Angetrieben von Wut und Weltekel
Der Sänger der britischen Post-Punk-Band The Fall, Mark E. Smith, ist tot. Er starb gestern im Alter von 60 Jahren. Auch wenn ihm der große kommerzielle Durchbruch nicht gelang, wurde er für seine musikalische Konsequenz von vielen bewundert.
Carsten Beyer: Mark E. Smith war Sänger der Band The Fall, benannt nach dem Roman von Albert Camus, und eigentlich war Smith die Band selbst. Er hat sie gegründet und war einzig konstantes Mitglied in 40 Jahren Bandgeschichte. Wie er selbst einmal sagte: "If it’s me and your granny on bongos, it’s The Fall". Gegründet hat er The Fall mit 20 Jahren, nun ist Mark E. Smith gestern im Alter von 60 Jahren gestorben. Ich bin jetzt mit meinem Kollegen Dirk Schneider verbunden – es gibt nur wenige Musiker, die einen derart konsequenten musikalischen und auch persönlichen Weg gegangen sind, oder?
Dirk Schneider: Das kann man wohl so sagen. In den 70er-Jahren hat Mark E. Smith schon mal gesagt, sein Lebensziel sei, mit The Fall Musik zu machen solange es nur geht. Zuletzt ist er sogar im Rollstuhl aufgetreten, und man konnte jetzt lesen, dass er bei einem Konzert, als es ihm nicht gut ging, aus der Garderobe gesungen hat, während seine Band auf der Bühne stand.
Beyer: Also ein radikaler Typ, persönlich wie auch musikalisch. Er gilt ja als musician’s musician, also als jemand, der sehr großen Einfluss hatte, beim Publikum aber nie richtig erfolgreich war. Warum war er so einflussreich?
Vorbild für andere Musiker
Schneider: Ich glaube, er wurde vor allem für seine Konsequenz bewundert, mit der er sein Ding gemacht hat. Es gibt ein anderes schönes Zitat von ihm: "Beware of all enterprises that require new clothes", also: Hüte dich vor allen Unternehmungen, für die du neue Kleider brauchst, und das beschreibt ganz gut seine Lebenseinstellung.
Er steht aber auch musikalisch ziemlich einsam dar. Gegründet hat er The Fall 1976, nachdem er ein Konzert der Sex Pistols gesehen hat, und damit ist er nicht alleine, viele Bands haben sich gegründet nachdem sie gesehen haben, dass man keine Instrumente beherrschen muss, um auf der Bühne zu stehen. Aber Smith war nicht wirklich Punk, er hat eine ganz eigene Stimme gefunden und einen ganz eigenen musikalischen Stil, zwischen rumpelndem Pub-Rock, Krautrock, er war großer Verehrer der deutschen Band Can, und Klangkunst.
30 Alben hat The Fall gemacht, und davon war sicher nicht alles genial. Aber Vieles. Smith hat auch tolle Popsongs geschrieben, viele Stücke waren aber auch einfach nur eine Untermalung seines wirklich absolut unverwechselbaren Sprechgesangs. Diese Band und dieser Mann waren einfach beeindruckend, sie hatten etwas Monolithisches, sie standen dafür, dass es möglich ist, etwas ganz eigenes zu schaffen, und darin war Smith für viele Musiker Vorbild, er hat wie die Sex Pistols viele Menschen dazu inspiriert, Musik zu machen.
"Er ist nicht stehen geblieben", Smith habe immer "im Hier und Jetzt Musik gemacht". So würdigte Schriftsteller Frank Witzel den verstorbenen Musiker in Deutschlandfunk Kultur. Lesen und hören Sie hier unser Gespräch mit ihm.
Und er war schon als junger Mann von einer Wut und einem Weltekel angetrieben, dessen Ursprung man nicht kennt, aber eigentlich war ja immer klar, dass man dieser Welt sehr gut mit Abscheu begegnen kann, doch den meisten Menschen tut das zu sehr weh und sie setzen lieber auf die Hoffnung.
Beyer: So ganz nüchtern hat Mark E. Smith das aber auch nicht ausgehalten.
Schneider: Nein, er hat sich, zumindest in den früheren Jahren, bestimmt so einiges eingeworfen, und er war bis zuletzt schwerer Trinker, er hat auf jeden Fall nicht gesund gelebt. Über seine Todesursache ist allerdings im Moment noch nichts bekannt. Allerdings hatte die BBC letztes Jahr schon zu seinem 60. Geburtstag fälschlich seinen Tod gemeldet, auch da war zunächst niemand wirklich überrascht, Smith hat das damals mit Humor genommen.
Ein Sohn der Arbeiterklasse
Beyer: Dabei hat Mark E Smith die Presse nicht gerade geliebt.
Schneider: Nein, sicher nicht, obwohl er in Interviews auch wahnsinnig charmant sein konnte. Iich selbst habe ihn leider nie getroffen, im Begleitschreiben zu einem seiner letzten Alben hieß es, wenn man ihn interviewen wolle, müsse man in einfach in seinem Lieblingspub besuchen und ihn ansprechen – das klang schon überraschend nach Altersmilde. Es gab im Winter noch ein Interview im Guardian, in dem er gefragt wurde, ob es für ihn sehr wichtig sei, wütend zu bleiben, und er hat mit Stolz geantwortet: Oh ja, die Leute würden immer noch die Straßenseite wechseln, wenn sie ihm begegnen. Er könne immer noch alleine einen Pub leer räumen, und das sei einfach sein Talent.
Er ist ein Sohn der englischen Arbeiterklasse, und er hat immer aus der Sicht des Underdogs auf die Welt geschimpft und auf all die Verlogenheiten, die damit einhergehen, in dieser Welt etwas werden zu wollen. Und bestimmt hat er sich auch ein bisschen selbst gehasst. Aber er hatte auch viel Humor, und nach einigen seiner Songs zu urteilen auch viel Zärtlichkeit.
Beyer: Würdest du sagen dass es solche Typen heute nicht mehr gibt?
Schneider: Ich weiß es nicht. Es ist verlockend, so etwas zu sagen, aber ich glaube, Typen wie Mark E. Smith gab es auch früher nur sehr selten.