Diese "Weltzeit" entstand im Rahmen einer Recherchereise der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN), die vom Entwicklungsministerium (BMZ) finanziert wurde.
Maschine verdrängt Näherin
20:48 Minuten
Bangladesch exportiert Textilien im Wert von 30 Milliarden Euro – vor allem nach Europa. Seit dem Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza 2013 hat sich die Sicherheitslage dort verbessert. Doch es gibt eine neue Bedrohung für die Arbeiter: durch Maschinen.
Rushhour in Sabhar. 25 Kilometer nördlich von Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Lkws, Autos, Busse und Fahrradrikschas stoßen in jede noch so kleine Lücke vor, um ein bisschen vorwärtszukommen. Am Rande zwischen zwei Gebäuden mit blau und rot aufgemalter Werbung klafft eine Lücke, wo Gras sprießt und Unkraut wuchert. Arbeiter haben den Berg aus Stein, Stahl, Stoff und Körpern längst beiseite geräumt. Am 24. April 2013 war das achtstöckige Gebäude Rana Plaza in sich zusammengebrochen und hatte die Menschen unter sich begraben, die Bekleidung für den europäischen Markt nähten. 1136 Tote, 2500 Verletzte.
Moxuda steht vor den Garküchen und Geschäften, die den Blick auf den Unglücksort versperren. Sie trägt an diesem feucht-heißen Sommertag einen ausgeblichenen Sari und hat sich ein einfaches weißes Baumwolltuch um den Kopf geschlungen, welches ihr bis über die Schultern fällt. Die 45-jährige Frau wirkt erschöpft und hält die Augen nur ein wenig offen.
Zwei Tage nach dem Einsturz hätten die Rettungskräfte die Leiche ihres 18-jährigen Sohnes geborgen, erzählt sie. Sie komme regelmäßig her und bete für ihn. Dabei treffe sie auch immer wieder andere Mütter von Opfern.
Rana Plaza – das schwerste Industrieunglück in Bangladesch
Aus dem Getümmel strecken zwei überdimensionierte Hände aus verwittertem Beton demonstrativ einen Hammer und eine Sichel nach oben. Mit dem kleinen Denkmal erinnern linke Studenten an die Opfer des schwersten Industrieunglücks in der Geschichte des Landes. Der Staat hält das nicht für nötig.
Rana Plaza ist bis heute das Synonym für die Missstände in der Textilindustrie: Menschen im Globalen Süden schuften oft zu erbärmlichen Löhnen in gefährlichen Fabriken und stellen die Bekleidung her, mit der sich Menschen vor allem im Globalen Norden einkleiden. So hätte es die Textilfabrik Rana Plaza niemals geben dürfen. Denn sie stand auf einem sumpfigen Gelände und die Statik war ungeeignet für die schweren Stromgeneratoren. Schon vor dem Kollaps gab es Risse in den Wänden. Trotzdem zwangen Vorgesetzte die Näherinnen weiterzuarbeiten.
Auf die Katastrophe folgte ein internationaler Aufschrei. Nun stieg der Druck auf die Fabrikanten und vor allem deren Auftraggeber – Handels- und Modeunternehmen aus dem Globalen Norden –, die Missstände abzustellen.
Der staatliche Arbeitsinspektor Sanjoy Kumar gehört zu denjenigen, die für die Einhaltung der Arbeitsgesetze in Fabriken sorgen sollen. Er steht auf dem Dach der Fabrik Hop Lun. Neben ihm der Personalchef. Man sieht von hier oben auf eine Baustelle, Hochhäuser und kleine Wellblechhütten, den Verkehr auf der Dhaka-Mymenshingh Road und hört den Muezzin. Aber Sanjoy Kumar interessiert sich jetzt nur für Treppen und Türen.
"Warum sind wir hergekommen? Es ist die oberste Etage und die Türen sind offen, so dass die Arbeiter bei einem Unfall einfach hinauf können. Für diesen Fall schaue ich mir an, ob die Türen offen oder geschlossen sind."
Der Arbeitsinspektor macht Häkchen
Alle Türen sind unverschlossen, der Arbeitsinspektor macht ein Häkchen. Dann befragt er den Personalchef nach den Notfallübungen.
"Alle sechs Monate überprüft die Feuerwehr die Praktiken und jeden Monat machen wir es selbst."
Der Arbeitsinspektor schaut sich mehrere Stunden in der Fabrik um, läuft durch die Etagen in denen Stoffe geschnitten, genäht und verpackt werden.
Der Kontrolleur spricht mit Arbeiterinnen genauso wie mit der fabrikeigenen Ärztin und prüft den Vorrat an Medikamenten und Verbandsmaterial, inspiziert die Generatoren, die Kantine und sogar den Betriebskindergarten. Er macht viele Häkchen auf seiner Liste.
Negativ fallen ihm die großen Müllballen aus Kleidung auf, die Arbeiter im Hof verladen. Hop Lun müsse darauf achten, dass hier nicht das zulässige Gewicht überschritten werde, mahnt er. Hop Lun war aus Sicht der Arbeiter früher keine Vorzeigefabrik und es gab erheblichen Druck als Beschäftigte eine unabhängige Betriebsgewerkschaft gründen wollten.
Die junge, selbstbewusste Urmi, heute Betriebsratsmitglied, gibt sich kämpferisch: Sie hätten damals Drohbriefe bekommen. Ihnen sei mit der Kündigung gedroht worden, wenn sie weiter für eine Gewerkschaft werben.
Hop Lun ist mittlerweile eine Vorzeigefabrik, sonst würden sie wohl auch keine Journalisten hereinlassen. Doch die Fabrik ist kein Einzelfall. Unabhängige Experten stellen den hiesigen Textilfabriken, die für den Export produzieren, ein gutes Zeugnis aus.
"Die Sicherheit in den Fabriken hat sich seit 2013 deutlich verbessert", sagt Rob Wayss. Der ehemalige US-Gewerkschafter leitet den sogenannten Bangladesch Accord. Die Organisation wird getragen von rund 200 Modeunternehmen aus Europa, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Sie wurde nach der Katastrophe aus der Taufe gehoben, um die Sicherheit der Fabriken zu überprüfen.
Als Treffpunkt hat der Amerikaner den Deutschen Club in der Hauptstadt Dhaka vorgeschlagen. Eine hohe Mauer schirmt ihn ab. Nichtmitglieder brauchen eine Einladung, müssen ihren Ausweis vorlegen und in der Sicherheitsschleuse warten. Rob Wayss bevorzugt solche Treffpunkte seit dem Anschlag islamistischer Fundamentalisten auf ein Restaurant, das gerne von Ausländern besucht wurde. 28 Menschen starben 2016, 20 Geiseln, vor allem Ausländer, sechs Terroristen und zwei Polizisten. In diesen Tagen im Sommer 2019 hat der Prozess gegen die mutmaßlichen Drahtzieher begonnen.
Maschinen brauchen kein Essen, Pausen oder Freizeit
Der Bangladesch Accord hat mehr als 36.000 Inspektionen durchgeführt. Einige Fabriken mussten schließen, über 1200 sind saniert worden. Wer in einer für gut befundenen Fabrik näht, braucht keine Angst mehr haben, dass das Gebäude unter ihm zusammenbrechen könnte. Jetzt droht den Arbeitern eine andere Gefahr. Immer mehr Tätigkeiten in der Textilindustrie können günstig maschinell erledigt werden. Maschinen verdrängen Menschen.
Der Name des Vorzeigeunternehmens Hop Lun heißt so viel wie "gute Hoffnung". Zu ihm gehören acht Textilfabriken in China, Indonesien und Bangladesch. In dem Werk in Dhaka arbeiten alleine 6100 Menschen, davon 85 Prozent Frauen. 3427 Nähmaschinen rattern in den Etagen, in die große Wandventilatoren Luft schaufeln. Näherinnen tragen luftige Saris und sitzen häufig barfuß an den Nähmaschinen. Sie nähen Unterwäsche für H&M, C&A, Carrefour und Lidl. Auf Tafeln hängen richtig und falsch produzierte Schlüpfer.
Drei Millionen Stück nähen sie in einem Monat. Die Schicht geht von 8 Uhr morgens bis 17 Uhr. Mittags können sie in dieser Fabrik sogar in einer Kantine essen gehen. Aus großen Kesseln schöpfen die Köche Reis und Curry.
"Here is a Curry, there is an other Curry, vegetables, different types of Curry."
Maschinen brauchen kein Essen, Pausen oder Freizeit und sie arbeiten akkurat. Automatisierung ist auch bei Hop Lun ein Thema, weiß Werksleiter Suntharalingam Amilthan. "Wir hatten diese Debatte, als die letzte Mindestlohnanpassung kam."
Das war vergangenen Winter. Denn Hop Lun – gegründet von dem Schweden Erik Ryd 1992 – will mehr Geschäfte machen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll die Produktion verdoppelt werden. Bei den Nähbetrieben gibt es einen Trend zu immer größeren Unternehmen und einen gehörigen Verdrängungswettbewerb.
Effiziente Produktionsweisen spielen zentrale Rolle
In Bangladesch ist die Zahl der für den Export nähenden Betriebe seit dem Unglück von Rana Plaza 2013 um gut 2000 auf 4000 Fabriken gesunken. Eine zentrale Rolle beim wirtschaftlichen Überleben spielen effiziente Produktionsweisen und hier kommen die Maschinen ins Spiel.
"Auf dem Markt gibt es einen großen Wettbewerb und wer die niedrigsten Kosten hat, bekommt das Geschäft."
China macht es gerade vor und versucht den steigenden Löhnen in der Textilindustrie durch Teil- und Vollautomatisierung zu begegnen. Zu Beginn seiner Karriere hat der Manager auf Geheiß seines Arbeitgebers bei dem Autobauer Toyota hospitiert – einem Vorreiter der industriellen Automatisierung.
"Als ich in Sri Lanka war, wurde ich für sechs Monate zu Toyota geschickt. Es hatte nichts mit Bekleidung zu tun, ich baute Autos. Sie wollten, dass ich eine andere Branche kennen lerne und unsere Branche aus einem anderen Blickwinkel betrachte, nämlich Automatisierung, Automatisierung. Du versuchst die Taktzeit zu verkürzen, all diese Dinge."
Roboter und Algorithmen können immer mehr Aufgaben bewältigen und werden immer billiger, was ein Vergleich zeigt: Die Herstellung der Speicherkapazität eines heutigen iphone 7 hätte in den 1980er-Jahren 1,2 Millionen US-Dollar gekostet. Heute sind es gerade noch einmal rund 220 US-Dollar.
"So wie die Industrie heute ist, ist sie nicht fair"
Eine Stadtvilla in Dhaka. In dem Erdgeschoss stehen geschnitzte Stühle um einen dunklen viereckigen Tisch, an dem 14 Leute bequem sitzen können. Darüber hängt ein Kristallleuchter. Orchideen, silberne Tabletts und Kunstwerke zieren den Raum, wie das Gemälde, das eine Frau in einem Sari zeigt auf deren Schulter ein Vogel sitzt. Hier residiert die Präsidentin des mächtigen Verbandes der Textilunternehmer BGMEA. Sie ist gerade auf Reisen. Vizepräsident Asif Ibrahim überrascht mit seiner Einschätzung zu den Machtverhältnissen in der Textilwirtschaft in Bangladesch.
"So wie die Industrie heute ist, ist sie nicht fair."
Sein Kollege Miran Ali ist Geschäftsführer bei der Bitopi Group, einer in Familienhand liegenden Textilfirma, die seit Mitte der 80er-Jahre vor allem Jeanskleidung aus dem robusten Denim für den Export produziert. Der Unternehmer wird beim Thema "Automatisierung in den Textilfabriken" ernst und holt aus.
"In der Pulloverindustrie wurden Pullover früher ausschließlich von Hand hergestellt. Männer arbeiteten noch vor vier Jahren an handbetriebenen Flachstrickmaschinen. Wir waren überrascht zu sehen, dass in ein paar Jahren alles verschwunden ist. Jetzt gibt es Maschinen aus Deutschland und Japan, alle möglichen neuen Maschinen. Vor sieben bis acht Jahren hat sich das noch nicht gerechnet. Heute ist der Preis aber auf einem Niveau, wo es sich rechnet. Wir haben aber keine massiven sozialen Verwerfungen gesehen, weil die Wirtschaft von Bangladesch schnell wächst und diese Menschen aufnehmen kann."
Bangladeschs Wirtschaft wächst am schnellsten in Asien
Bangladeschs Wirtschaft wächst mit hohen Wachstumsraten und wird – so die Prognose der Weltbank – 2020 sogar die am schnellsten wachsende Wirtschaft in Asien sein. Schon bald könnte das Land in die Gruppe der Länder mit mittlerem Einkommen aufsteigen und den Status eines Entwicklungslandes hinter sich lassen.
Miran Ali ist im Laufe des Gesprächs nachdenklich geworden. "Es wird die Zeit kommen, in der ein anderer Bereich der Branche automatisiert wird, und wir vielleicht nicht das gleiche Glück haben wie jetzt und die Menschen nicht mehr in einem anderen Sektor unterkommen."
Der Unternehmer spricht von einer Zeitenwende in der ältesten Industriebranche der Welt.
"Es ist eine große Aufgabe und neue Lage. Als die Industrie von Deutschland nach Osteuropa und dann in die Türkei abwanderte, war es die arbeitsintensive Branche, die sich bewegte."
Die Bevölkerung wird digital ausgebildet
Der großen Aufgabe versucht sich Bangladesch zu stellen, indem es schon begonnen hat, seine Bevölkerung digital auszubilden, in Schulen und Ausbildungszentren. Das ist wichtig, um die Textilindustrie weiterzuentwickeln, aber vor allem auch, um Menschen für andere Jobs zu qualifizieren.
"Asamulekum and Good Morning." Annika ist Schülerin der 12. Klasse an einer Oberschule in der Stadt Sabhar im Großraum Dhaka. Hier gibt es bereits 22 Räume in denen Lehrer Computer und Beamer beim Unterricht einsetzen können und einen Computerraum mit mehr als 30 Plätzen. Die Schülerin erklärt hier ein vom Staat initiiertes soziales Netz für Schüler. Sie könnten selbstgeschriebene Texte oder gemalte Bilder einstellen, Gedanken austauschen oder Wissensfragen stellen und sich gegenseitig helfen. Hier gebe es Neuigkeiten aus dem Sport oder Hinweise für lokale Veranstaltungen. Die Schülerin findet das wichtig.
Ein Lehrer stellt ein Netzwerk vor, indem sich die Unterrichtenden austauschen können – den Teachers Collaboration Hub. Diese Projekte hat das staatliche Programm a2i angeschoben, unterstützt unter anderem von der US-Entwicklungshilfeorganisation USAID.
"Digitalisierung ist neu für uns"
Zurück in Dhaka. Zwei aus Platinen und sonstigen Elektronikteilen zusammengeschweißte Skulpturen, die nebeneinander nach vorne rennen. Digitale Desire – digitale Wünsche, heißt das Kunstwerk. Wenige Meter weiter ist das Gebäude, in dem das Programm a2i untergebracht ist. Anir Chowdhury leitet das Programm und berät die Regierung in Fragen der Digitalisierung. Beim Gespräch kommt er auf die Programme an den Schulen zu sprechen.
"Lehrer werden befähigt und Schüler ebenfalls. Wir haben das Lehrerportal vor acht Jahren gestartet, mit 22 Lehrern. Jetzt machen über 400.000 Lehrer mit. Sie teilen Inhalte oder Unterrichtsmethoden und unterrichten sich gegenseitig. Das ist eine Möglichkeit des Peer-to-Peer-Lernens für Lehrer."
Anders könnten die Lehrer in Bangladesch gar nicht so schnell weitergebildet werden wie es notwendig sei, findet der Digitalexperte. Schließlich gebe es eine Million Lehrer im Lande, aber nur 70 Weiterbildungsinstitute. Noch stehe das Land bei der Digitalisierung aber erst am Anfang.
"Digitalisierung ist neu für uns. Wir sind spät in das Spiel eingetreten. Wir machen dies seit zehn Jahren und richtig erst seit fünf Jahren."
Jenseits mancher Musterschulen ist noch nichts geschehen, wie in einer riesigen Armensiedlung der Stadt Millionenstadt Naryanganj erlebbar.
Schüler stehen auf dem Hof unter Bäumen und sprechen einer Lehrerin nach. Dann geht es in die drei Schulräume, in denen es keine Computer gibt. Kinder haben von ihnen gemalte Bilder aufgehängt. Auf einigen sind Häuser in bunten Farben, die in grünen Gärten stehen und über denen die Sonne scheint.
70 Prozent der Jugendlichen sind arbeitslos
Aber über ihrer Zukunft hängen düstere Wolken. 70 Prozent der Jugendlichen hier seien arbeitslos, erzählt eine Sozialarbeiterin. Viele Erwachsene fänden ebenfalls keine Arbeit. Über Lehmwege und an Pfützen vorbei geht es zu der Hütte, in der Mina mit ihrer Familie wohnt. Im schmalen Mittelgang stehen zwei blaue Plastiktonnen für Wasser. Daneben sind einige gespülte Blechschüsseln und Latschen. Eine Energiesparlampe baumelt an der Decke. Die Türen sind aus Latten und Fliegengitter gezimmert.
Mina hat in einer Textilfabrik in Bangladesch gearbeitet. 30.000 Takka bekam sie als Näherin, mehr als das Dreifache des Mindestlohns von 8000 Takka. Aber die 30-Jährige klagt über die harte Arbeit und unzureichendes Essen in der Fabrik. Derzeit hat sie keinen Job. Eine alte Freundin aus der Nachbarschaft ist vor sieben Jahren auf die Insel Mauritius gegangen und arbeitet dort in einer Textilfabrik. Seitdem hört Mina die Geschichten von der besseren Bezahlung und einem angenehmen Arbeitsklima.
Ob das stimmt, wird sie bald selbst erfahren. Sie hat einen Vertrag bei einer Agentur unterschrieben. Dafür hat sie einen Kredit bei der Agentur in Höhe von 90.000 Takka aufgenommen – das Dreifache ihres bisherigen Jahresverdienstes. Ihr zweieinhalbjähriger Sohn sitzt auf ihrem Schoß während sie erzählt, dass sie demnächst für drei Jahre nach Mauritius geht, um dort als Näherin zu arbeiten.
Sicher, ihre drei Kinder seien über ihre Entscheidung unglücklich, erzählt sie. Aber dann überlege sie sich, wenn sie Geld verdiene und schicke, sei das besser für die Kinder, dann könnten sie eine gute Ausbildung machen.
Ausbeutung auch in der digitalen Wirtschaft
Die Überweisungen der in der Fremde arbeitenden Gastarbeiter sind schon heute der zweitwichtigste Exportposten des Landes, nach den Textilien. Die Automatisierung der Textilindustrie könnte dazu führen, dass sich bald noch mehr Frauen auf den Weg ins Ausland machen. Dank digitaler Ausbildung könnten aber auch mehr Menschen in Bangladesch selbst eine Arbeit finden. Allerdings droht dort in der digitalen Wirtschaft genauso Ausbeutung wie in der analogen Wirtschaft.
Schon heute gehört Bangladesch zu den Ländern, die einen großen Teil der Clickworker stellen, also jener Menschen, die selbständig in digitalen Wertschöpfungsketten arbeiten. Selbst gut ausgebildete Menschen reißen sich aus Mangel an Alternativen bereits um die häufig einfachen, monotonen und repetitiven Tätigkeiten, bei denen sie etwa kleine Produkttexte verfassen, Suchaufträge übernehmen, die Klickzahlen kommerzieller Webseiten hochtreiben oder das Internet auf verbotene Inhalte durchsuchen, beispielsweise für Facebook. Schon warnt "Brot für die Welt" in einer Studie vor einem "digitalen Kolonialismus".