"The Kankobela of the Batonga" aus Sambia

Afrikanische Klänge, auf Vinyl gerettet

Von Arndt Peltner |
Sterbende Klänge, schon das Wort schmerzt. Tatsächlich gibt es kaum noch zwei Hände voll Musiker, die aus dem Lamellophon beziehungsweise der Kankobela Klänge zaubern können. Produzent Michael Baird hat die letzten verbliebenen in Sambia gefunden – und ihre Lieder auf Vinyl gepresst.
Wer heute in den verschiedensten Städten auf dem afrikanischen Kontinent das Radio einschaltet, wird vor allem von westlich geprägter Musik beschallt.
Was wir als Welt- und Rootsmusik aus Afrika kennen, geht dort immer mehr verloren. Die Jugend in den Megacities Lagos, Kinshasa, Nairobi oder Luanda hört lieber HipHop als die handgemachte Musik ihrer Eltern und Großeltern.
Die Folge: Traditionen, Bräuche und sogar alte Volksinstrumente gehen allmählich verloren. Höchste Zeit, dem allgemeinen Vergessen entgegenzuwirken.
Arndt Peltner stellt eine neue Vinyl-Platte vor, für die Musik gesammelt wurde, die man heute kaum noch in Sambia findet.
Schnell schnippen, darauf kommt es an: Der Instrumentenforscher Klaus-Peter Brenner spielt in der Musikinstrumentensammlung der Göttinger Universität ein Lamellophon, ein Instrument, das er in Afrika erstanden hat; Aufnahme von 2009
Schnell schnippen, darauf kommt es an: Der Instrumentenforscher Klaus-Peter Brenner spielt in der Musikinstrumentensammlung der Göttinger Universität ein Lamellophon, ein Instrument, das er in Afrika erstanden hat; Aufnahme von 2009© picture-alliance/ dpa / Michael Stang

Manuskript zum Beitrag:
Ein Trauersong von Nyeleti Mukkuli, ein Mitglied der Batonga, die an den Ufern des Lake Kariba in Sambia und Simbabwe leben. Mukkuli spielt die Kankobela, ein Lamellophon oder auch Daumenklavier genannt, das in der afrikanischen Roots-Musik weit verbreitet ist. Von Ost-Nigeria bis nach Südafrika wird dieses Instrument mit den vielen Namen gespielt. Noch gespielt. Es gibt zwei Arten des Lamellophons. Aus dem Kongo kommt die Ikembe, eine Art hohle Box. Aus dem Zambesi Tal stammt die Kalimba, ein flaches Brett, das über einem Hohlkörper, zum Beispiel einer Kalebasse gespielt wird.
Michael Baird wurde in Sambia geboren, damals noch die britische Kolonie Nordrhodesien. Heute lebt er in den Niederlanden und betreibt dort das Independent Label SWP-Records. Seine Liebe zur afrikanischen Musik, gerade aus seinem Geburtsland, hat er nie verloren. Nun hat Baird ein neues Album auf SWP veröffentlicht, die Vinyl-Platte "The Kankobela of the Batonga". Es sind Aufnahmen, die Michael Baird selbst in Sambia aufgezeichnet hat.
"Oh, es ist wunderbare Musik. Altertümlich und gleichzeitig klingt sie für mich so modern. Sie ist auch funky und mysteriös und sehr persönlich.

Man hat zwei Tonreihen, die man gegeneinander spielt, zwei ungleiche Zeitmuster also, und dazu kommt es doch zu einer Harmonie, die total rhythmisch ist. Es gibt dabei aber auch Melodien. Ich sage immer, das ist dieses 1+1 ist 3-Prinzip, was man so oft in der afrikanischen Musik findet.
Da ist ein Rhythmus und dagegen spielt man einen anderen, das nennt man polyrhythmisch. Aber daraus entsteht ein dritter Rhythmus, der die Summe aus den beiden ist, die man gegeneinander spielte. Da ist also der erste, dann der zweite und schließlich der dritte Rhythmus. Also 1 + 1 ist 3. Und das ist ganz klar in den verschiedenen Lamellophon-Traditionen."
Die Instrumente werden von den Musikern selbst gebaut, ganz auf ihre persönlichen Bedürfnisse und ihre musikalischen Ideen auch tonlich abgestimmt. Die Anzahl der Töne reicht von 8 bis 14.
Michael Baird war von den Feldaufnahmen Hugh Traceys in Afrika beeindruckt, der Musikethnologe, der in den 30er, 40er und 50er Jahren durch die Länder reiste, um vor Ort die vielfältige Musik aufzuzeichnen und zu dokumentieren. Auch diese Alben findet man auf SWP Records. Baird ließ sich von der Arbeit Traceys inspirieren und begann selbst mit "Field Recordings". 1996 reiste er nach Sambia und nahm seinen ersten Kankobela Spieler auf. 2006 folgte eine weitere Reise, diesmal größer angelegt:
"Ich ließ über diesen wunderbaren Lokalsender Radio Chikuni die Nachricht verbreiten 'Mister Mies Busch-Studio ist wieder da und er sucht Kalumbu Spieler, das ist das einsaitige Streichinstrument, und Kankobela Spieler'. Da kamen also einige Musiker an dem Tag dorthin, wo ich aufnehmen wollte. Aber nur Kankobela Spieler tauchten auf und ich fragte, wo die anderen seien. Und die Antwort war deprimierend, es gäbe nur noch einen weiteren. Ich meinte, ihr macht einen Witz. Aber sie sagten, Nein, Nein, kein junger Mann will das Instrument mehr lernen. Es stirbt aus."

Noch 16 Kankobela-Spieler in den sambischen Dörfern

Michael Baird wusste, er musste handeln, um diese Musik zumindest noch weitgehendst zu dokumentieren. Erneut reiste er nach Sambia:
"Ich habe alle noch verbliebenen Musiker aufgenommen. Alles alte Männer, der älteste war 81 Jahre, der jüngste 57. Und das war 2008. Ich weiß gar nicht, wie viele von ihnen noch leben. Das ist wirklich eine traurige Angelegenheit."
Baird reiste durch die Dörfer entlang des Karibasees auf der Suche nach den letzten Kankobela Spielern der Batonga. Geradenoch 16 fand er, einige von ihnen waren mehr als überrascht, dass da dieser Weiße von weither angereist kam, um ihre Lieder aufzunehmen und sie dafür auch noch zu bezahlen. Doch der Aufwand lohnte sich, so Baird, die Musik, die er fand sei einfach zu schön, um vergessen zu werden.
"Die Lieder sind für die Musiker selbst. Sie sind nachdenklich, dienen zur Meditation, um die Zeit rumzubringen. Und sie behandeln viele Dinge. Auf diesem Album sind viele Klagelieder, eines geht um den Tod einer Freundin, ein anderes über eine verflossene Liebe. Und ein anderer Musiker singt über die Scheidung von seiner zweiten Frau, die ein Alkohol Problem hatte. Und ein blinder Spieler, Edward Mun'goma, singt 'Nkaambonzi Beenzuma', was bedeutet 'Warum meine Freunde'. In diesem Song appelliert er für Frieden anstelle von Aggressionen. Und er singt: 'Du siehst jemanden da sitzen, schon das ärgert dich, warum machst du grundlos nur so viel Schlechtes.'"
Der Musiker Andrew George Munyumbwe 
Deutschlandradio / Arndt Peltner© Der Musiker Andrew George Munyumbwe
"The Kankobela of the Batonga" ist als Vinyl-Album bei SWP-Records erschienen. Ganz bewusst hat Michael Baird das klangvolle Vinyl-Format gewählt, denn, wie er meint, Vinyl ist wieder in und gerade junge Leute sind daran interessiert. Und die müssten mit dieser Musik erreicht werden, um sie zu bewahren.
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