleidungsbranche. Es geht ihr darum den Mehrwert aus der Mode-Perspektive aufzuzeigen. Und das heißt, nicht immer sofort die Frage nach der Funktionalität zu stellen. Im Gegenteil: Muchaneta gerät durchaus ins Schwärmen, wenn es etwa um die kaum tragbaren Entwürfe der holländischen Designerin Iris van Herpen geht. Die hat mithilfe der 3-D-Drucktechnik eine ganz neue Formsprache für den Laufsteg entwickelt
"Sie ist eine inspirierende Designerin. Ihre meisten Sachen sind zugegebenermaßen nicht sehr funktional, wir können das nicht auf der Straße tragen. Aber was wir machen können ist, uns ihre Kollektionen anschauen und uns inspirieren lassen und das was sie uns zeigt, vielleicht in unser tägliches Leben, unseren Produkten integrieren."

Heizung in der Kleidung

Wie organische Skulpturen wirken die filigranen, zum Teil aus mehreren tausend 3-D-Print-Einzelteilen zusammengesetzten Kleider der Designerin. Van Herpens letzte Kollektion trug den Namen Lucid. Abstrakte, Korallenartigen Bio-Tech-Strukturen, die auf ihre ganz eigene Art Technik und Natur miteinander verschmelzen. Die Ansätze, mit denen Designer an den Textilien der Zukunft arbeiten, seien extrem unterschiedlich, meint Kapfunde. Die einen interessierten sich mehr für Funktionen, wie die Integration von Heizungen oder Lichtern. Die anderen experimentierten mit neuen Materialien wie neuen Fasern aus Plastik-Müll oder Synthetik Leder aus Kombucha Pilzen. Spannend findet sie vor allem, dass sich in der Mode ganz neue Kooperationen ergeben.
"Auch Designer, die ein bisschen bekannter sind und mehr im Mainstream arbeiten, arbeiten jetzt mit Ingenieuren und Wissenschaftlern zusammen. Das ist neu – weil die bislang eigentlich immer eher traditionelle Textilien verwendet haben. Jetzt hat man aber Marken wie Zac Posen, die kollaborieren mit Intel, weil sie so die Möglichkeit haben etwas zu kreieren, das relevant ist für unsere Zeit. Das lässt sie etwas herausstechen."
Ganz viel Hoffnung knüpft Muchaneta an die jüngsten Forschungen des Georgia Institute of Technology. Hier hat man ein Textil entwickelt, das in der Lage ist, Sonnen- und Bewegungsenergie zu speichern. Sollte solch ein Textil langfristig, die für viele Anwendungen immer noch notwendige Batterie überflüssig machen, sei man unterschiedlichsten Visionen unterschiedlichster Textilforscher einen Riesenschritt näher gekommen.
"Ich glaube wenn wir ein bisschen rauszoomen, dann sind wir immer noch am Anfang von Fashion-Technologie. Es ist immer noch viel Trial and Error. Was funktioniert, was nicht? Wir müssen also den Blickwinkel vergrößern und das über einen längeren Zeitraum beobachten und das versuchen wir. Also zu schauen, wohin das Ganze geht und weniger zu fragen, wo stehen wir heute."